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Land der politischen Pendler

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Wenn am Freitag Dr. Heinrich Gleißner, diesmal nur mit den Stimmen der Volkspartei und der Freiheitlichen, neuerlich zum Landes-hauptmiamm von Oberösterreich gewählt wird, so hat sich hinter diesem Schauspiel die Kulisse, die politische Landschaft Oberösterreichs, sehr wesentlich gewandelt. Und zwar mehr, als dies die Zusammensetzung der neuen Regierung und des Landtages- erahnen läßt. Man muß in das Bild die neue Kräfteverteilung in den drei Statutar-städten, in Linz, Wels und Steyr, einbeziehen, aber auch das der zahlreichen veränderten Gemeinde-parlamente, die vielfach noch gar nicht konstituiert sind, so daß das Gesamtbild erst in den nächsten Tagen und Wochen erkennbar sein wird.

Die Bevölkerungsverschiebung in Oberösterreich hat dazu geführt, daß gegenüber den letzten Landtagswahlen vom Jahre 1961 ein Mandat vom Mühlviertel in den Wahlkreis Linz abgewandert ist (eine Erscheinung, über dessen politische Folgen man sich schon vor der Wahl ziemlich

klar war); hätte es inzwischen eine Volkszählung gegeben, wäre ein weiteres Mandat, nämlich aus dem Inn-viertel, dn den Wahlkreis Linz abgewandert. Der wirtschaftliche Ballungsraum im oberöstenreichijschen Zentrallraum Enns-Liinz-Wels ist also auch der entscheiildende politische Raum geworden.

Ein diffuses Bild

Trotzdem hätte diese Mandatsverschiebung allein nicht ausgereicht, die Überraschung der Landtagswahlen vom 23. Oktober 1967 herbeizuführen. Die EntMeoflogdisie-rung der politischen Parteien in Österreich läßt den Kreis der konfessionell und ideologisch gebundenen Wähler kleiner werden und die Zahl der „politischen Pendler“, also der Wähler, die sich von Wahl zu Wahl neu und vielfach anders entscheiden, ansteigen. Das war gewiß auch bei den Märzwahlen 1966, das war unübersehbar bei den Oktoberwahlen in Oberösterreich sichtbar. Eine Reihe von anderen Fakten hat diese Entwicklung sichtbar dramatisiert und unerwartete Folgen ge-

habt, wie die Tatsache, daß die Soziallsten erstmals die stimmen-stärkste Partei in Oberösterreich wurden und die Tatsache, daß die Volkspartei an einem Tag die absolute und (stilmmenmäßig) die relative Mehrheit verloren hat, daß die an sich mlie bedeutungsvollen und nie im Landtag vertretenen Kommunisten halbiert und die Freiheittöehen mandatsmäßig ebenfalls halbiert wurden: die schon bisher verhältnismäßig geringen Unterschiede zwischen dien Parteien, die Tatsache, daß die Verluste alliier anderen Parteien den Sozialisten zugute kamen, daß Sich Verärgerungen weniger In StirmnenthalMwngen und ungültigen Stimmen niederschlugen, sondern ausschließlich der SPÖ zugute kamen.

Ein Vergleich zwischen den Verlusten der ÖVP und FPÖ (die der KP und DFP fallen weder zahlen-noch anteillsmäßig ins Gewicht) und dem Gewinn der SPÖ-Stimmen ergibt eher ein diffuses und nicht immer verständliches Bild. Der Rückgang der Volkspartei ist an sich im Durchschnitt nicht enorm und macht

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