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Verstaatlichte vor großen Problemen

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Österreichs verstaatlichte Industrie, mit branchenmäßigen Schwerpunkten in den Bereichen Stahl, Buntmetalle, Elektroindustrie und Chemie, steht vor großen Problemen: Gerade in ihren besonders beschäftigungsintensiven Bereichen wie Stahl, Edelstahl und Buntmetalle hat die konjunkturelle wie strukturelle Entwicklung zu außerordentlichen Schwierigkeiten geführt, die in absehbarer Zeit nicht zu bewältigen sind. Selbst die Lage in der Chemiebranche wird schwieriger.

Die Ursache für die Verschlechterung sind teils konjunktureller, teils struktureller Art. Weltweite Uberkapazitäten im Stahlbereich führten zusammen mit einem Nachfragerückgang zu einer ruinösen Verschärfung der Preissituation.

In Österreich kommt die verstaatlichte Industrie durch das Verhalten ihres Eigentümers in zusätzliche Schwierigkeiten. Der Auftrag, die Arbeitsplätze möglichst vollzählig zu erhalten, führte und führt zu hohen Verlusten. 1975 beliefen sich allein die Verluste der VÖESt-Alpine auf rund 670 Millionen Schilling, 1976 bilanzierte die VÖESt-Alpine ausgeglichen, aber 1977 droht schon wieder ein Verlust von mindestens 500 wahrscheinlich aber sogar 1000 Millionen Schilling. Konnte man in den Vorjahren wenigstens noch das Sozialkapital um mehrere hundert Millionen Schilling aufstocken, so ist 1977 dafür kein Schilling vorhanden. Das geplante zweite Abgabenänderungsgesetz, mit der Einschränkung der Sozialkapitalbildung, wird so zum Feigenblatt für die Impotenz vieler verstaatlichter Unternehmungen, die bei nicht mehr vorhandenen Gewinnen auch kein Sozialkapital bilden können. Ja die Auflösung von, zumindest nach Ansicht Von Finanzminister Androsch, zu großzügig dotierten Rückstellungen für versprochene Pensionszahlungen kann vielleicht noch einmal die Bilanzen mancher Unternehmung optisch verbessern.

Doch diese Bilanzkosmetik verjüngt und erneuert nicht die betroffenen Unternehmungen, sie läßt die Öffentlichkeit bloß den fortschreitenden Mumifizierungsprozeß der Struktur der verstaatlichten Industrie nicht so rasch erkennen.

Daher ist die Forderung der verantwortlichen Manager der verstaatlichten Industrie an den Eigentümer Staat, er möge ihr die hohen Kosten der Arbeitsplatzsicherung abgelten, mehr als berechtigt, doch angesichts der Budgetsituation illusionistisch. Nicht das enorme Budgetdefizit hat die Arbeitsplätze gesichert, sondern die Bereitschaft der verstaatlichten Industrie wie auch der übrigen privaten Wirtschaft, ihr Kapital, also die Ersparnisse und Gewinne aus besseren Tagen, aufzuzehren. Österreichs verstaatlichte Industrie bedarf dringend einer neuen Strategie. Den Unternehmen müssen die Kosten der Arbeitsplatzsicherung abgegolten werden, gleichzeitig muß ihnen mehr unternehmerische Autonomie eingeräumt werden. Die Änderung in der Organisation der verstaatlichten Industrie, wie Divisionalisierung und erhöhte Beweglichkeit der einzelnen Bereiche, sind beschleunigt durchzuführen.

Da Kapital, das nicht vorhanden ist, selbst durch Änderung der Bewertungsvorschriften, wie etwa im zweiten Abgabenänderungsgesetz vorgesehen, nicht herbeigezaubert werden kann, sollte man wieder einmal auch unkonventionelle Formen der Kapitalbeschaffung für die verstaatlichte Industrie, wie etwa eine Aktienausgabe, wenigstens überlegen und diskutieren.

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