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Probleme der Staatsindustrie

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Die verstaatlichte Industrie Österreichs, deren Verwaltung seit der Regierungsbildung vom 18. April 1966 in die Kompetenz des Bundesministeriums für Verkehr und verstaatlichte Unternehmungen fällt, steht großen Problemen gegenüber, die im Interesse der österreichischen Volkswirtschaft, im Interesse der Steuerzahler und vor allem auch im Interesse der Arbeitnehmer so rasch wie möglich bewältigt werden müssen. Schon kurz nach der Regierungsbildung wurde mit Verhandlungen über eine Reorganisation der verstaatlichten Industrie begonnen. Dabei konnte auf ein Konzept zurückgegriffen werden, das die Volkspartei bereits zu Beginn dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgelegt hatte.

Die verstaatlichte Industrie ist mit einem Beschäftigtenstand von rund 123.000 Arbeitnehmern und einem Umsatz von rund 28,5 Milliarden Schilling (im Jahre 1965) für die österreichische Volkswirtschaft ein sehr bedeutender Wirtschaftskörper. Im vergangenen Jahr bestritt die verstaatlichte Industrie 23,8 Prozent der gesamten österreichischen Industrieexporte; 33 Prozent der Gesamtexporte der verstaatlichten Industrie gingen in den EWG- Raum, 14,5 Prozent in EFTA-Länder und 30,3 Prozent nach COMECON-Staaten.

Es darf dabei nicht übersehen werden, daß es für die verstaatlichte Industrie immer schwieriger wird, ihre Position auf den internationalen Märkten zu behaupten. Aber auch auf dem Inlandmarkt haben einige Betriebe, wie zum Beispiel die Kohlenbergbaue, schwer zu kämpfen. Wenn die verstaatlichte Industrie ihrer Aufgabe für die österreichische Volkswirtschaft gerecht werden soll, so müssen möglichst rasch die strukturellen Fehler und Schwächen beseitigt, muß das Leistungsniveau einzelner „kranker“ Betriebe rasch gehoben werden. Die Betriebe der verstaatlichten Industrie werden sich dabei vielfach an den Methoden und Erfolgen der ausländischen Unternehmungen orientieren müssen; der Trend zu größeren Unternehmenseinheiten und zu immer engerer Zusammenarbeit ist unverkennbar.

Eine engere Kooperation zwischen Betrieben gleicher Branche wird in der verstaatlichten Industrie Österreichs gewiß nicht von oben zu diktieren sein; es ist dies auch keine Materie, die sich durch Gesetz oder Weisungen Vorgesetzter Verwaltungsorgane befriedigend regeln läßt. Vielmehr soll versucht werden, den zwischenbetrieblichen Informationsfluß in dem Sinn zu fördern, daß Betriebe der gleichen Branche, die ja noch dazu demselben Eigentümer, nämlich der Republik Österreich, gehören, ihr Produktionsprogramm und ihre Betriebspolitik aufeinander abstimmen.

Vor allem auf dem Chemiesektor und in der Stahlindustrie muß eine solche Zusammenarbeit angestrebt werden. Sehr erfolgversprechende Anfänge wurden in den vergangenen Monaten dank der Mitarbeit einzelner Fachleute bereits gemacht. Dabei gilt es freilich auch zu beachten, daß die Zusammenarbeit vor allem das Ziel verfolgen soll, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe in jeder Beziehung absolut zu heben; es geht also nicht an, daß weiter so wie in der Vergangenheit „kranke“, notleidende Betriebe den noch „gesunden“ aufgebürdet werden. Das Beispiel der Raxwerke, die bekanntlich den Simmering-Graz-Pauker-Werken angehängt wurden, kann nicht zur Nachahmung empfohlen sein.

Wichtige Entscheidungen sind bei den Kohlenbergbaubetrieben zu treffen. Im vergangenen Jahr ist der Absatz der in den verstaatlichten Kohlengruben geförderten Kohle neuerlich zurückgegangen. Auch die Förderung mußte dementsprechend eingeschränkt werden; sie lag im vergangenen Jahr um 6,8 Prozent niedriger als im Vorjahr. Noch immer sind in den verstaatlichten Kohlengruben 9054 Arbeitnehmer beschäftigt (gegenüber 1964 ist ihre Anzahl um 11,7 Prozent zurückgegangen). Im Interesse dieser Arbeitnehmer, die sich um ihren Arbeitsplatz sorgen, wie auch im Interesse der Volkswirtschaft müssen die Probleme des Kohlenbergbaues rasch gelöst werden. Daß dabei auf sozialpolitische Gesichtspunkte Rücksicht genommen werden muß, versteht sich von selbst. Die Kohlenabsatzkrise, die ja nicht auf Österreich allein beschränkt, sondern eine internationale Erscheinung ist, muß aber auch im Zusammenhang mit der gesamten Energieversorgung gesehen werden; eine wirklich befriedigende Lösung wird darum nur im Rahmen eines längerfristigen Energieplans gefunden werden können.

Schließlich sei auch noch auf die Notlage der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft verwiesen, mit der sich das Ressort und die

Öffentlichkeit in den nächsten Monaten zu befassen haben werden. Die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft braucht dringend neue, moderne Schiffe für den Frachtverkehr. Auch hier ist ein Investitionsbedarf nachzuholen, der beachtliche finanzielle Mittel erfordert.

Die bisher erwähnten Detailaufgaben in einzelnen Branchen geben freilich nur ein ungenügendes Bild von den gewaltigen Problemen, denen sich die verstaatlichte Industrie gegenübersieht. Im vergangenen Jahr war die Lage in der verstaatlichten Industrie erstmals seit geraumer Zeit durch eine Abschwächung der Expansionstendenz gekennzeichnet. Hätten nicht die Exporte stimulierend gewirkt, so wären die Auswirkungen des Konjunkturrückganges für einzelne Zweige der verstaatlichten Industrie noch gravierender gewesen.

Es wird gewaltiger finanzieller und organisatorischer Anstrengungen bedürfen, die Probleme der verstaatlichten Industrie zu meistern, die Wettbewerbssituation der Betriebe zu verbessern — dies im Interesse der Arbeitnehmer der verstaatlichten Industrie, der Steuerzahler und der gesamten österreichischen Volkswirtschaft.

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