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Sehr spat

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Spät ist es geworden — nicht nur die Vertreter der politischen Parteien müssen sich das denken, wenn im Laufe dieser Woche eine neue Regierungsvorlage betreffend das Fusionsgesetz, also die Fusion zwischen den Vereinigten Eisen- und Stahlwerken (VÖESt.) und der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft, in das Parlament gelangt. Seit 1. Jänner melden sich die Telephonistinnen in Linz bereits mit dem neuen Firmennamen, aber rein rechtlich ist noch kein Schritt zur Fusion gemacht worden.

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Spät ist es geworden — nicht nur die Vertreter der politischen Parteien müssen sich das denken, wenn im Laufe dieser Woche eine neue Regierungsvorlage betreffend das Fusionsgesetz, also die Fusion zwischen den Vereinigten Eisen- und Stahlwerken (VÖESt.) und der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft, in das Parlament gelangt. Seit 1. Jänner melden sich die Telephonistinnen in Linz bereits mit dem neuen Firmennamen, aber rein rechtlich ist noch kein Schritt zur Fusion gemacht worden.

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Die Gespräche, die zwischen Bundeskanzler Dr. Kreisky und dem wiedergenesenen Parteichef der ÖVP, Dr. Schleinzer, stattgefunden haben, hatten eigentlich nur noch informativen Charakter. Die tatsächlichen Beschlüsse sind von dei Regierungspartei ja schon gefälll worden. Deshalb scheint gegenwärtig die Zustimmung der FPÖ zu derr neuen Gesetz wesentlich wahrscheinlicher als die der ÖVP.

Warum ist es nun so spät geworden? Sicherlich ist die Erkrankung des Kanzlers im Spätherbst mit ein Grund für die Verschiebung der entscheidenden Behandlung der Regierungsvorlage im Parlament. Entscheidend scheint aber der massive Widerstand der Gewerkschaft gegen die von Kreisky angekündigte Mitbestimmungsregelung in der ursprünglichen Form gewesen zu sein. Danach sollte der neue Konzern einen Aufsichtsrat von 30 Personen haben, von denen ein Drittel der Betriebsrat entsenden sollte. Bei Beschlüssen über Investitionen, die größer als ein Drittel des Grundkapitals sind, bei der Bestellung des Vorstandes, der Wahl der Aufsichtsratspräsidenten sowie der Ernennung von Prokuristen und Direktoren sowie deren Abberufung sollten die Arbeitnehmervertreter nach dem ersten Regierungsentwurf zwar mitstimmen, ihre Stimmen sollten aber nicht mitgezählt werden. Die Regierungsvorlage wurde auf Wunsch der SPÖ im alten Jahr nicht mehr behandelt, so daß es nun einer Beschlußfassung im neuen Jahr vorbehalten bleibt, Österreichs größten Industriekonzern zu schaffen.

Nach dem nun geänderten Entwurf soll es keine Aufsichtsräte mit zweierlei Recht geben; nach wie vor soll ein Drittel der Aufsichtsräte von den Arbeitnehmern entsandt werden. Entgegen dem Aktiengesetz wird aber der Aufsichtsrat nicht von der Hauptversammlung der neuen Gesellschaft gewählt werden, die mit dem Vorstand der ÖIAG, der Dachgesellschaft für die verstaatlichten Betriebe in Österreich identisch ist, sondern auf Grund des Gesetzes von der Hauptversammlung der ÖIAG. Diese Hauptversammlung ist aber wiederum die Bundesregierung. In der Praxis bedeutet das, daß die Bundesregierung allein über die Besetzung von 20 Aufsichtsratsposten in dem neuen Konzern entscheiden wird. Die Bestellung des Vorstandes des neuen Stahlkonzerns dürfte, entgegen anderslautender Vermutungen, in Zukunft doch durch das nach dem Aktiengesetz kompetente Gremium, nämlich den Aufsichtsrat des Unternehmens, erfolgen.

Die Entsendung von zwei Drittel der Aufsichtsräte allein nach den Intentionen der Bundesregierung bedeutet auch das Ende der Proporzregelungen, wie dies bisher gang und gebe und auch im ÖIG-Gesetz vorgesehen waren. Kreisky will aber nicht, wie er es theoretisch könnte, lauter Sozialisten in den Aufsichtsrat entsenden. Ein Schlüssel von 10 SPÖ, 9 ÖVP und 1 FPÖ scheint seinen augenblicklichen Vorstellungen eher zu entsprechen.

Ob diese Bestellung von Aufsichtsräten auch der anderen Fraktion überlassen wird, scheint nach den Erfahrungen der letzten Monate fraglich. Hatte doch Kreisky auch den ÖVP-Mann Semetz an die Spitze des Alpine-Vorstandes berufen lassen, obwohl die VP lieber jemanden anderen in der traditionell ihrer Partei zustehenden Position gesehen hätte. So gesehen ist es also gar nicht sicher, ob nicht die SPÖ elf Aufsichtsräte aus anderen Parteien berufen wird — die aber gar nicht Sprecher dieser Parteien sind und sein wollen.

ÖIAG-Präsident Dr. Taus wird nun voraussichtlich endgültig seinen Hut nehmen und gehen, weil die Gewähr zur besseren Zusammenarbeit im Bereich der ÖIAG, die er als Voraussetzung für sein weiteres Verbleiben in dieser Position gemacht hatte, auf Grund der vorliegenden Informationen nicht gegeben scheint.

Bei der steirischen Alpine ist das anfängliche Mißtrauen der Arbeitnehmer der Fusion gegenüber nicht mehr zu bemerken, denn sie haben in dem neuen Zentralbetriebsrat auf Grund der vielen Alpine-Betriebe größeren Einfluß als ursprünglich erwartet. Vor allem die Entsendung von zehn Arbeitnehmerbetriebsräten in den Aufsichtsrat scheint eine gewisse Sicherheit dafür zu sein, daß es zu keinen Beschlüssen gegen die Interessen der Alpine-Arbeitnehmerschaft kommt.

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