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Betriebe in die Dörfer!

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Der Autor vertritt das Konzept, neue Arbeitsplätze nicht nur in und um Linz, sondern auch dort zu schaffen, wo sich bestehende Betriebskonzeptionen schon bewährt haben.

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Der Autor vertritt das Konzept, neue Arbeitsplätze nicht nur in und um Linz, sondern auch dort zu schaffen, wo sich bestehende Betriebskonzeptionen schon bewährt haben.

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Noch sind keineswegs alle Chancen vergeben. Wenige Wochen nach dem „schwarzen Freitag“ vom 11. Juli 1986 mit 8,5f achen Grenzwertüberschreitungen der Linzer Luft wurde durch die Präsentation des VÖE ST-Alpine-Neukonzeptes die volks- und betriebswirtschaftliche Seite des Problems für alle sichtbar. Die Bewältigung der Zukunft setzt eine Bewältigung der Vergangenheit voraus — und eine realistische Diagnose der Gegenwart.

Die 1972 vollzogene Fusion der gesunden VÖEST Linz mit den maroden Betrieben der Alpine in der Steiermark zum größten Industriekonzern Österreichs kann sicher als unternehmenspolitische Fehlentscheidung angesehen werden. Nicht nur, weil die außer-und innerbetrieblichen Voraussetzungen in beiden Unternehmensbereichen unterschiedlich waren und sind, sondern weil man in kleineren Einheiten mit einer dezentralisierten Strategie flexibler auf Markterfordernisse reagieren kann.

Die Standortvoraussetzungen sind in der Obersteiermark schwieriger als in Oberösterreich, das am Schnittpunkt der Verkehrslinien und im Einzugsbe-. reich des süddeutschen Wirtschaftsraumes liegt. Trotzdem muß nun auch für Oberösterreich der Weg der Kündigungen größeren Ausmaßes beschritten werden. Zur sozialen Dimension erhöhter Arbeitslosenzahlen im Zentralraum und in den Auspendlerbezirken des Mühlviertels und anderer an die Landeshauptstadt angrenzender Regionen gesellt sich das Problem, wie in absehbarer Zeit Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden können. Offen ist dabei vor allem die Frage der räumlichen Situierung, sieht man von der Finanzierung ab.

Die über 2.000 Industriebetriebe in Oberösterreich beschäftigen 137.000 Mitarbeiter, wobei die Zahl der Industriebeschäftigten in den letzten Jahren (nicht nur, aber auch) infolge der Verstaatlichten-Krise sinkt. Linz stellt derzeit noch mit 337 Betrieben den größten Anteil am Industriesektor. Die oberösterreichische Industrielandschaft weist aber erfreulicherweise eine starke Streuung der Standorte auf, damit scheinen aus regionaler Sicht Möglichkeiten zum „Auffangen“ der Probleme und zur Sicherung von Arbeitsplätzen gegeben. In 40 der 445 Gemeinden befinden sich mehr als die Hälfte aller Industriebetriebe mit 113.000 Arbeitnehmern.

Daraus läßt sich bereits eine realistische Strategie zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ableiten. Will man dezentrale Wirtschaftsstrukturen und damit das Arbeitsplatzangebot in den verschiedensten Regionen stärken, gilt es in erster Linie bei bestehenden (positiven) Betriebskonzeptionen anzusetzen. Eines der obersten Planungsziele im Ober-österreichischen Landesraumordnungsprogramm bezieht sich auf einen notwendigen Ausgleich von Arbeitsmöglichkeiten zwischen dem städtischen und dem ländlichen Raum, wobei auch periphere Regionen einbezogen werden sollen.

Untersuchungen über Betriebsgründungen und Erweiterungen im letzten Jahrzehnt zeigten, daß ein Großteil der neuen Arbeitsplätze gerade in ländlichen Bezirken geschaffen wurde, und zwar vor allem in Klein- und Mittelbetrieben. Da von den Kündigungen sicher auch oder sogar in erster Linie Pendler betroffen sein werden, gilt es nun, Arbeitsplätze so nahe wie möglich am Wohnort anzubieten und in Klein-, Mittel-und Regionalzentren für ein Arbeitsplatzpotential zu sorgen.

Die Landeshauptstadt Linz ist mehrfach betroffen. Zur steigenden Arbeitslosenzahl kommen finanzielle Belastungen durch Umweltschutz und Verkehrsmaßnahmen sowie wahrscheinlich ein noch nicht zu beziffernder Steuerausfall für die Stadtkasse. Haben die Stadtväter in den vergangenen Jahrzehnten durch Aufschließung großer Flächen entlang der Donau im Hafenbereich die Errichtung von Industriebauten ermöglicht, scheinen diese Bodenressourcen nun erschöpft. Linz verfügt kaum mehr über Betriebsansiedlungsgebiete in größerem Ausmaß, die sofort zur Verfügung gestellt werden könnten. Es wird daher einige Zeit dauern, bis größere Betriebsflächen für ansiedlungsbereite und -willige Unternehmer aufgeschlossen zur Verfügung stehen.

Daher ist zu befürchten, daß viele Betriebe nicht innerhalb der Stadtgrenzen ihren Standort wählen, sondern in anderen Gemeinden des Zentralraumes. Linz soll und darf aber kein Industriefriedhof mit unbewältigten Umweltproblemen werden. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, etwa im Betriebsgelände der VÖEST selbst, Flächenrecycling vorzunehmen oder sonst auf unkonventionelle Weise interessante Betriebsansiedlungen zu fördern. Ein Beispiel für diese Art von Politik kann in dem von der Oberösterreichischen Handelskammer initiierten Linzer Innovations- und Gründerzentrum gesehen werden. Diese Institution nimmt junge, risikofreudige Unternehmer unter ihre Fittiche, die hauptsächlich elektronisches und kommunikationstechnisches Wissen umsetzen wollen.

Linz als Standort einer Universität mit naturwissenschaftlicher Fakultät in Verbindung mit Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bietet auch Chancen für vermehrte Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis. In vielen Bereichen, gerade in der Elektronik, der Informatik, der Umwelttechnologie, sind anerkannte Fachleute vorhanden.

Man sage nicht, dem gekündigten Stahlarbeiter oder dem/der kaufmännischen Angestellten sei auf diese Weise in absehbarer Zeit nicht zu helfen. Innovationsorien-tierte Wirtschaftspolitik legt den Grundstein für Arbeitsplätze jeder Qualifikationsstufe in der Zukunft. Die Chance, daß der Himmel über Linz wieder blau wird und zugleich genug Arbeit vorhanden ist, ist groß, wenn beide Zielsetzungen gleichrangig im Auge behalten werden.

Der Autor ist OVP-Gemeinderat der Stadt Linz seit 1973 sowie Oberwirtschaftsrat und Universitätslektor.

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