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Schluß mit der Polemik!

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Hüten wir uns vor allzu schnellen Urteilen! Damit schließt Rupert Gmoser seine Fragen an Kirche und SPÖ. Ich möchte daran anknüpfen und es noch deutlicher sagen: Hüten wir uns überhaupt vor Urteilen, vor Vorurteilen und vor Nachurteilen!

Ich möchte aufrufen zu einem Moratorium, zu einem Stillstand, zu einem Aufhören jeder Polemik, jeder Rechtfertigung, jeder Replik, jedes Tieferschürfens und jedes Weitergrabens, auch jedes öffentlichen Selbstgespräches.

Den Wortlaut der Rede Kreiskys haben die wenigsten gekannt. Die- öffentlichen Reaktionen bezogen sich auf jene Passagen, die im Rundfunk zu hören waren. Politik wird bei uns über die Medien gemacht, und die Reporter rechnen es sich zur Ehre an, solche Passagen auszuwählen, die kon-troversiell sind.

Aber das müßte man in Österreich wissen, auch daß von jeder Erwiderung, jeder Entgegnung, jeder Klarstellung die Öffentlichkeit im wesentlichen nur das erfährt, was als Konfrontation und nicht als Konsens interpretiert werden kann, kurz gesagt, was Gelegenheit zu einer Schlagzeile gibt. Darum nochmals die Bitte: Schluß damit!

Ja, wird man sagen, das geht doch nicht! Man wird doch noch die Wahrheit sagen dürfen, Bischöfe setzten meist hinzu, „ob gelegen oder ungeleeen".

Im Namen der „Wahrheit" sind oft die tiefsten und schmerzhaftesten Wunden geschlagen worden. Die Österreicher sind nicht zimperlich im Austeilen, im Hinhauen, im Haxistellen und Haxlbei-ßen, auch im Namen der sogenannten „Wahrheit". Sie sind aber überempfindlich, wehleidig und weinerlich, wenn ihnen jemand auf die Zehen tritt.

Nicht um Wunden zu schlagen und um Wehleidigkeiten zu kultivieren, sondern um die Positionen abzuklären, einige Feststellungen:

Kreisky hat gemeint, die Kirche hätte den Polen nicht gesagt, was sie tun sollten, bzw. sie habe den Polen einen schlechten Rat gegeben. Woher weiß Kreisky, welchen Rat die Kirche den Polen gegeben hat. Die ganze Welt weiß und auch Kreisky muß wissen, daß die Kirche die Polen immer wieder zur Mäßigung, zur Zurückhaltung gemahnt hat. War das ein schlechter Rat?

Kreisky findet es als „Heuchelei", wenn katholische Politiker das bejubeln, was heute in Polen geschieht, „obwohl sie das getan haben, was in Österreich in den dreißiger Jahren geschehen ist."

Gegen wen geht das? Von den „katholischen Politikern", wen immer Kreisky darunter versteht, waren in den dreißiger Jahren die meisten noch nicht auf der Welt oder noch in den Windeln. Was haben sie in den dreißiger Jahren „getan"? Oder geht es hier um eine Generationenhaftung?

Noch irrationaler ist der Hinweis auf einen Bericht des Nuntius 1934. Wer kennt diesen Bericht? Wen soll das heute treffen? Den Nuntius, den Vatikan, den Erzbi-schof von Wien, die Kirche in Österreich? Die Kirche hat sich schon 1952 in aller Deutlichkeit von 1934 und auch von der Rolle, die sie damals spielte, distanziert.

Und was 1934 betrifft: Daß es dazu gekommen ist, zum Bürgerkrieg und Brudermord, daran haben alle schuld. Niemand nehme sich heraus, sich selbst von jeder Schuld frei zu wähnen. Die Toten von 1934, die, von allen verlassen, für eine Idee, die sie zerbrechen sahen, in den Tod gingen, können wir nur ehren durch Ehrfurcht, Scham und Schweigen. Und das Gelöbnis: nie wieder Bürgerkrieg, nie wieder Kirche als Partei, nie wieder Partei als Kirche! Auch Kreisky hat es bisher so gehalten.

Ob nun Kreiskys Erklärung zu Polen deplaciert war oder nicht, ob sein Rückgriff auf 1934 unverständlich, irrational war — nicht minder unverständlich und deplaciert waren die meisten Reaktionen.

Daß Kreiskys Meinungen das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Österreich nicht stören können, darauf hat schon einen Tag später der Sekretär der Bischofskonferenz, Prälat Alfred Kostelecky hingewiesen, und in diesen Tagen Bundespräsident Rudolf Kirchschläger.

Und die Beziehungen zwischen Sozialisten und Katholiken? Diese Beziehungen sind zum Teil ein innerkatholisches Problem. Wie können Katholiken verschiedener politischer Anschauung miteinander auskommen? Hier wird es immer Spannungen geben und soll es auch Spannungen geben.

Eines aber soll es nicht geben: daß der eine dem anderen das Katholischsein abspricht! Die Bischöfe haben sich bisher da weitgehend herausgehalten. Sie werden das auch in Zukunft tun.

Aber man tut den Bischöfen nichts Gutes, wenn man versucht, sie auseinanderzudividieren: Der eine Bischof ist gut, der andere nicht. Kreisky muß wissen, daß solche Versuche nur zu einer Solidarisierung führen müssen.

Bischof Weber hat einmal aufgerufen zu einer Koalition der Vernünftigen, der Vorurteilsfreien, der Versöhnungsbereiten. Jede Gemeinschaft kann nur bestehen, wenn die Kräfte der Zusammenarbeit stärker sind, als die Kräfte der Konfrontation. So gesehen, ist die Kirche immer eine Kraft der Zusammenarbeit, der Versöhnung.

Es mag sein, daß dies nicht alle im Lande wollen. Der Friede gibt schließlich auch weniger Schlagzeilen. Aber auf irgendetwas muß man halt verzichten. Verzichten wir auf Schlagzeilen!

Der Verfasser ist Herausgeber der Kath-press.

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