6918581-1981_36_05.jpg
Digital In Arbeit

Die Blüte nach der Pleite

19451960198020002020

Wie sind Arbeitsplätze in Pleitebetrieben zumindest teilweise zu retten? Während Politiker und ihre Wirtschaftsberater nach theoretischen Antworten suchen, haben fünf unternehmerische Arbeitnehmer in Steyr darauf eine praktische Antwort gefunden. Ihnen gelang, was Manager der verstaatlichten Industrie nicht mehr geschafft haben: die Blüte nach der Pleite.

19451960198020002020

Wie sind Arbeitsplätze in Pleitebetrieben zumindest teilweise zu retten? Während Politiker und ihre Wirtschaftsberater nach theoretischen Antworten suchen, haben fünf unternehmerische Arbeitnehmer in Steyr darauf eine praktische Antwort gefunden. Ihnen gelang, was Manager der verstaatlichten Industrie nicht mehr geschafft haben: die Blüte nach der Pleite.

Werbung
Werbung
Werbung

Die nahe Zukunft wird erweisen, ob private Initiativen und Risikofreudigkeit erfolgbringender sind als das Liquidationsdenken der verstaatlichten Industrie." Mit dieser Herausforderung trat 1977 in der oberösterreichischen Stadt Steyr ein Betrieb seine Arbeit an, der zuvor von den staatlichen Managern bereits aufgegeben worden war - und mit ihm rund 350 Arbeitsplätze.

Um es vorwegzunehmen: Fünf unternehmerischen Arbeitnehmern gelang das, was die Manager der Verstaatlichten nicht geschafft haben: die Blüte nach der Pleite.

Die Rede ist von der Riha GesmbH, einem metallverarbeitenden Betrieb in Steyr.

Das Riha-Modell ist sicher kein Rezept, mit dem Arbeitsplätze in Pleitebetrieben nach Belieben gerettet werden können. Aber es könnte für den einen oder anderen Unternehmenszusammenbruch als Vorbild für einen neuen Anfang dienen.

Während Politiker und ihre Wirtschaftsberater in diesen Tagen nach theoretischen Antworten suchen, wie die Arbeitsplätze in Pleitebetrieben zumindest teilweise zu retten sind, wurde das bei Riha praktisch vorexerziert. Dies sollte für den einen oder anderen Abgeordneten Grund genug sein, sich noch vor der Sondersitzung des Nationalrates in Steyr umzusehen: Was dort gelungen ist, kann sich sehen und ansehen lassen.

Die 1970 durch eine Mehrheitsbeteiligung in den Besitz der verstaatlichten Vereinigten Metallwerke Ranshofen-Berndorf AG übergegangene Steyrer Metallbaufirma Brüder Riha wurde verkaufsmäßig entgegen der damaligen erfolgreichen Riha-Ge-schäftsleitung in eine neugegründete Firmenkonstruktion eingebracht. Das Ziel war, das 450-Mann-Unterneh-men „europareif" zu machen.

Die Konzeption war freilich falsch. Statt europareif wurde das Unternehmen reif für die Pleite. Die verstaatlichten Mehrheitsgesellschafter mußten schwere Verluste einstecken, rund 150 Millionen Schilling in den Jahren 1974 bis 1976.

Und im Herbst 1976 fiel bei der Verstaatlichten der Beschluß, sich aus dem Unternehmen mit damals noch 350 Arbeitnehmern zurückzuziehen. Die Firmenkonstruktion, die Erfolg hätte bringen sollen, wurde liquidiert.

Was dann geschah, grenzt an ein kleines österreichisches Wunder.

Fünf ehemalige Mitarbeiter, allesamt waren in Betriebsratsfunktionen tätig (drei sind dem ÖAAB zuzurechnen, zwei der sozialistischen Fraktion), gründeten gemeinsam mit dem früheren Riha-Geschäftsführer Otto Cichini die Riha-GesmbH, um zumindest teilweise die Arbeitsplätze des Betriebes zu retten. Alle sind heute noch Gesellschafter, die bis auf einen heute noch im Betrieb arbeiten: in ihrem Betrieb.

So problemlos, wie sich das heute liest, war die Betriebsgründung freilich nicht. Die Betriebsreste mußten erst über Umwege gekauft werden. „Uns direkt", berichtet Helmut Pfand!, nun Geschäftsführer des Betriebes, von dem damals die Initiative ausging, „wurde nicht verkauft. Wir sind damals belächelt worden."

Die sechs unternehmerischen Arbeitnehmer steckten ihre gesamten Ersparnisse, teilweise auch die ihrer Familien, und ihre Abfertigungen in den Betrieb. Sonst war Geld schwer aufzutreiben.

Pfandl: „Man hat uns ständig mit dem früheren Unternehmen, mit der verstaatlichten Industrie, in Verbindung gebracht. Und dann hörte man: Die Verstaatlichte hat's nicht geschafft, was wollt ihr eigentlich."

Und öffentliche Förderung?

Pfandl: „Wir haben versucht, über das Land Unterstützung zu bekommen, wobei uns Zusagen gemacht worden sind, daß wir einen rückzahlbaren Kredit erhalten - allerdings erst dann, wenn wir eine gewisse Zeit bewiesen haben, daß der Betrieb lebensfähig ist."

Die Stadt Steyr hatte für Riha in den Jahren 1978 und 1979 nur je 50.000 Schilling Gewerbeförderung übrig. „Wir habei|J nicht einmal erreicht, daß uns für die Gründungsjahre beispielsweise die Lohnsummensteuer erlassen worden wäre", vergleicht Cichini, nunmehr für den kaufmännischen Bereich und das Personal verantwortlich, das Entgegenkommen öffentlicher Stellen mit dem, was heute Betrieben angeboten wird: 100.000 Schilling je Arbeitsplatz.

Zu Jahresbeginn 1977 startete das Unternehmen mit 70 Mitarbeitern. Heute finden dort 104 Menschen, darunter zwölf Frauen, Arbeit.

Man hat sich in der Erzeugung gegenüber früher spezialisiert. Neben Zargen werden Türen und Tore speziell nach Maß und für besondere Anforderungen erzeugt und angeboten. Mit Erfolg: Erst zuletzt konnte Riha gegen schärfste Konkurrenz einen Großauftrag beim Neubau des Wiener Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen am Donaukanal heim nach Steyr bringen.

„Wir haben in allen Jahren seit der Gründung positiv abgeschlossen", kann Cichini stolz berichten. Und: „Wir haben bisher aus Gewinnen keinen Groschen dem Betrieb entzogen. Alles, was verdient wurde, ist wieder investiert worden."

Neben der Kreditrückzahlung wurden rund acht Millionen Schilling in Sachinvestitionen angelegt und etwa drei Millionen Schilling in die Entwicklung gesteckt.

Deshalb gibt es für die unternehmerischen Arbeitnehmer auch noch keine steuerlichen Nachteile, wie sie durch die Mitbeteiligung am Unternehmen entstehen könnten (FURCHE 29/1981).

Ob dieses Modell auch als Vorbild für andere Betriebe in Schwierigkeiten gelten könnte?

„Ich glaube", meint der ehemalige Betriebsratsobmann Pfandl, „daß man es noch sicherer gestalten könnte, wenn beispielsweise der gesamte Betrieb initiativ wird."

Allerdings: „Nach dem, was wir miterlebt haben, stößt man bei einem solchen Vorhaben großteils auf taube Ohren. Sobald der Betrieb läuft, ist überhaupt das Interesse der öffentlichen Hand verschwunden."

Interesse haben für das Riha-Mo-dell nur der ehemalige oberösterreichische Wirtschaftslandesrat Rudolf Trauner und der Landtagsabgeordnete Fritz Freyschlag gehabt.

Aber um einen Betrieb kümmert man sich offensichtlich erst dann, „wenn alles schon in den Händen eines Konkurs- oder Masseverwalters liegt" (Cichini).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung