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Verschiebung der Fronten

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Auf dem Weg zum Sozialismus stellt die Vergesellschaftung der Produktionsmittel nach Marxens reiner Lehre die wichtigste Etappe dar. Es lag daher für die Sozialisten, in deren Machtbereich die verstaatlichte Industrie nach mancherlei Wfirren der Nachkriegszeit übergegangen war, die Versuchung nur zu nahe, sie in ein Demonstrationsobjekt beispielhafter Unternehmensführung zum allgemeinen Besten zu verwandeln. Derartige Heilserwartungen finden in der Wirklichkeit ohnedies kaum je ihre Entsprechung. Aber solange sich die verstaatlichte Industrie in der allgemeinen Weltkonjunktur sonnen konnte, gelangen immerhin mehrere wirtschaftliche und auch politische Teilerfolge, wie etwa die Übernahme einer Führungsposition in punkto betrieblicher Sozialleistungen. Die Hoffnung, daß sich das unter der österreichischen Arbeiterschaft herumsprechen werde, ging ja auch in Erfüllung. Vor allem aber gelang es, die Diskrepanz zwischen allgemein formulierten politischen Zielen und den konkreten betriebswirtschaftlichen Erfordernissen der Rentabilität und Liquidität zu überbrücken.

Die weltweite Umkehr der Markttendenz und die zunehmende Schwere des Konkurrenzkampfes vom Beginn der sechziger Jahre an ließ diese Gegensätze stärker ans Licht treten. Es ist heute die Frage sinnlos, was geschehen wäre, wenn etwa die gesellschaftspolitische Neutralität betriebswirtschaftlicher

Maximen früher anerkannt worden wäre und eine offizielle Rezeption etwa der Prinzipien der Gewinnerzielung und gesunder Finanzstrukturen stattgefunden hätte, oder die

— im übrigen auch heute noch gegebenen— Nuancierungen der Situation von Branche zu Branche zu einer unterschiedlicheren Behandlung der einzelnen Unternehmen und Unternehmensgruppen geführt hätte.

Zu reinigendien Gewittern ist es jedenfalls auch unter ungünstigeren Umständen nicht gekommen. Der Kampf zwischen Dogmatikern und Wirtschaftsmanagern führte zu einem ergebnislosen Unentschieden, das auf die Dauer eine geradezu ohnmächtige Erstarrung im Clinch und eine Lähmung der zur Entscheidung berufenen Organe mit sich brachte.

Zwei Wege zur Reform

Die Alleinregierung der ÖVP brachte die Absicht mit, der SPÖ zu zeigen, wie man es besser machen könne. Immerhin fällt auf, daß dabei gleichsam von vornherein und noch vor der Betrauung Dr. Taus’ mit dieser Sisyphusarbeit unter einer grundlegenden Reorganisation zunächst nur eine stärkere Konzentrierung und straffere Führung der verstaatlichten Industrie verstanden, Besserung also wieder einmal von der Änderung formaler Merkmale erwartet wurde, noch bevor man sich im klaren war, ob und inwieweit der gesamte Komplex verstaatlichter Unternehmungen überhaupt sinnvollerweise als Einheit gesehen und behandelt werden könnte.

Staatssekretär Dr. Taus sieht seine Aufgabe offensichtlich nicht bloß auf Bastelei an formalen Merkmalen beschränkt, sondern gedenkt, die verstaatlichte Industrie aus dem ideologischen Ghetto herauszuführen, in äas sie geraten ist. Dieser Ausweg wird auf zwei Wegen zu erreichen versucht, einerseits in der formalen Neugestaltung des Lenkungsmechanismus, anderseits aber in der Durchführung der erforderlich gewordenen Maßnahmen im unmittelbaren Bereich der einzelnen Unternehmungen selbst.

Diese letztere Zielsetzung umfaßt vor allem die Durchführung von Verflechtungsmaßnahmen, aber auch die Zusammenarbeit mit auslän- äischen Gruppen, die bisher meist an, vorsichtig ausgedrückt, metaöko- lomischen Überlegungen scheiterte, und nicht zuletzt auch Umgestaltungen der Produktionsprogramme.

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