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Schicksalsfrage Wahlbeteiligung

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Im Erscheinungsbild der sozialistisch dominierten Arbeiterkammern ist der Vorarlberger Bertram Jäger eine Art Unikat: Er ist derzeit noch immer der einzige nichtsozialistische Arbeiterkammerpräsident.

Jäger, heute auch Vize-Obmann der ÖVP, ist dieser Wahlerfolg erstmals 1969 geglückt; und seither wächst der Stimmenanteil des ÖAAB bei den Arbeiterkammerwahlen in Vorarlberg stetig an. Der ÖAAB-Stimmenanteil betrug 1979 bereits solide 64,9 Prozent, die SPÖ fiel im Ländle auf 30,1 Prozent zurück.

Was Bertram Jäger vor mehr als einem Jahrzehnt in Vorarlberg gelungen ist, das wollen nun auch die Tiroler erreichen. Bei der

letzten Arbeiterkammerwahl fehlten der Volkspartei nur 441 Stimmen auf die Mehrheit.

„Wenn es gelingt, die Wahlbeteiligung, sie lag 1979 knapp über 59 Prozent, zu steigern", meint der Tiroler AAB-Spitzenkandidat Ekkehard Abendstein im Gespräch mit der FURCHE, „dann könnten wir erstmals die Mehrheit erringen".

Abendstein, seit 24 Jahren Betriebsratsobmann bei den Swa-rovski-Werken legt sich die Latte hoch. Er strebt eine Wahlbeteiligung von 65 bis 70 Prozent an.

Der Kampf um Tirol hat schon mit der Festlegung des Wahlter-mines begonnen. Durch die Vorverlegung der Wahlen auf den 8. und 9. April mußte auch der Stichtag vorverlegt werden, was bedeutete, daß etwa 8.800 Mitarbei-

ter der Wintersaisonbetriebe aus den Wählerlisten gestrichen wurden.

Und die sozialistisch dominierte Tiroler Arbeiterkammer versuchte zudem, die Prokuristen aus den Wählerlisten zu streichen. Das gelang ihr teilweise. „Das tut weh", gesteht Abendstein, „weil dadurch die Ausgangslage für den AAB geschwächt wurde.

AU diese wahltaktischen Manöver der SPÖ bestärken den AAB-Spitzenkandidaten in seinen Bemühungen, eine Reform des Arbeiterkammerwahlgesetzes zu erreichen. Das AK-Gesetz sei zu verwaschen, es biete Parteien und Fraktionen, so sie nicht die Mehrheit bilden, keinen Schutz.

Erschwerend für das Ziel, die Mehrheit zu erringen ist auch die Verteilung der Mandate. „Die Arbeitermandate sind billiger, die Angestelltenmandate teurer. Das bedeutet für uns, daß theoretisch sogar bei einer größeren Stimmenmehrheit, auf Grund der Mandatsverteilung der Präsident nicht drinnen ist", gibt Abendstein ruhig zu.

Auf die Frage, ob der ÜAAB an eine Anfechtung der Wanl denkt — Handhaben wären ja nach den Aussagen genügend vorhanden — meint Abendstein: „Derzeit den-

ken wir nicht daran. Sollte jedoch auf Grund der Vorgangsweise der Sozialisten der Wahlausgang stark beeinflußt worden sein, dann müßte eine Anfechtung überlegt werden".

In der Wiener ÖAAB-Zentrale ist man nach wie vor optimistisch, daß es den Tirolern nach Vorarlberg gelingen wird, einen „schwarzen" Kammerpräsidenten zu stellen. Voraussetzung ist aber eine höhere Wahlbeteiligung.

„Die SPÖ unternimmt alles, um die Bedeutung der Arbeiterkammerwahlen herunterzuspielen", sieht ÖAAB-Obmann Herbert Kohlmaier die SPÖ-Wahl-konzeption. Die bürokratischen Schikanen, mit denen vor allem in Tirol versucht wird, die Wahlbeteiligung künstlich niedrig zu halten, veranlassen ihn daher zur sarkastischen Bemerkung, daß die SPÖ ihre demokratische Haltung automatisch dann ändert, sobald ihre Macht in Frage gestellt wird.

Das Problem einer Wahlanfechtung wird auch diesmal vorsorg-

lieh diskutiert. Aber schon 1979 wollte man das Tiroler Ergebnis anfechten, rang sich aber dann zum Nachgeben durch: „Eine Wiederholung der Wahlen bringt nichts", ist die mehrheitliche Ansicht.

Das Hauptproblem, mit dem sich der ÖAAB bei den Arbeiterkammerwahlen seit eh und jeh herumzuschlagen hat, ist die Abhängigkeit der Wahlbeteiligung von der Größe des Betriebes. In den Großbetrieben, besonders in den steirischen und oberösterreichischen Industriezentren, ist die Wahlbeteiligung traditionell sehr hoch. In den Klein- und Mittelbetrieben liegt sie häufig unter der 20-Prozent-Marke.

Gerade die Mitarbeiter dieser Klein- und Mittelbetriebe stellen aber das ÖVP-Potential. Abendstein selbst hofft, daß es ihm und seiner Fraktion gelingt, in Tirol die Mitarbeiter der Klein- und Mittelbetriebe zu den Urnen zu bekommen.

Gegen den Vorwurf der Sozialisten, daß der ÖAAB mit den Unternehmern zusammenarbeitet, antwortet der Tiroler im Gegenzug: „Aufgabe einer Arbeiterkammer ist es nicht, lediglich mit dem Finger auf Falsches zu zeigen. Die gegenwärtige Politik der Arbeiterkammer ist darauf ausgerichtet, der Regierung die Mauer zu machen. Wir müssen uns aber dafür einsetzen, daß die Betriebe gesund sind; denn nur gesunde Betriebe sichern gute Arbeitsplätze. Forderungen an den Arbeitgeber haben nur dann eine Chance auf Verwirklichung, wenn sie berechtigt sind. Überzogene Forderungen haben aber den Arbeitnehmern selten etwas gebracht."

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