6746108-1967_09_04.jpg
Digital In Arbeit

Eine schwere Erbschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Vor einigen Tagen wurde ein mächtiger Schritt getan, um aus den „Nachsiahtsräten“ der niederösterreichischen Landesgesellschaften Newag und Niogas wieder Aufsichtsräte zu machen. Die ÖVP hat einen Großteil ihrer veralteten Mannschaft ausgetauscht. Der ÖAAB stellt neben dem Generaldirektor der Newag und Niogas zwei Vizepräsidenten: Abgeordneten Ludwig in der Newag und 3. Landtagspräsidenten Reiter in der Niogas.

Die Sozialisten haben in den Aufsichtsräten kein Revirement durchgeführt. Sie hatten es einfacher, da in letzter Zeit einige durch Tod ausgeschieden waren, man also zwangsläufig eine gewisse Blutauffrischung durchführen mußte. Der übrige Teil der linken Aufsichtsräte wurde von der Sozialistischen Korrespondenz zu Fachleuten ernannt. Mit Bundesrat Appel stellt die SPÖ auch einen neuen Vizepräsidenten in der Newag, der bekanntlich sofort nach Amtsantritt einen Dienstwagen mit Chauffeur, ein eigenes Büro und eine Sekretärin angefordert haben soll. Bleibt abzuwarten, ob auch die neuen „schwarzen“ Vizepräsidenten im Zeichen der Sparsamkeit die gleichen Bonitäten haben wollen. (Wie wir bei Redaktionsschluß erfahren, hat der ÖVP-Vizepräsident der Newag, Abg. Ludwig, bereits auf das „saftige Äquivalent“ für ein paar Stunden Dienst verzichtet.) Der neue Präsident der Newag, Landeshauptmannstellvertreter Hirsch, wird hoffentlich dafür sorgen, daß auch die Aufsichtsräte spartanisch wirtschaften, nicht Wasser predigen und Wein trinken. Im übrigen warten auf die neuen Aufsichtsräte verantwortungsvolle Aufgaben.

Man wird denn doch einmal fragen müssen, in welcher Schreibtischlade sich die 38 Beschlüsse des Landtages befinden, die betreffend Newag und Niogas im Dezember 1966 gefaßt wurden. Die Sozialisten zeigen angeblich auch keine besondere Eile, diese Beschlüsse zu realisieren. Sie haben anscheinend nichts dagegen, wenn sich die Aufarbeitung der Hinterlassenschaft Müllners bis in das Jahr 1969 hinzieht — also bis zu den nächsten Landtagswahlen. (Die Müllner-Prozesse werden ohnehin nicht viel früher zu erledigen sein, der Ex-Generaldirektor soll nämlich gewillt sein, alle Instanzen auszuschöpfen.)

Die SPÖ wird 1969 vermutlich alles tun, um den Newag-Dra-chen wieder zum Spucken zu bringen. Die Gefahr, daß der Drache dann schwarze Wählerstimmen frißt, ist nicht gering. Die ÖVP sollte daher sehr daran interessiert sein, daß die 38 Anträge und Beschlüsse des Landtages (28 betreffen die Newag und 10 die Niogas) von den zuständigen Vorständen und Aufsichtsräten möglichst bald verwirklicht werden.

Spät, aber doch hat die Landesregierung das vom Landtag geforderte Expertenteam ernannt — ihm gehören Energie-, Finanz- und Wirtschaftsfachleute an —, das die Aufgabe hat, ein Gutachten über die Möglichkeiten der Sanierung und Gesundung der Landesgesellschaften auszuarbeiten. Eine sehr wesentliche Forderung des Landtages war es auch, daß alle Geschäfte, die mit der Newag nicht in einem „kausalen und wirtschaftlichen Zusammenhang“ stehen, aufgegeben werden müssen. Wie steht es mit der Durchführung dieses Entschließungsantrages? (Natürlich ist es in einer Zeit der abflachenden Konjunktur schwierig, defizitäre Unternehmen abzubauen.) Wie weit wird das Sportmäzenanten-tum der Landesgesellschaften noch aufrechterhalten? Solange das Land nur rund eine Million Schilling für das Gros der niederösterreichischen Sportvereine ausgibt, ist es unverantwortlich, viele Millionen für einen oder zwei Vereine auszuschütten.

Der Landtag sprach sich auch für die Gründung einer eigenen Wohnbaugesellschaft für die Landesgesellschaften aus. In diesem Zusammenhang muß man darauf hinweisen, daß die Liste der Wohnbaudarlehensnehmer Müllners in der Newag und Niogas bis heute nicht vollständig ist, obwohl sie der Landtag bereits vor einem Jahr angefordert hat. Manchmal hat man fast den Eindruck, als seien Niederösterreichs Landtagsabgeordnete „Zinnsoldaten“, die ihren Beschlüssen nicht immer entsprechenden Nachdruck verleihen können — oder wollen.

Übrigens sind bei der Newag-Debatte im Dezember vergangenen Jahres noch rund 20 Punkte offengelassen worden, deren Klärung man den Landtagspräsidenten aufgetragen hat. Wie weit ist hier schon eine Erledigung erfolgt?

Mit der Berufung des neuen Generaldirektor Dr. Allitsch wurde die personelle Reform in der Newag eingeleitet. Dr. Allitsch zeigte gleich in den ersten Wochen, daß er einen „eisernen Besen“ zu führen pflegt. Hatte er 9ich durch den überraschenden Kauf des teuren Chevrolets -nachdem MüLlners Jaguar mit Spezialsitzen relativ billig abgestoßen worden war — nicht besondere Sympathien erworben, so scheint dagegen sein energisches Vorgehen gegen die Krauland-Bank ein bemerkenswertes Zeichen von Zivilcourage zu sein. Die Flucht in die Öffentlichkeit hüllte — zum Mißfallen so mancher — ein weiteres Stück Müllnerscher „Finanzpolitik“ auf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung