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Blei und Aufsichtsräte

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Das ÖIG- (später ÖIAG-) Gesetz sollte seinerzeit die verstaatlichte Industrie, jahrelang Zankapfel in der österreichischen Innenpolitik, endlich vom politischen Tageskrieg befreien. Daß dies nicht gelungen ist, zeigte spätestens die Fusion der beiden Stahlkonzerne VÖESt. und Alpine im Frühjahr dieses Jahres, die auf politischer Ebene ausgehandelt und im Parlament durch ein eigenes Gesetz beschlossen wurde.

Nach der im Jahr 1970 gescheiterten Chemiefusion war die Bildung des österreichischen Stahlkonzerns mit Weltgeltung zu/ Jahresbeginn dieses Jahres die erste, echte branchenweise Zusammführung in der verstaatlichten Industrie, sieht man von der von vielen als „Notlösung“ abgetanen Lösung bei der elektrotechnischen Industrie ab.

Doch die ÖIAG kommt nicht zur Ruhe. Noch ist die Buntmetallfusion nicht beschlossen, meldete sich der Generaldirektor der ÖIAG in einer Pressekonferenz zu Wort und meinte, man könne die Bleiberger Bergwerksunion BBU, die nicht zuletzt aus regionalpolitischen Rücksichten nicht in die Fusion der Buntmetallindustrie einbezogen werden soll, doch im nächsten Jahr dieser neuen Gruppe angliedern. Im Eisen- und Stahlbereich hält Generaldirektor Geist die Angliederung der beiden Schiffswerften Linz und Komeuburg, der Simmering-Graz-Pauker AG und der Elin AG an den VÖESt.-Alpine-Konzern für sinnvoll; und schließlich schlägt er vor, den Bau von Schweranlagen der Elin besser in Linz, am besten gleich bei der VÖESt. durchführen zu lassen.

Soweit der Sachverhalt.

Was dann kam, war wieder einmal österreichische Wirtschaftspolitik: Bundeskanzler Kreisky, offiziell bereits im Urlaub und im Ministerrat bereits durch den Vizekanzler vertreten, ließ alle Ideen Geists durch die

Sektion IV des Kanzleramtes als „Mißverständnisse“ abtun. Alle Pläne Geists, wie etwa die Schwerstan-agen-Produktion der Elin in Linz, wurden ebenso dementiert, wie etwa die Möglicheit, die BBU doch noch in den neuen Buntmetallkonzern einzugliedern.

Obwohl Bruno Kreisky am Morgen dieses Tages noch mit Geist über diese Frage telephonisch gesprochen hat, fiel das im Amtsdeutsch gehaltene Dementi („Die Sektion IV des Bundeskanzleramtes stellt im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers fest...“) überraschend scharf aus-. Ähnlich scharf reagierte auch der steirische Landeshauptmann Niederl, der nach der Einbindung der Alpine in die oberösterreichisch dominierte VÖESt. nun den „Anschluß“ eines weiteren steirischen Großbetriebes an den Linzer Industriegiganten befürchtete.

Niederl war ohnehin durch die geplante Neubesetzung der Aufsichtsrate der beiden steirischen Edelstahlfirmen Schoeller-Bleckmann und Gebrüder Böhler aufgebracht, da die beiden neuen Töchter des VÖESt.-Alpine-Konzerns mit Aufsichtsratsmitgliedern durch die VÖESt. beschickt werden sollten, so daß die Steiermark in diesem Gremium nicht mehr vertreten wäre.

Die Aufregung wurde auch durch ein ORF-Interview Geists nicht gemildert, der zwar einen tiefen fachlichen Zwist mit dem Bundeskanzler zugab, aber im übrigen keinen Grund sah, seine aus betriebswirtschaftlicher Sicht geäußerten Ideen zurückzuziehen oder zu revidieren.

Obwohl ÖIAG-Präsident Taus, der seinerzeitige Vater des ÖIG-Gesetzes, versuchte, die Wogen zu glätten, zeigte sich die verstaatlichte Industrie einmal mehr mitten in der Tagespolitik. Der steirische Landeshauptmann hielt eine Pressekonferenz ab, in der er nochmals scharf gegen die Neubesetzung der Aufsichtsratspositionen in den Edelstahlfirmen Stellung bezog und die Elin-Fusion ablehnte.

Reduziert man diesen mit vielen Emotionen geführten Streit auf die rein wirtschaftliche Ebene, bleiben verschiedene Fragen offen: So etwa die, ob die VÖESt.-Alpine nicht doch auch einen Vertreter des Bundeslandes in den Aufsichtsrat ihrer Töchter entsenden könnte, wenn auch ihr Recht zur Nominierung unbestritten ist. Oder: Warum läßt man die BBU aus dem Buntmetallkonzern draußen? Nur aus Rücksicht auf Kärnten — oder weil man meint, Blei und die anderen Unternehmen hätten nichts miteinander zu tun? Was bitte verbindet die fusionierenden Kupfer-und Aluminiumbetriebe? Will man, und diese Frage richtet sichan Generaldirektor Geist, mit der VÖESt.-Alpine das schaffen, was mit der ÖIAG, der Dachgesellschaft für die verstaatlichten Betriebe, nicht gelungen ist, nämlich einen riesigen Konzern mit verschiedenen „Divisdons“?

Diese und viele ähnliche Fragen könnte man, da sie in der Diskussion eigentlich offen geblieben sind, stellen. Antwort wird man vermutlich keine erhalten. Daß aber die neuerliche Unruhe nicht gerade jene Ruhe für die Verstaatlichte schafft, die sich Präsident Taus für ein ruhiges Arbeiten wünscht, ist offenbar klar.

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