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Hic Salzburg, hic salta!

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Wieder einmal hat der österreichische Wähler die Politiker durch seine Originalität verblüfft Sein jüngster Einfall, das Ergebnis der Salzburger Landtagswahlen, war für alle im La nd-tag vertretenen Parteien keine geringe Überraschung:• eine angenehme für die Freiheitlichen, die ausgezogen waren, um ihren Landesrat Leitner zu retten, und mit der fetten Stimmenbeute von 18 Prozent heimkehrten;• eine gar nicht so angenehme für die Sozialisten, die auf diese fette Stimmenbeute gehofft hatten, bei einem Stimmenanteil von 40,4 Prozent gegenüber 40,9 im Jahr 1964 jedoch erkennen mußten, daß sie nicht die Jäger, sondern nur die Treiber waren;• und eine insofern unangenehme für die Volks-pärtei, als diese zwar um Haaresbreite noch die stimmenstärkste Partei blieb, mit einem von 44,9 Prozent im Jahr 1964 auf 40,7 Prozent zurückgegangenen Stimmenanteil jedoch ihr absolutes Tief erreichte.

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Wieder einmal hat der österreichische Wähler die Politiker durch seine Originalität verblüfft Sein jüngster Einfall, das Ergebnis der Salzburger Landtagswahlen, war für alle im La nd-tag vertretenen Parteien keine geringe Überraschung:• eine angenehme für die Freiheitlichen, die ausgezogen waren, um ihren Landesrat Leitner zu retten, und mit der fetten Stimmenbeute von 18 Prozent heimkehrten;• eine gar nicht so angenehme für die Sozialisten, die auf diese fette Stimmenbeute gehofft hatten, bei einem Stimmenanteil von 40,4 Prozent gegenüber 40,9 im Jahr 1964 jedoch erkennen mußten, daß sie nicht die Jäger, sondern nur die Treiber waren;• und eine insofern unangenehme für die Volks-pärtei, als diese zwar um Haaresbreite noch die stimmenstärkste Partei blieb, mit einem von 44,9 Prozent im Jahr 1964 auf 40,7 Prozent zurückgegangenen Stimmenanteil jedoch ihr absolutes Tief erreichte.

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Wollten also die Salzburger Wähler nicht, daß Salzburg an der Spitze bleibt? Keineswegs! Sie waren nur zu 18 Prozent der Meinung, diese Spitzenstellung garantiere das auch von ÖVP und SPÖ gelobte, aber ohne FPÖ undenkbare Salzburger Klima.

Und sie waren zu weiteren 40 Prozent der Meinung, dieses Klima ließe sich auch bei Mitbeteiligung der ÖVP und der FPÖ unter sozialistischer Führung aufrechterhalten. Auf dar Angst-Hoffnungs-Achse der Wählerbeeinflussung saßen eindeutig die Freiheitlichen am längeren Hebelarm, wenn sie, die Volksfrontparole der ÖVP aus dem National-ratswahlkampf 1966 modifizierend, argumentieren: damit Salzburg nicht schwarz-rot wird... Waren also die Salzburger Wahlen Gleichgewichtswahlen, bei denen die Wähler unter allen Umständen für eine Koalition, zumindest für eine kleine, plädierten? Damit unterstellt man den Wählern die Kenntnis des ihnen im Augenblick der Stimmabgabe noch unbekannten Wahlergebnisses. Da ist es schon besser, der simplen, aber harten Tatsache ins Auge zu blicken, daß jene, die FPÖ wählten, freiheitlich wählen wollten, und jene, die SPÖ wählten, sozialistisch. Und das wollten nicht nur verärgerte oder krankgejammerte Bauern, das wollten auch sehr, sehr viele über Vollbeschäftigung, Wohnbaurekord und Tauernauto-bahn durchaus nicht erboste Jungwähler.

Die Antwort auf die Frage, was diese Jungwähler beeindruckt hat, wird nur der finden, der ehrlich genug ist, sich einzugestehen, was sie alles offenbar nicht beeindruckt hat. Es fehlte weder an Leistungen des Landes Salzburg noch an Ledstungen des Bundes für Salziburg. Aber Wahlen sind eben mehr als eine Danksagung. Für Jungwähler ist die Stimmabgabe eine Vertrauenskundgebung für Personen, unter deren Politik sie die Zukunft erleben wollen.

Jene, die sich von dieser Auffassung betroffen fühlen, werden natürlich eine andere Lesart der Salzburger Lektion verbreiten: hätte man doch früher und mehr und auch noch für diese und jene gegeben. Etwa nach dem Motto: Einmal wird jeder schwach, es kommt nur auf die Höhe des Betrages an.

So unbestritten es ist, daß unsere älteren Mitbürger da und dort noch unter sozialen Härten zu leiden haben, so unbestritten ist es auch, daß unsere jüngeren Mitbürger das, was sie vom Leben erwarten, bei einer richtigen Politik durch Leistung selber erreichen können. Nach Salzburg haben wir mehr Grund denn je, an die Unbestechlichkeit der neu hinzugekommenen Wähler zu glauben. Sie sind erfreulich wenig manipulierbar. Sie apportieren nicht, wenn man ihnen die Wurst eines Wahlgeschenkes vorhält. Sie entscheiden nach Gesichtspunkten, die manche von uns nicht billigen, die wir aber berücksichtigen müssen, wenn morgen die Volksparted für mehr junge Mitbürger wählbar sein soll.

Die Frage, ob die Jungwählerpeitsche für oder wider die Zuckerbrotpolitik geschwungen wurde, ist schon vor dem Ergebnis genauer Analysen zumindest in ihrer Tendenz beantwortbar. Die „Seid-nett-zuednander“-Demokratie der alljährlichen Versteigerung des noch nicht vorhandenen Sozialprodukts unter Interessenten ist es sicher nicht, die den Jungwähler hinter dem Ofen hervorlockt.

Diese Jungwähler sind nicht gegen die Autorität schlechthin. Wo sie provozieren, sind sie — wenn auch oft nur unbewußt — auf der Suche nach der Grenze, wo die echte Autorität beginnt. Diese Jungwähler sind nicht für Konflikte um jeden Preis. Aber sie ziehen die echte Auseinandersetzung über weltanschauliche Modelle der Konflikt-losigkeit der Komplicen vor. Diese Jungwähler stellen die Vertrauensfrage in erster Linie an Personen, die eine bestimmte Weltanschauung vorleben und bestimmte Programme verkörpern.

Für diese Jungwähler müssen wir das Selbstverständnis der Volkspartei, das wir 1945 in Not und Gefahr gefunden haben, für die Zeit des Wohlstandes und der Sicherheit erneuern. Größere Wünsche als Frieden und Freiheit lassen sich von der Politik nicht erfüllen. Aber größere Aufgaben ließen sich von der Politik her durch neue Rangordnungen und neue Pflichten stellen. Volkspartei sein, heißt auch heute, eine Erziehungsaufgabe an sich selbst zu erfüllen, um das erreichte Gute durch das mögliche Bessere zu ersetzen.

Volkspartei sein heißt ferner, stets im vollen Bewußtsein der Verantwortung für alle zu handeln. Gerade das aber macht die Volksparteira mehr als einer bloßen „Koalition der Bünde“. Für eine Gesinmungsgemein-schafit kann die bloße Summierung der Wünsche nach mehr Fredzeit, höherem Einkommen, weniger staatlichen Eingriffen und mehr staatlicher Förderung noch keine sinnvolle, geschweige dann gemeinwohlgerechte und strukturverbessernde Politik ergeben, die Österreich den Vorsprunig der fortgeschrittensten europäischen Länder aufholen läßt. Schließlich muß sich eine Volkspartei, die am Beginn der siebziger Jahre Mehrhteitspartei sein will, mehr am 21. als am 19. Jahrhundert orientieren. Wen das schockiert, der hat noch nicht zur Kenntnis genommen, daß wir vom 21. Jahrhundert mir noch halb so weit entfernt sind wie vom 19. Das heißt nicht, daß Wahlen mit Jugendstil, jungen Paradekandidaten oder Futurologie allein zu gewinnen sind. Wohl aber wird die Vitalität und Modernität einer Politik, die sieh nicht mit der Prolongierung der Verhältnisse oder der Extrapolierung der Ansprüche zufrieden gibt, sondern die Zukunft nach einem eigenen Entwurf ebenso gewissenhaft wie kühn gestaltet, wahlenrtscheidend sein.

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