Coronademo - © Foto: picturedesk.com  / Hans Ringhofer

So ticken Corona-Demonstranten

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Mehrere Studien und Umfragen über die Corona-Demonstrant(inn)en geben Aufschluss über die widersprüchlichen Motive und Einstellungen der immer beliebter werdenden Protestgruppe.

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Mehrere Studien und Umfragen über die Corona-Demonstrant(inn)en geben Aufschluss über die widersprüchlichen Motive und Einstellungen der immer beliebter werdenden Protestgruppe.

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Geht es nach den Nachrichten und Ereignissen, die derzeit im Coronafieber die Runde machen, könnte man meinen, es begänne dieser Tage ein neuer Zeitabschnitt. Eine Periode, in der die verzweifelte Hoffnung, ein Ende der Pandemie sei schon erreicht, alles überrennt, selbst den pandemischen Istzustand. Mögen die Intensivstationen noch so voll mit Kranken sein und die Zahl der Neuinfizierten weiter um die 2000 liegen, mögen neue Varianten des Virus in immer neuen Formen auftreten, britisch, südafrikanisch, brasilianisch, indisch, und mögen Virologen noch so sehr zur Vorsicht mahnen. Die Menschheit scheint mit jeder erfolgreichen Impfung um vieles sicherer zu werden, Covid-19 hängt quasi nur noch hilflos in den Seilen. Das ist der Eindruck, und er wird stetig erhärtet. Die Bühnen sperren wieder auf (in Israel jedenfalls), der Bundeskanzler verspricht uns ein wenig alte Normalität ab Mitte Mai, die Arbeitslosigkeit sinkt, und drüben auf den Unterhaltungsbühnen singen sie Songs, die Vakzine verherrlichen. Sogar der alte Mick Jagger freut sich saftig-rockig auf einen „Garten weltlicher Vergnügungen“ nach Covid-19.

Der verdeckte Spalt

Wenn es so kommt, wird schnell auch der tiefe Spalt, der diese Gesellschaft in den vergangenen Monaten auseinandergezwungen hat, rasch zugedeckt sein. Und jene, die die Covid-Maßnahmen als Freiheitsberaubung gesehen haben, können wieder mit jenen, die diese Maßnahmen für äußerst notwendig gehalten haben, an einem Tisch sitzen und reden und vielleicht gar lachen. Das ist, was der harmoniebedürftige Mensch sich wünscht.
In all diesem Wünschen und Wollen muss aber auch noch Raum für eine Analyse dessen sein, was in den vergangenen Monaten geschehen ist – nicht virologisch, sondern gesellschaftlich: das Phänomen der aufbegehrenden Massen, die in gewissem Sinn dieses aktuelle Wünschen und Wollen vorweggenommen haben und dabei kein Risiko scheuten – und auch kein Feindbild. Wer also sind die tausenden Menschen, die sich – ganz neutral gesprochen – aus allerlei Motiven und Gefühlen heraus mit Rechtsradikalen, Neonazis und Staatsverweigerern auf die Straße gestellt haben? Wo in der Gesellschaft sind sie angesiedelt? Wie werden sie angesehen vom Rest der Gemeinschaft? Und wie werden sie sich in Zukunft verhalten?

Wiewohl das Datenmaterial über diese Gruppe dürftig ist, lassen sich einige Dinge aus Studien und Umfragen ablesen. Das jüngste aufschlussreiche Material geht auf eine breite Umfrage des Gallup-Instituts in Österreich zurück, das sogar ein wenig von der Innensicht der Protestierenden freilegen kann. Im Ganzen gesehen handelt es sich um eine relativ große Gruppe, nicht weniger als 14 Prozent der Bevölkerung würden „auf jeden Fall“ oder „eher“ an einer Corona-Demonstration teilnehmen – und sie genießen seit November des Vorjahres wachsende Unterstützung im großen Rest der Bevölkerung. Waren es im November noch 29 Prozent, die „großes Verständnis“ für die Demonstrationen hatten, wuchs dieser Anteil bis März auf 35 Prozent. Überraschend bei den Motiven der starken Unterstützer ist, dass sie sich selbst nicht als politische Demonstranten wahrnehmen. Nur 14 Prozent bezeichneten sich als politisch interessiert, das ist gemessen an der Gesamtbevölkerung unterdurchschnittlich (17 Prozent Interessierte) – und vielleicht sogar das Gefährlichste an dieser Gruppe.

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