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Eine ganz große Lösung

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Vor etwa dreieinhalb Jahren hatte ein Expertengutachten festgestellt, daß die vier großen Unternehmen der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie zusammengelegt werden sollten, um ihnen auch in Zukunft internationale Konkurrenzfähigkeit zu sichern. (Siehe vor allem unseren Beitrag auf Seite 5.)

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Vor etwa dreieinhalb Jahren hatte ein Expertengutachten festgestellt, daß die vier großen Unternehmen der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie zusammengelegt werden sollten, um ihnen auch in Zukunft internationale Konkurrenzfähigkeit zu sichern. (Siehe vor allem unseren Beitrag auf Seite 5.)

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Vor rund zwei Jahren erging dann auch der Auftrag zur branchenweisen Zusammenführung innerhalb der verstaatlichten Unternehmen im Laufe von vier Jahren. Mehr als die Hälfte dieser Frist ist inzwischen abgelaufen — doch mit Beginn dieses Jahres scheinen die Dinge ins Rollen gekommen zu sein.

Nachdem im Vorjahr noch das Projekt „Bundesstraße 17“ forciert worden war, das eine Zusammenführung der an dieser Straße gelegenen Betriebe Schoeller, Alpine und Böhler vorsah, scheinen jetzt die Weichen für die größere Lösung, also unter Einbeziehung der VÖESt, gestellt worden zu sein.

Vor allem in den letzten Wochen entwickelte sich das Gespräch über die vereinigte Stahlindustrie nahezu dramatisch: Zuerst legte Böhler ein Konzept vor, indem das Unternehmen das B 17-Konzept ablehnte, da die VÖESt darin nicht einbezogen war. Böhler, ein Edelstahlproduzent, schlug vor, VÖESt und Alpine zu verschmelzen. Während die Alpine in Zukunft nur noch Walzstahl und Fertigwaren produzieren solle, werde nach Meinung von Böhler die Hüttenproduktion in Linz zusammengefaßt werden. Damit würde die Alpine die gesamte Roheisenproduktion verlieren, mit Ausnahme von Elektrostahl. Die beiden Edelstahlkonzerne Böhler und Schoeller-Bleckmann sollten an diese große Kommerzstahlgesellschaft angegliedert werden.

Die Alpine erhob sofort schärfsten Protest gegen diesen Plan. ÖIAG-Generaldirektor Dr. Geist zeigte sich überrascht und Bundeskanzler Doktor Kreisky beeilte sich, aufgebrachten Betriebsräten zu versichern, daß die Entscheidung in der ÖIAG, der Dachgesellschaft der verstaatlichten Betriebe, nicht auf der Basis dieses Planes fallen werde.

Die VÖESt hatten inzwischen aber auch einen Reformplan erarbeitet, der wesentlich über die Böhler-Pläne hinausgeht. Im Laufe eines Abendessens, das Bundeskanzler Kreisky am 7. März für die sozialistischen Vorstandsmitglieder der Stahlunternehmen gab, scheint die endgültige Entscheidung für die „große“ Lösung, also unter Einbeziehung aller vier Unternehmen, gefallen zu sein.

Als sich am vergangenen Freitag die vier Generaldirektoren in der ÖIAG zu einem ersten gemeinsamen Stahlgespräch trafen, schien die Lösung des Problems Stahlreform bereits in Bewegung gebracht. Daß dieses erste Gespräch offensichtlich zu einem entscheidenden Durchbruch führen werde, hatte sich aber wohl niemand erwartet. Obwohl man nach dem Gespräch mit offiziellen

Stellungnahmen geizte und darauf verwies, daß vor dem nächsten „Stahlgipfel“ im Mai wohl keine Details entschieden wurden, scheint man in dem Gespräch doch schon sehr konkret geworden zu sein. Sicher ist jedenfalls, die Zustimmung des Eigentümers, vorausgesetzt, daß die VÖESt und die Alpine-Montan-Gesellschaft fusionieren werden. Was um diesen eigentlichen Kern herum geschehen soll, wird erst in einem offiziellen Konzept der ÖIAG festgehalten und entschieden werden, doch darf man annehmen, daß dieses nicht allzuweit vom Reformplan der VÖESt abweichen wird. Dieser Plan sieht eine Fusion der VÖESt mit den Alpine-Betrieben in Donawitz vor. Als Töchter sollten diesem neu entstandenen Großunternehmen die Verarbeitungsbetriebe der VÖESt und der Alpine in Krems und Krieglach angegliedert werden. Eine weitere Tochtergesellschaft sollte aus den zusammengeführten Edelstahlunternehmen Schoeller und Böhler entstehen, wobei die Böhler-Tochter Böhler-Düsseldorf als Tochter dieser Tochter geführt werden könnte.

Eine dritte Tochtergesellschaft könnte dann schließlich aus der Finalindustrie gegründet werden, wobei hier der VÖESt-Betrieb Lie-zen, aber auch Binder in Gleisdorf und die Wiener Brückenbau genannt werden. Zu den Verarbeitungsbetrieben sollte nach Meinung der VÖESt auch die Simmering-Graz-Pauker stoßen und Betriebe, die zwar nicht verstaatlicht sind, aber wie Waagner-Birö einer staatlichen Großbank gehören. Auch Voith wird in diesem Zusammenhang genannt, aber hier ist ja auch ausländisches Kapital beteiligt, so daß diese Lösung noch einige Überlegungen erfordern wird.

Ein eigenes Problem bilden die Bergbaubetriebe der Alpine beziehungsweise ihrer Tochter, der GKB. Aber auch hier sieht man eine Möglichkeit zur Reform: Diese Betriebe, die aus staatspolitischen Überlegungen weitergeführt werden sollten, könnten in einer Tochter als Bergbaugesellschaft ebenfalls dem Konzern angegliedert werden.

Bis dahin muß allerdings noch viel geschehen. Der Konzern muß ein Produktionskonzept erhalten, die Konzentration soll auch zur Reorganisation beitragen. Obwohl die im Stahlgeschäft so wichtigen Markennamen der einzelnen Firmen beibehalten werden müßten, wird man doch ernste Überlegungen anstellen müssen, wo man auch im Bereich der Muttergesellschaft Änderungen vornehmen kann. Die in Donawitz freiwerdenden Arbeitskräfte, etwa 3000, müßten neue Beschäftigungen erhalten, was allerdings nach Aussagen von Fachleuten keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Sollte diese Reorganisation in der angestrebten Form durchgeführt werden, so scheint sie Erfolg zu versprechen, jedenfalls mehr, als die bisher in der chemischen Industrie erreichten Reformen.

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