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Die Gesamtschule kommt durchs Hintertürl

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Während sich auf politischer Ebene Österreichs Schulexperten hinsichtlich der Einführung der integrierten Gesamtschule für alle 10- bis 14jähri-gen fast bühnenreif in den Haaren liegen, werden hinter dieser Kulisse längst die Fundamente für die heimische Gesamtschulzukunft ausgehoben. Bei mehr als einem Dutzend der laufenden Schulbauprojekte im gesamten Bundesgebiet liegen die Baukosten bei 200 Millionen Schilling und darüber. Nicht wenige dieser Schulen werden 3000 oder sogar 4000 Schülern Platz bieten.

Der Zweck all dieser überdimensionierten Schulen, die zum größten Teil in sozialistisch dominierten Gemein-; den geplant sind, scheint auf der Hand zu liegen: Die Regierung schafft sich zusätzliche Argumente für die allgemeine Einführung der Gesamtschule. Die vergleichsweise nur noch an die Dimensionen der UNO-City heranreichenden Schulen werden vorderhand als schulpolitische Notwendigkeit verkauft, die zudem noch im Dienste der Arbeitsplatzsicherung steht. Arbeitsplatzsicherung im Bereich der Bauwirtschaft und zugunsten der um Anstellungen bangenden Lehramtskandidaten. Wirklich notwendig sind Schulen dieser Größenordnung erst nach Einführung der Gesamtschule.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, auf welche Quellen sich die an Zahlenspielereien erinnernde Bedarfsprognose der österreichischen Schulplaner stützt. Dr. Zauberer vom österreichischen Institut für Raumplanung zaubert zur Untermauerung der groß angelegten Schulbauten eine Kurve hervor, die die Generation der 10- bis 14jährigen ab 1985 stark ansteigen läßt. Kommentar des ÖVP-Schul-experten und Nationalratsabgeordneten Eduard Moser: „Reine Spekulation!“ Dies deshalb, weil die Zahlen für die Schulplanung angeblich von der Volkszählung 1961 (nicht 1971) stammen, was nicht gerade für Aktualität und Richtigkeit . der Planungen spricht. Daß die Geburtenrate in den siebziger Jahren einen beachtlichen Knick bekommen hat, scheint sich in verschiedenen Ministerien noch nicht herumgesprochen zu haben.

Die rege Schulbautätigkeit, die zwischen Unterrichts- und Finanzministerium unter Ausschaltung des an sich zuständigen Bautenministeriums ausgehandelt wird, stützt sich zum Teil auf ein Finanzierungsverfahren, das für einzelne Notfälle vom früheren Unterrichtsminister Alois Mock ins Leben gerufen wurde. Für den Fall, daß die Kassen auf Bundesebene ausgetrocknet sind (was seither immer öfter der

Fall ist), sollten die jeweiligen Standortgemeinden als Bauherren auftreten und im Kreditwege die Schulneubauten vorfinanzieren, wobei der Bund die Raten abzahlt und so gewissermaßen im Leasing-Verfahren die Schulen nach jeweils 15 Jahren übernimmt.

Dieses Modell birgt aber gerade dann beachtliche Mängel in sich, wenn es wie neuerdings zum System wird: Ausgeschlossen sind nämlich die Landeshauptstädte (Wien seltsamerweise nicht), in denen viele alte und zu klein gewordene Gymnasien zu reparieren wären. Manche Schulen aus diesem Altbestand stehen sogar knapp vor der Sperre durch die Baupolizei, weil der Bund nicht einmal die augenfälligsten Schäden zu beheben in der Lage ist.

Zu den Gewinnern des immer öfter praktizierten Finanzierungssystems gehört beispielsweise die oststeirische Stadtgemeinde Weiz (neben anderen SPÖ-dominierten Städten wie Deutschlandsberg und Voitsberg), wo der Neubau des Schulzentrums 1976 mit fast einer halben Milliarde Schilling budgetiert wurde. Auf Grund massiver ÖVP-Attacken wurde das Projekt auf immer noch respektable 389 Millionen gestutzt: „Wegen rationellerer Bauführung“, wie diese Kürzung offiziell genannt wird. Sollte das heißen, daß ohne Interventionen seitens der parlamentarischen Opposition Schulen nicht rationell gebaut würden?

Obwohl erst im Herbst 1977 der Rechnungshof auftrug, keine weiteren Schulen im Leasing-Verfahren aus der Erde zu stampfen, und Finanzminister Hannes Androsch dies auch im Ausschuß versprochen hatte, wird nun doch wie bisher weitergebaut: „Jeder Bürgermeister kämpft darum, daß möglichst groß gebaut wird“, kommentiert Eduard Moser lakonisch. Zur Überraschung vieler Parlamentarier hatte Hannes Androsch in seiner am 18. Jänner im Parlament euphorisch verkauften Investitionsspritze auch einen Posten von 7,07 Milliarden Schilling für die Schulen. Androsch über den Zweck dieser hohen Beträge: Er müsse erst in seinen Unterlagen nachschauen, teilte er dem zuständigen Ausschuß mit.

Im Gegensatz zu ihm kann Bautenminister Josef Moser nicht einmal in seinen Unterlagen nachschauen. Er hat keine und weiß auch über die zwischen Androsch und Unterrichtsminister Sinowatz koordinierten Planungen nicht Bescheid. Vorhaltungen von Parlamentariern, zahlreiche der in Bau befindlichen Monsterschulen würden bald zum Teil leerstehen, wehrt Fred Sinowatz, der für die Einführung der Gesamtschule nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten kämpft, mit vielsagenden Prophezeiungen ab: „Sie werden schon sehen, die Schulen werden voll sein.“

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