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Eine Realität
„Die verstaatlichte Industrie ist eine Realität“, auf diesen Tatbestand hat der Finanzminister vor kurzem mit einem angesichts der herrschenden Stimmung bemerkenswerten Mut hingewiesen.
Die Unzukömmlichkeiten in einzelnen Unternehmungen der verstaatlichten Industrie und die nicht gerade glückliche Führung der Sektion IV haben vergessen lassen, daß die Errichtung eines Komplexes verstaatlichter Unternehmungen keineswegs eine tür-sozialistische Angelegenheit gewesen ist. Im Gegenteil. Es war die „bürgerliche“ Mehrheit, welche sich 1946 zusammen mit den Sozialisten entschloß, in das damals vorhandene Chaos Ordnung zu bringen und Eigentumsrecht an jenem Teil der österreichischen Betriebe anzumelden, der damals in niemandes Eigentum war. Dieser Entschluß entsprang — was die Volkspartei anlangt — beileibe nicht einer Sympathie für die „Gemeinwirtschaft“, sondern nüchternen Erwägungen, der Erkenntnis, daß es nur die Alternative gab: Die Betriebe in das Eigentum der Republik überzuführen oder sie Ausländern zu überlassen.
Die gleiche Alternative besteht auch heute. Es gibt keine österreichischen „Kapitalisten“, die so . viel an Mitteln verfügbar haben, um auch nur einen der Großbetriebe des verstaatlichten Sektors der Industrie käuflich zu erwerben. Blieben also nur Ausländer. Das hieße nicht allein einen Teil der wirtschaftlichen Dispositionsmacht des Landes an Fremde übertragen, sondern auch dem Ausland wieder, wie ehedem, bestimmenden Einfluß auf die österreichische Innenpolitik einräumen. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Die Annahme, daß sich bei teilweisem Verkauf verstaatlichter Unternehmungen an das „Volk“ in der Führung etwas ändern würde, ist unrealistisch. Die Hauptversammlung beim Volkswagenwerk hat bewiesen, daß sich an der Führungsmacht eines Betriebes — im Interesse des Betriebes — auch dann nichts ändern kann und wird, wenn tausende Eigentümer vorhanden sind, was aber keineswegs etwas gegen die Eigentumsstreuung sagt.
Jedenfalls muß man bei Kritik der verstaatlichten Industrie wohl die bedauerlichen Übelstände, vor allem das Versagen der obersten Führung, und die Realitäten auseinanderhalten, die Tatsache, daß es keine Reprivatisierung gibt und im nationalen Interesse geben kann. Reprivatisierung könnte praktisch nur Übereignung an Ausländer bedeuten.
Der Einbau unserer Wirtschaft in größere Märkte ist unvermeidbar geworden. Ist es da nicht besser, unser Land hat den ihre Waren und Dienste anbietenden ausländischen Konzernen und Kartellen gegenüber auch einen wirtschaftlichen Eigenstand und Betriebe, die in ihrer Größenordnung und dementsprechend in ihrer Kostengestaltung mit dem Ausland in Konkurrenz treten können?
Das Entweder-Oder von Privateigentum und Gemeineigentum entspricht einer wirtschaftlichen Situation, in der noch die handwerkliche Fertigung für die Gestalt der Volkswirtschaft bestimmend war. In der Gegenwart geht es um wesentlich andere Alternativen, um das Mehr oder Weniger an Sozialprodukt und um das Maß an persönlicher Freiheit, die nicht immer, wie die Geschichte lehrt, allein durch das Privateigentum an Produktionsmitteln garantiert werden konnte.
Nicht die Tatsache, daß nun einmal ein bedeutender Sektor der Wirtschaft Österreichs im Eigentum des Staates ist, sollte Anlaß zur Kritik sein, sondern die Tatsache, daß öffentliches Eigentum als Folge einer unzureichenden und oft inferioren zentralen Führung schlecht verwaltet wird. B.
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