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Gemeinschaft des Werks

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Diese neuen Sozialisten werden Realisten genug sein, um die Schwäche, den Egoismus, die Brüchigkeit in den menschlichen Gemeinschaftsformen recht einzuschätzen. Aber sis werden auch Phantasie und Glauben genug haben, um zu wissen, was dem Menschen immerhin möglich ist. Am Gehaltsstreifen unter anderen Zuschlägen und Abzügen eine Ziffer als Mitbeteiligung angeführt zu finden, macht freilich noch keine Revolution. Aber von innen und außen her, geistig und mate-

riell, als Opfer, das wir bringen, und als Schutz, den wir empfangen, als Werk, das wir erzeugen, und als Markt, um den wir kämpfen, bildet sich eine neue Stätte heraus, in der wir wieder menschlich fest sein können: das ist der Betrieb. Und wie der keimende Grassame die Wanderdünen zum Stehen bringt, so bindet er die fluktuierenden Massen, die heute oft nur mechanische Organisationen füllen.

Dieser Betrieb hat eine gesellschaftliche, und

das heißt damit auch, eine öffentliche Funktion erster Ordnung. Ihn zu führen, reicht keine „private“ Initiative mehr aus. Um so dringender wird aber jene persönliche Initiative des einzelnen, der auf sehen der Gemeinschaft keine 50 Prozent, sondern die volle Bestimmung entsprechen muß. Diesen Betrieb zu führen, reicht keine patriarchalische Fassade mehr, hinter der in Wirklichkeit Menschenverachtung steckt, weil in einer Zeit, in der die höhere Legitimität des Staates demokratisch gewonnen wird, auch die des Betriebes so zu begründen ist. Dazu reicht aber auch keine Formation des Klassenkampfes, die ständig Rechte und Vorteile verlangt, ohne Pflichten und Opfer zu übernehmen. Hinter beiden erhebt sich die Gemeinschaft des „Werkes“, des Betriebes, die nach Charakter und Größe verschieden strukturiert sein wird, aber das eine gemeinsam hat, daß sie sich weder mit der Aufforderung zur nur ideellen Teilnahme, noch mit der bloß materiellen Beteiligung am Gewinn zufriedengeben kann. Das Ausmaß des Umden-kens vom privaten Kapital wie vom marxistischen Klassenkampf her sei nicht bestritten. Aber die Verbindung der persönlichen Initiative und Exekutive mit derLegitimationund Kontrolle durch die Gemeinschaft des Betriebes wird nun einmal alles entscheiden. Er wird in sich selber ausgliedern müssen, was wir im Staat als Parlament und Regierung voneinander unterscheiden.

Nun erhebt sich natürlich die Frage: Wo bleibt hier zwischen diesem Betriebsparlament und dieser Betriebsregierung die Rolle des Privatkapitals? Die Antwort ist ziemlich einfach. Wenn man darunter das in keiner Arbeit begründete Privateigentum an Betriebsmitteln versteht, so wird es verschwinden. Das ist das Ende des Kapitalismus. Aber dies wird ohne eigentliche und gewaltsame Enteignung oder erzwungenen Verkauf an den Staat vor sich gehen. Alles sfrebt auf eine angemessene Beteiligung des Arbeiters am Betrieb hin, die ihm in langen Fristen nicht nur den Reingewinn, sondern den Gemeinschaftsbesitz in Anteilen einträgt. So wie sich der lebendige Körper in sieben Jahren durch Aufbau und Abtragung gänzlich erneuert, so wird das dann auch ein Betrieb im Verlauf einer Generation tun, indem er die funktionierenden Organe erhält und die nicht-funktionierenden kontinuierlich — allmählich ausscheidet.

Der private Besitz an Produktionsmitteln wird durch diese Anteile in eben diesen langen Fristen aufgezehrt, wenn er von seinen Inhabern nicht durch heue Arbeits- und Führungsleistungen, die durch die neue Demokratie des Betriebes auch legitimiert werden, erneuert und bestätigt wird. Es kann also Miteigentum an Produktionsmitteln nicht auf die Dauer ohne Mitarbeit an demselben Betrieb und im Verhältnis dieser Arbeit erhalten bleiben. Man darf das Weittragende dieser Thesen nicht übersehen. Eigentum an Produktionsmitteln wird damit nicht mehr im eigentlichen Sinne käuflich und verkäuflich, sondern nur durch eigene Arbeit erwerbbar, beziehungsweise erhaltbar.

Was für den bisherigen Eigentümer an Produktionsmitteln gilt, trifft auch für den einzelnen Arbeiter und gar Betriebsführer zu. Was er durch außerordentliche oder lebenslange Leistung als persönlichen Anteil aufgehäuft hat, kann er nicht nur selber verbrauchen, sondern es auch seinen Erben hinterlassen, die es im weiteren dann aufzehren und damit aus dem Betrieb wieder ausscheiden, oder es aber durch eigene Leistung erhalten, vermehren und anhäufen, um so, wo es neue große Familien gibt, neue legitime Dynastien zu gründen, die nicht nur ein Bankkonto, sondern große Anlagen weitervererben.

Hier ist die Demokratie in den Zellen so weit getrieben, daß sie wieder echte Legitimation und Aristokratie auszugliedern beginnt. Damit ist die Revolution auch aus ihrem abtragenden und einebnenden Stadium in ihr anhäufendes und aufbauendes eingetreten. Mit ihr wird die konservative Sorge des Erhaltens in eine wagemutige Zuversicht des Entwickeins verwandelt. Mit ihr wird sich zugleich zeigen, daß die Gefahren mit unseren Aengsten sinken, ein Zirkel, der dann erst durchbrochen wird.

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