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Verstaatlichte: Fußballer im Out

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Seit dem Wochenende rollt der Fußball wieder. Die „verstaatlichten" Klubs müssen aber mit weiteren Subventionskürzungen rechnen. Dennoch lohnt sich's, bei der VÖESt dem Leder nachzulaufen.

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Seit dem Wochenende rollt der Fußball wieder. Die „verstaatlichten" Klubs müssen aber mit weiteren Subventionskürzungen rechnen. Dennoch lohnt sich's, bei der VÖESt dem Leder nachzulaufen.

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Seit Jahrzehnten sind Österreichs verstaatlichte Industrieunternehmen als millionenschwere Sponsoren vom grünen Rasen nicht mehr wegzudenken. Selbst unter dem Eindruck von Milliardendefiziten leistet man sich's, als Fußballmäzen aufzutreten.

Aber die Sponsortätigkeit der verstaatlichten Großbetriebe hat sich unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise zunehmend gewandelt.

Vorbei ist jedenfalls die Zeit, als den Linzer Stahlkochern die Verpflichtung eines österreichischen Fußballnationalspielers noch Millionen wert war, zu einem Zeitpunkt als die wirtschaftliche Depression bereits abzusehen war.

Der VÖESt-Alpine-Konzern, bekanntester Fußballgönner in der Reihe der Verstaatlichten, hat heute seinen Kickern eine Radikalkur verordnet. Seit 1977 haben sich laut VÖESt-Pressesprecher Franz Summer die Zuwendungen für die Fußballsektion des Sportklubs VÖESt um sechzig Prozent verringert.

„Sponsorgelder gibt's überhaupt keine, nur Subventionen", betont Summer. Der SK VÖESt ist ein. Werksportverein mit 22 Sektionen und 17.000 Mitgliedern. Die Fußballsektion hat sich mit der Popularisierung des Fußballs in den sechziger Jahren allmählich zu einem Profiverein entwickelt.

Ab der Saison 1982/83 gibt es keinen Profifußballer in der Mannschaft mehr, sondern nur junge Vertragsspieler. Die VÖESt stellt dabei „lediglich Arbeitsplätze im Linzer Werk zur Verfügung und entläßt die Spieler ab 14 Uhr zum Training" (Summer). Als Zubrot zu ihren VÖESt-Bezü-gen kassieren die Stahlkicker allerdings bei Punktgewinn eine Prämie zwischen 2000 und 5000 Schilling, während ihr VÖESt-KoUegen weiter um ihren Arbeitsplatz zittern.

„Ohne die Subvention könnte der Verein nicht existieren", gibt SK VÖESt-Kassier Wilhelm Wolf offen zu, denn auch der 5000 Mitglieder starke Anhängerklub „Eisen und Stahl" könnte nie die Mittel aufbringen, die für einen Spielbetrieb in Österreichs höchster Spielklasse nötig sind.

Warum der Verein als kostenintensiver Erstdivisionär noch immer besteht, begründet VÖESt-Pressesprecher Franz Summer: „Für die Belegschaft ist der Klub ein Identifikationsobjekt, denn der Werbewert ist ja gleich Null."

Eine Begründung, die angesichts einer „Spende" von fünf bis sieben Millionen Schilling jährlich, die der Verein laut Kassier Wilhelm Wolf noch immer erhält („Wer sonst sollte alle Ausfallgelder bei den geringen Zuschauerzahlen zur Verfügung stellen?"), doch etwas dürftig ausfällt.

In den anderen VÖESt-Be-triebsstätten, deren Werksmannschaften in den verschiedensten Landesligen spielen, lassen sich nur in der Höhe der Zuwendungen Unterschiede erkennen, ob in Kindberg, Liezen, Traisen oder Eisenerz.

Auch beim Fußballklub Alpine Donawitz fepielt in der zweithöchsten Spielklasse) spricht der geschäftsführende Obmann Harald Derler von einem Rückgang der Subventionsgelder um mehr als fünfzig Prozent in den letzten sechs Jahren. Den einzigen ausländischen Spieler der Mannschaft, einen Jugoslawen, hat ein anderer Sponsor auf der Gehaltsliste stehen.

Ganz anders präsentiert sich hingegen die Situation bei den Werksportvereinen der Vereinigten Edelstahlwerke (VEW) in Kapfenberg, Ternitz und Judenburg. Angesichts der Sanierungsmaßnahmen hat die VEW jegliche finanzielle Unterstützung eingestellt. Nicht einmal mehr Arbeitsplätze für Neuerwerbungen können vergeben werden, da solches mit den Sanierungsmaßnahmen (Frühpensionierungen, Kurzarbeit usw.) nicht vereinbar ist.

Dennoch existieren die Vereine weiter. So ist in Kapfenberg die Gemeinde für den kranken Edelstahlbetrieb als Sponsor eingesprungen.

Ganz anders motiviert ist der staatliche Monopolbetrieb Austria Tabakwerke (ATW) für die Sponsortätigkeit beim oftmaligen österreichischen Meister Austria Wien. Da stehen weniger die Liebe zum Sport als handfeste materielle Interessen im Vordergrund. Denn mit der Aufschrift „Memphis" auf den violetten Dressen der Austrianer lassen sich einige werbeträchtige Wege gehen, die, so ATW-Werbechef Leo Sejkot, sonst verschlossen blieben. Der Weg, mit Zigarettenwerbung „durchs Hintertürl" ins Fernsehen zu kommen, hat sich gelohnt. „Die Memphis ist heute", betont Sejkot, „eine Großmarke."

Und damit amortisieren sich auch die fünf bis sechs Millionen Schilling, das sind rund zehn Prozent des gesamten ATW-Werbeetats, die jährlich in den Fußball investiert werden.

Neben diesen jährlichen Finanzspritzen halten die ATW für überaus treue Spieler ein besonderes Zuckerl zur Verfügung. Ihnen winkt eine einträgliche Tabaktrafik in bester Lage.

Die Betriebe der Verstaatlichten Industrie kränkeln allesamt. Und sollte sich ihr Gesundheitszustand noch weiter verschlechtern, dann wird auch eine lange Tradition wie die des SK VÖESt kein Garant für andauernde milde Gaben durch das Mutterwerk sein: denn „dann wird man überall weiter einsparen müssen", so Erich Ernegger von der öl AG, der Dachorganisation der Verstaatlichten Industrie. Und an die Stelle der VÖESt, so hört man aus ÖIAG-Kreisen, könnte ja auch die Stadt Linz als Sponsor treten.

Auch Neoabgeordneter Josef Gap, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend, spricht zwar dem Breitensport der Belegschaft zur körperlichen Ertüchtigung das

Wort, hält aber die „staatliche Finanzierung von Spitzensport für fraglich, denn staatliche wie auch private Betriebe haben in Krisenzeiten eine soziale Verantwortung zu tragen".

Wie es mit der „sozialen Verantwortung" bei privaten Sponsoren im Fußball bestellt ist, verspürte Josef Schulz, jetzt Manager des ältesten österreichischen Fußballklubs „Vienna", am eigenen Leib. Als er 1981 seine Doktorarbeit mit dem Titel „Fußballmanagement" veröffentlichen wollte, wußten dies einige private Fußballsponsoren zu verhindern. Die Arbeit enthält nämlich auch Bilanzen und genaue Summen von Sponsorgeldern, die oft mit der Beschäftigungspolitik der Unternehmen nicht vereinbar scheinen. Josef Schulz mußte sich eidesstattlich verpflichten, seine Dissertation bis 1986 unter Verschluß zu halten.

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