Mehr als erfreuliche Beteiligung

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Die Online-Umfrage des Zukunftsforums ist nicht repräsentativ. Das kann eine offene Online-Umfrage nie sein. Auch die neun diözesanen Erhebungen zum vatikanischen Fragenbogen zu Ehe und Familie sind es nicht.

Repräsentativ ist eine Umfrage nur, wenn jede Person im Land die vom Zufall bestimmt gleiche Chance hat, vorzukommen. So stützen sich viele Tages-Umfragen auf 500 exakt ausgewählte Personen. In meinen wissenschaftlichen Großstudien waren es zumeist 1000 bis 2000 Befragte. Um die Chance eines jedes Einzelnen sicherzustellen, wird ein Sample, eine Stichprobe gezogen. So kann ich beispielsweise aus einem Namensverzeichnis aller Priester in Österreich jeden zehnten auswählen. Das Ergebnis spiegelt dann die Meinung aller Priester im Land wieder (was letztlich eine arge Kränkung der menschlichen Freiheit darstellt).

Heute werden aus finanziellen Gründen Quotensamples erstellt. Man verlangt, dass einige wichtige Personenkategorien entsprechend ihrer Verteilung in der Bevölkerung auch in der Umfrage abgebildet sind: also Männer und Frauen, Altersgruppen, Schulbildung, Konfession.

Manche Verantwortliche (auch in der Bischofskonferenz) schließen aus der Nichtrepräsentativität, dass also die Umfrage belanglos sei. Es hätten sich eben nur Kritiker beteiligt, reformwillige Leute, die der Kirche schon lange etwas ins Stammbuch schreiben wollten.

Wer so denkt, macht es sich zu seinem eigenen Schaden zu leicht. Denn:

1. Die vermeintlichen "Minderheiten“ sind eine beachtliche Zahl. Wann hat eine Bischofskonferenz schon einmal die Chance, in Summe vermutlich rund 50.000 Personen zuzuhören? Zudem zählen ja bei vielen Fragen nicht die exakten Prozente. Von hohem Interesse sind vielmehr die Denkfiguren, welche in den acht Offenen Fragen sichtbar werden. Das macht aus der Online-Umfrage zugleich eine qualitative Umfrage. Und bei einer solchen stellt sich die Frage nach der Repräsentativität gar nicht.

2. Vergleicht man die Daten der Online-Umfrage des Zukunftsforums mit statistischen Angaben zur österreichischen Bevölkerung oder mit anderen bekannten repräsentativen Umfragedaten, dann bekommt man ein ebenso bemerkenswertes wie pastoralpolitisch erfreuliches Ergebnis.

Es zeigt sich nämlich, dass bei ganz wichtigen Merkmalen eine auffallende Ähnlichkeit besteht:

• Die Geschlechter sind gleich verteilt.

• Frappant und für kirchliche Aktivitäten ungewöhnlich ist die Altersverteilung. Just die 20- bis 40-Jährigen haben sich an der Umfrage überdurchschnittlich beteiligt: Was der Studie nur gut tut, weil dies die in der Umfrage fokussierte Rushhour des Lebens ist, und was angesichts des Abstands der jüngeren Menschen zur Kirche erfreulich ist.

• In der Studie haben sich etwas mehr Verheiratete beteiligt denn Ledige; das kann zum Teil am Frageschwerpunkt Ehe und Familie liegen.

• Dass es neben katholischen Beteiligten auch Befragte aus der evangelischen Kirche gibt, aber auch Ausgetretene, spricht zu Gunsten der Qualität der Studie.

• Die stärkste Überraschung löst die Beteiligung am Kirchgang aus. Dass sich Sonntagskirchgänger engagieren werden, war erwartbar und ist auch für die pastoralen Reflexionen von Gewicht. Denn gerade hier kann die Kirche annehmen, dass Lebensfragen von den Betroffenen im Umkreis des Evangeliums gemeistert werden. Genau das war aber das Interesse des Papstes an der Umfrage, tief in das lebenserfahrene Kirchenvolk hineinzuhören.

• Dass es zudem aber gelungen ist, über die Gottesdienstgemeinde hinaus viele zu einer Beteiligung zu gewinnen, ist sensationell. Die Hälfte derer, die (fast) nie gehen oder nur selten, hat die Umfrage im Netz besucht und ausgefüllt.

Jene, denen die Umfrageergebnisse nicht gefallen, müssen sich also andere Argumente gegen (vielleicht unwillkommene) Ergebnisse einfallen lassen. Die Aussage: "nicht repräsentativ, also bedeutungslos“ ist gemessen an der erfreulich gestreuten Beteiligung unhaltbar.

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