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Herzliche Umarmung...

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Wenn die politische Strategie einer Oppositionspartei defensiv ist, wenn Angriffskonzeptionen fehlen, wenn augenfällige Zurückhaltung ihre Handlungen bestimmen, stellt sich leicht Defaitismus ein. ÖVP-Bundesobmann Josef Taus will heute mit allem, was er macht, die Wahlkampflinie des Vorjahres im nachhinein glaubhaft machen, will zeigen, daß das Angebot der Volkspartei zur Zusammenarbeit kein leeres Wort war (und ist) und riskiert dabei, daß vor lauter Konsensbereitschaft die Konturen einer Oppositionspartei verlorengehen; daß auch in den Reihen der willigsten Funktionäre die Bereitschaft zur differenzierten Konfrontation auf ein Desinteresse am Lauf der politischen Dinge reduziert wird.

Wo immer Josef Taus in der Öffentlichkeit mit der Regierungspolitik konfrontiert wird, läßt er nur sehr verhalten kritische Töne los, spielt denkbare und tatsächliche Gegensätze hinunter, gerade so, als wolle er den Gegner umarmen. Man sagt, daß in seiner früheren Profession darin seine Stärke lag; in der herzlichen Umarmung, die bisweilen zum Ersticken des, beziehungsweise der Rivalen führte. Es ist nicht auszuschließen, daß er diese Methode nun auch in der Politik praktizieren will. Geht diese Rechnung auf, dann hat er wahrscheinlich alles gewonnen; geht sie nicht, haben er und die Volkspartei wahrscheinlich über diese Legislaturperiode hinaus viel verloren. Diese Strategie ist letztlich das genaue Gegenteil der Überlegungen von Karl Schlein-zer, der die Oppositionsrolle der Volkspartei zu Beginn sehr kritisch anlegte, um zuletzt auf Konsensbereitschaft umzuschalten. Dieses Konzept, das Josef Taus im Juli 1975 durchaus willig übernahm, schlug — spätestens am 5. Oktober erfuhr man das — fehl.

Josef Taus' Parteiführung seit Oktober 1975, also in den ersten 100 Tagen nach den Nationalratswahlen, vermittelt den Eindruck der toleranten Absenz. Geht es wirklich nicht mehr anders, dann äußert er sich auch in einer größeren Öffentlichkeit. In den niederen Funktionärsrängen

rumort es schon ein wenig, weil es an griffigen Parolen fehlt. Derlei ist tägliches Brot bei Auseinandersetzungen in den Gräben des politischen Lebens.

Zuversicht herrscht in der Volkspartei noch insofern, als man fest davon überzeugt ist, daß der Parteiobmann seine Karten nicht frühzeitig aufdecken will, Atouts zurückbehält. Diese Zuversicht braucht ihre guten Gründe, sonst schwindet sie und läßt sich nicht auf Befehl zurückgewinnen.

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