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Am Scheideweg der Finanzierungsfrage

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Allein in diesem Bereich sind die Aufgaben umfangreich. Nach den bisher verlauteten Intentionen des Staatssekretärs soll im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie ein großer „Unternehmen sverband“ angestrebt werden, ebenso in der Elektroindustrie, in der eine Fusion (zwischen Elin und Wiener Schwachstrom- wenke) noch durch Umgestaltung des Erzeugungsprogramms und durch Arrangements mit ausländischen Partnern ergänzen werden sollen. Auch die ÖMV, die unter einem für Benzinprodukte zu kleinen Vertriebsapparat leidet, will ihren Produktionsumfang verbreitern, und die Stickstoffwerke sind bereits in einem Umwandlungsprozeß in ein vollwertiges Chemieunternehmen mit breit gestreutem Erzeugungsprogramm begriffen.

Die Lösung dieser Probleme wurde mit wenig Trompetengeschmetter, aber um so konsequenter in Angriff genommen.

Immer deutlicher kristallisiert sich aber als Kernproblem einer materiellen Sanierung die Lösung des Finanzierungsproblems heraus. Vorerst ohne auf technische Details einzugehen, die jahrelang den Zankapfel der Koalitionspartner gebildet hatten, wie etwa die Frage einer Aktienmission, hat Dr. Taus der

Öffentlichkeit seine Sicht des Po- blems in folgender Unterscheidung dreier Gruppen verstaatlichter Unternehmungen unterbreitet:

• Die erste Gruppe umfaßt kapitalmarktfähige Unternehmungen, die auf Gewinnerzielung abgestellt sind. Das ist jene Gruppe, die Gewinn nicht nur erzielen soll, sondern auch kann, und damit auch die materielle Basis einer Finanzierung nach den für gesunde Großunternehmen allgemein üblichen Maßstäben aufweist.

• Zur zweiten Gruppe zählt Doktor Taus Unternehmen, die ebenfalls auf Gewinnerzielung abgestellt sind, aber den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen können, weil ihre Lage zu trist ist, um den Anforderungen der Kapitalgeber zu entsprechen. Bei diesen Unternehmungen stellt sich, falls sie nicht aus eigener Kraft gesunden können, nach Doktor Taus für den Eigentümer die Grundsatzfrage, ob er bereit ist, diesen Unternehmen die erforderliche Finanzierungshilfe zu gewähren.

• In der dritten Gruppe sind jene Unternehmen zu erfassen, die nicht kapitalmarktfähig sind und wahrscheinlich auch nie Gewinne werden erzielen können, wie vor allem Bergwerke und die DDSG. Hier sei es

Sache des Eigentümers, zu entscheiden, ob er sie aus übergeordneten Erwägungen am Leben erhalten will oder nicht.

Neuordnung der Führung

Diese Gruppierung ist freilich kein bloßer Systerhatisierungsvor- schlag, sondern enthält vielmehr einen im Gegensatz zur bisherigen Praxis stehenden Finanzierungsvorschlag. Während nämlich bisher innerhalb der verstaatlichten Industrie ein interner finanzieller Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Unternehmen an der Tagesordnung war, soll dieses Clearing nunmehr ausschließlich auf gesunde Unternehmen beschränkt und der nicht gerade geringe Ballast der unrentablen Betriebe dem Eigentümer selbst, also dem Staat, angelastet werden, der nunmehr, der Möglichkeit finanzieller Schleiertänze beraubt, klare Entscheidungen zu treffen hätte. Zugleich soll eines der bisherigen Hauptinstrumente dieses internen Kapitalclearings, der Investitionsfonds, seiner gegenwärtigen Funktion des Löcherstopfens enthoben und seinem ursprünglichen Zweck der Finanzierung von Investitionen, beschränkt allerdings auf wirtschaftliche vertretbare Investitionen, wieder zugeführt werden. In diesen Investitionensfonds fließen derzeit 75 Prozent der von verstaatlichten Unternehmungen ausgeschütteten Dividenden, seine Mittel hängen selbst wieder von den jeweiligen Betriebserfolgen ab.

Im Brennpunkt: Der Investitionsfonds

Vor diesem Hintergrund eines neuen Finanzierungskonzeptes spielt sich nun der Kampf um die gesetzliche Neuordnung der Führung der verstaatlichten Industrie ab. Der nunmehrige Gesetzesentwurf sieht eine Dachgesellschaft in Form einer Gesellschaft m. b. H. vor, die mit der Ausübung der Anteilsrechte des Bundes betraut werden und so eine bessere Koordinierung der verstaatlichten Unternehmungen gewährleisten soll. Die Details dieses Entwurfes sind zum Großteil technischer Natur und stehen als solche nicht nur innerhalb der Regierungspartei, sondern auch zwischen Regierung und Opposition im wesentlichen außer Streit. Aber an zwei Punkten erhitzen sich die Gemüter: an der Frage einer Politikerklausel für die Aufsichtsräte dieser Gesellschaft und an der Frage des Investitionsfonds.

Es verlohnt sich kaum, über die

Politikerklausel viel Worte zu verlieren. Man mag darüber denken, wie man will. Immerhin könnte man eine Politikerklausel auch als offene Abqualiflzierung des Politikers als solchen und als feierliche Deklaration werten, wer Politiker sei, dem müsse es einfach an Sachwissen fehlen. Ob es in Österreich sinnvoll ist, Demokratie im Formalen zu überspitzen, sei dahingestellt.

Interessanter und auf beiden Seiten von einem klaren Bewußtsein der Interessenlagen bestimmt, ist der Streit darum, ob der Investitionsfonds weiterbestehen soll oder nicht. An diesem Streit zeigt sich, wie sehr sich die Fronten verändert haben, und das in zweifacher Hinsicht. Entscheidend ist aber nicht, daß nun die Meinungsverschiedenheiten zwischen ÖAAB und Wirtschaftsbund an Stelle jener zwischen ÖVP und SPÖ getreten sind, sondern daß der frühere Gegensatz zwischen Dogmatikern durch einen nicht weniger ernsten Gegensatz zwischen denjenigen abgelöst wurde, die die verstaatlichte Industrie, nachdem man sie nun einmal nicht gut im Erdboden versinken lassen kann, in ihrem Bestand erhalten und festigen wollen, und Vertretern der privaten Wirtschaft, die hier die Wiedererstarkung einer möglichen Konkurrenz verhindern zu müssen glauben.

Der Investitionsfonds bot genügend vordergründigen Anlaß, die Differenzen offen ausbrechen zu las sen. Von seiten der Wirtschaft wurde vorgebracht, der verstaatlichten Industrie dürften keine Konkurrenzvorteile gegenüber der Privatwirtschaft eingeräumt werden, wie er in der Weiterführung des Investitionsfonds und in der Bereitstellung von Budgetmitteln liege. Auch bedrohe eine Erweiterung des Erzeugnisprogramms im Bereiche der Finalgüterfertigung die ohnedies schwer um ihre Existenz ringende Privatindustrie.

Diese Thesen wurden in der üblichen repräsentativen Form in einem Leitartikel der „Industrie“ vorgebracht, parallel dazu erfolgte ein massiver Gegenstoß gegen die Gesetzesvorlage im Ministerrat, bei dem vor allem Vizekanzler Dr. Bock ins Feuer geschickt wurde. Der in allen Tageszeitungen wiedergegebene Krach im Ministerrat bildete eine etwas dissonante Ouvertüre für die am nächsten Tag stattfindende Eröffnung des ÖVP-Bundespartei- tags.

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