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Aus vier jetzt eins

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Die Schlacht scheint geschlagen — nach nahezu dreijährigem Streit dürfte die Entscheidung der ÖIAG in der vorletzten Woche die Weichen für die Neuordnung der verstaatlichten österreichischen Stahlindustrie endgültig gestellt haben. Die im ÖIAG-Gesetz bindend vorgeschriebene branchenweise Zusammenführung wird also jetzt auch auf dem Stahlsektor erfolgen.

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Die Schlacht scheint geschlagen — nach nahezu dreijährigem Streit dürfte die Entscheidung der ÖIAG in der vorletzten Woche die Weichen für die Neuordnung der verstaatlichten österreichischen Stahlindustrie endgültig gestellt haben. Die im ÖIAG-Gesetz bindend vorgeschriebene branchenweise Zusammenführung wird also jetzt auch auf dem Stahlsektor erfolgen.

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Nachdem die Emotionen in der Sitzfrage der neuen Gesellschaft mit der Bestimmung dreier Hauptverwaltungen und der Generaldirektion in Linz zumindest vorläufig abgeflacht zu sein scheinen, beginnt nun für die Fachleute der vier Betriebe die schwierige Detailarbeit: Handelsrechtliche Probleme müssen ebenso genau studiert werden wie Fragen der steuerlichen Auswirkungen und die Problematik der Kooperation der Verkaufsaibteilungen. Gerade in dieser Frage hat aber das unterschiedliche Produktionsprogramm der vier Betriebe entscheidende Bedeutung. Der größte Betrieb, die VÖESt, erzeugt in Linz in fünf Hochöfen, zwei SM-Öfen und zwei Elektro-Öfen sowie zwei LD-Stahlwerken ihre Produkte. Hauptpunkte der Produktion sind Roheisen, Rohstahl, verschiedene Bleche, Schmiedestücke, Blechpreßteile sowie Stahlformguß. Dazu kommt noch die umfangreiche Erzeugung von Werkzeugmaschinen, Förderanlagen, die Einrichtung von

Hüttenwerken und Walzwerken. Aber auch chemische Anlagen, Teile für Wasserkraftwerke und sogar Schiffswellen werden bei der VÖESt erzeugt. Neben der Fertigung von Stahlhochbauten hat sich der Apparatebau bei der oberösterreichischen Gesellschaft in den letzten Jahren immer weiter in den Vordergrund gedrängt.

Der Fusionspartner der VÖESt, die österreichische Alpine Montangesellschaft, verfügt ebenfalls über ein sehr weitgespanntes Produktionsprogramm: Im Hauptwerk der Gesellschaft in Donawitz wird Stahlroheisen, Rohstahl und Walzware erzeugt. In dem Zweigwerk Zeltweg produziert die Alpine Anlagen zur Erzeugung von Eisenbahnoberbaubedarf, Bergbaueinrichtungen aller Art, Förderanlagen und Großreparaturwerkstätten. Weitere Werke der Alpine gibt es in Krieglach, in Kindberg und in Traisen. Dazu kommt noch der Bergbaubetrieb am steiri-schen Erzberg. Wichtigste Tochtergesellschaft ist die Graz-Köflacher-Eisenbahn- und Bergbau-Gesellschaft. Die Tochter fördert in ihren Betrieben rund 70 Prozent der österreichischen Braunkohlenförderung.

Und die Probleme des Erzbergs?

Der Schoeller-Bleckmann-Konzern beschäftigt rund 7500 Arbeiter und Angestellte. Neben verschiedenen besonders widerstandsfähigen Stählen erzeugt Schocher auch Werkzeuge und Geräte, Apparate für die chemische Industrie sowie Werkzeuge und Geräte für den Erdölbohrbetrieb. Die Gebrüder Böhler & Co. AG als Vierter im Bunde besitzt ein Edelstahlwerk in Kapfenberg, ein Werk für gezogenen und blanken Edelstahl sowie Apparate und Preßluftwerkzeuge (ebenfalls in Kapfenberg) sowie eine dritte Werksgruppe (Ybbstalwerke), die verschiedene Sorten von Stählen und Stahlprodukten erzeugen. Ein Werk in Wien erzeugt Großbohrgeräte, Preßluftwerkzeuge sowie Apparate und Anlagen.

Diese vier Produktionsprogramme sollen jetzt in einem einzigen Konzern zusammengefaßt werden: zweifelsohne eine mutige Entscheidung, deren Bestätigung im Aufsichtsrat der ÖIAG zu Beginn des Monats Juli sicher nur noch eine Formsache sein wird, da die Regierungspartei in diesem Gremium durch die weisungsgebundenen Vertreter der Mnisterien die Mehrheit hat. Ob die Zusammenfassung der Aktivitäten der vier Stahlbetriebe aber allein helfen wird? Sicher, der neue Konzern wird an die siebente Stelle der europäischen Stahlproduzenten, direkt hinter Rheinstahl, vorrücken. Aber löst die Fusion etwa die Probleme wie jene des Eisenerzabbaus am Erzberg? Eine große Chance der Stahlfirmen bei Aufträgen aus dem Ausland war bisher die prompte Lieferung. Besteht nicht die Gefahr, daß die Vergrößerung des Verwaltungsapparates diesen Vorteil zumindest zum Teil zunichte macht?

Eine' Fülle von Fragen bleibt offen, nicht nur die, ob die gefundene Lösung die optimale war — aber erst die zweite Hälfte der siebziger Jahre wird sie wohl beantworten können.

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