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„Verpolitisierung - Verteuerung - Bürokratisierung“

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Die Auseinandersetzung um die geplante ORF-Gesetznovelle eskaliert weiter. Die Fronten sind in der Sache der geplanten Gesetzesänderung weitgehend festgefahren, weshalb die streitbaren Kontrahenten Bruno Kreisky und Gerd Bacher verbale Attacken gegeneinander reiten. In diesem Zusammenhang bringen wir eine Zusammenstellung der strittigen Probleme. Aus der untenstehenden Zusammenstellung ist der derzeitige Gesetzeszustand, die Absicht des Regierungsentwurfes und die Meinung bzw. Stellungnahme des ORF ersichtlich.

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Die Auseinandersetzung um die geplante ORF-Gesetznovelle eskaliert weiter. Die Fronten sind in der Sache der geplanten Gesetzesänderung weitgehend festgefahren, weshalb die streitbaren Kontrahenten Bruno Kreisky und Gerd Bacher verbale Attacken gegeneinander reiten. In diesem Zusammenhang bringen wir eine Zusammenstellung der strittigen Probleme. Aus der untenstehenden Zusammenstellung ist der derzeitige Gesetzeszustand, die Absicht des Regierungsentwurfes und die Meinung bzw. Stellungnahme des ORF ersichtlich.

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Rundfunkgesetz

Jetzt keine Verfassungsbestimmung

§ 2. Die Gesellschaft und die von ihr beschäftigten Personen sind im Rahmen der Gesetze beziehungsweise der Dienstund Geschäftsordnungen der Gesellschaft bei der Ausübung der ihnen durch dieses Bundesgesetz übertragenen Funktionen unabhängig. Letztere haben ihre Funktionen unter Wahrung strenger Objektivität im Sinne der Aufgabenstellung des § 1 auszuüben.

§ 7. Der Gesellschafterversammlung obliegt insbesondere a) die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrates nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 lit. b;

b) die Entscheidung über Maßnahmen zur Prüfung und Überwachung des Unternehmens, die Bestellung der Mitglieder der Prüfungskommission (§ 14);

c) die Beschlußfassung über die Veröffentlichung von Berichten, die auf Grund von Prüfungs- oder Überwachungsmaßnahmen erstellt werden.

§ 8. (1) Der Aufsichtsrat besteht unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 aus 20 Mitgliedern, die wie folgt zu berufen sind:

a) Jeder Gesellschafter mit Ausnahme des Gesellschafters Bund bestellt je ein Aufsichtsratsmitglied.

b) Je ein Mitglied des Aufsichtsrates ist aus den Bereichen der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Wissenschaft, der Kunst, der Volksbildung und des Sports von der Gesellschafterversammlung zu bestellen. Für diese fünf Mitglieder gelten die Bestimmungen des § 12 lit. f.

c) Sechs weitere Mitglieder sind zur Sicherstellung einer angemessenen Mitbestimmung der politischen Parteien unter Berücksichtigung ihres Stärkeverhältnisses im Nationalrat vom Gesellschafter Bund zu bestellen, wobei darauf zu achten ist, daß jede im Hauptausschuß des Nationalrates vertretene Partei durch mindestens ein Mitglied im Aufsichtsrat vertreten ist.

(2) Zwei Vertreter werden vom Betriebsrat gemäß § 14 Abs. 2 Z. 4 Betriebsrätegesetz in den Aufsichtsrat entsendet.

§ 8. (5) Der Aufsichtsrat faßt die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, der auch sonst mitstimmt.

4 Direktoren (Hörfunk-, Fernseh-, technischer und Verwaltungsdirektor), (§ 10 Abs. 2).

Keine Bestimmung

Keine Bestimmung

Der Aufsdchtsrat beschließt mit einfacher Mehrheit endgültig über Programmentgelte und Tarife (§ 8 Abs. 6 d).

Geplante Novelle

In Artikel I, Absatz 1 und 2 wird die institutionelle Unabhängigkeit der Rundfunkgesellschaft verankert. Die Rund-funkgesellschaft ist bei Besorgung der ihr durch Bundesgesetz übertragenen Aufgaben außer an die Bestimmungen der allgemeinen Gesetze an keine Weisungen oder Aufträge gebunden. Die Grundsätze für die Tätigkeit der Gesellschaft sollen durch Bundesgesetz festgelegt werden: Die Programme sollen eine umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen gewährleisten und die Vielzahl der Meinungen dazu angemessen zum Ausdruck bringen.

Die Gesellschaft hat die Gewissensfreiheit, Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit aller programmgestaltenden Mitarbeiter bei Besorgung der ihnen übertragenen Aufgaben zu beachten. Verpflichtung zum Abschluß eines Redakteursstatuts und Kündigungsklausel. (Wenn sich die Vertragspartner bis zum Außerkrafttreten des Statuts nicht auf ein neues einigen, kann das Einigungsamt Wien angerufen werden, das ein Statut erläßt.)

Die Wahl des Generalintendanten, der Direktoren, der Programm-Intendanten und der Landesintendanten wird vom Aufsichtsrat in die Gesellschaftsversammlung verlegt. Die Gesellschaftsversammlung erhält ein Einspruchsrecht gegen Beschlüsse des Aufsichtsrats über Entgelte und Tarife.

Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder soll von bisher 20 plus 2 Dienstnehmervertreter auf 33 erhöht werden, wovon der Gesellschafter Bund 9 Aufsichtsratsmitglieder, jedes Land ein Aufsiehtsratsmitglied, die Sozialpartner je ein Aufsichtsratsmitglied und der Betriebsrat 11 Aufsichtsratsmitglieder entsenden. Auf eine angemessene Berücksichtigung der ständigen freien Mitarbeiter soll bei den Dienstnehmervertretern Bedacht genommen werden.

Für die Wahl des Generalintendanten, der Direktoren, Programmintendanten und Landesintendanten ist in der Gesellschafterversammlung Dreiviertelmehrheit erforderlich.

Neue Geschäftsverteilung: Je ein technischer Direktor und ein kaufmännischer Direktor, ein Programmintendant für den Hörfunk, je ein Programmintendant für das 1. Programm des Fernsehens (Fernsehdntendant 1) und das 2. Programm des Fernsehens (Fernsehintendant 2).

Beim Bundeskanzleramt wird eine Kommission errichtet, die — soweit hiefür nicht eine andere „Vercualtifngsbehörde oder ein Gericht zuständig ist“ — über Verletzungen von Bestimmungen des RFG entscheiden soll.

Der Hörer- und Sehervertretung soll neben der Erstattung von Programmempfehlungen das Recht der Erstellung von Vorschlägen für die Ernennung von Kommissionsmitgliedern, ebenso wie das Recht der Anrufung der Kommission zukommen. Generalintendant, Direktoren, Programmintendanten und Landesintendanten sind verpflichtet, alle an sie gerichteten Anfragen binnen Zweimonatsfrist zu beantworten. Der Vorsitzende der Hörer- und Sehervertretung ist berechtigt, an den Sitzungen des Aufsichtsrates mit beratender Stimme teilzunehmen.

Die Zuständigkeit des Aufsichtsrates zur rechtsverbindlichen Festsetzung des Entgelts wird gestrichen — diese Änderung ist eine Konsequenz aus der Verlagerung der faktischen Gebührenhoheit in die Gesellschaften-Versammlung.

Stellungnahme des ORF

Grundsätzlich wird die Absicht des Entwurfs, die Unabhängigkeit der Gesellschaft verfassungsrechtlich zu verankern, begrüßt. Der Verfassungsschutz sollte sich jedoch auf das gesamte Rundfunkgesetz erstrecken und sicherstellen, daß der Rundfunk nicht länger dem wechselnden Spiel der politischen Kräfte unterworfen ist.

In der Verfassung verankert werden sollte nicht nur die Unabhängigkeit der Rundfunkgesellschaft als Institution, sondern auch (wie im geltenden Rundfunkgesetz) die Unabhängigkeit der von ihr beschäftigten Personen bei Ausübung der ihnen übertragenen Funktionen.

Unabhängigkeit ist im § 2 des RFG wesentlich umfassender und deutlicher gefaßt: das Rundfunkgesetz normiert die Unabhängigkeit der Gesellschaft und der von ihr beschäftigten Personen. — Der Entwurf verlangt, daß lediglich die Gesellschaft die Unabhängigkeit der programmgestaltenden Mitarbeiter beachtet. Diese doppelte Einschränkung wird abgelehnt, sie stellt einen empfindlichen Rückschritt dar, weil nur die Freiheit nach innen und nicht nach außen gesichert wird.

In der Fassung des Entwurfs ist die Gesellschafterversammlung als eine Politiker- und Funktionärsversammlung anzusehen, die unter dem Vorsitz des jeweiligen Regierungschefs über für den Rundfunk existenzielle Fragen zu entscheiden hätte. Sie stellt auch einen schwerwiegenden Eingriff in die finanzielle Unabhängigkeit der Gesellschaft dar und schwächt entscheidend die Kompetenz des Aufsichtsrats. Der gegenwärtige Aufsichtsrat ist in seiner Zusammensetzung ausgewogen.

Durch die Gesamtanzahl der Parteienvertreter (6 von 22) wurde bisher vorgesorgt, daß es zu keiner Majorisierung des Aufsichtsrates durch Vertreter der politischen Parteien kommen kann. Tatsächlich hat der Aufsichtsrat in der Vergangenheit eine Reihe von einstimmigen Beschlüssen gefaßt, ebenso wie bei Mehrheitsbeschlüssen die Willensbildung zum Teil quer durch die politischen Fraktionen — das heißt sachbezogen — erfolgte.

Der Aufsichtsrat berücksichtigte bisher in seiner Zusammensetzung die Bedürfnisse der großen kulturellen Bereiche des Landes, wie Kirchen und Religionsgesellschaften, Wissenschaft, Kunst, Volksbildung und Sport. Damit sind im Aufsichtsrat alie kulturpolitisch und gesellschaftlich relevanten Kräfte des Landes vertreten.

Die Einführung einer Dreiviertelmehrheit für die Wahl der Rundfunkleitung bedeutet Verpolitisierung der Rundfunkleitung, die Beschränkung der Richtlinienkompetenz bedeutet eine wesentliche Beeinträchtigung der Effizienz des ORF in programmlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht. Beide Maßnahmen werden daher abgelehnt.

Die vorgesehene Klarstellung „technischer Direktor'“ und „kaufmännischer Direktor“ entspricht der bisherigen Unternehmenspraxis und wird begrüßt.

Die Schaffung einer 2. Fernsehdirektion verursacht gewaltige Mehrkosten, bringt keinesfalls die damit offenbar angestrebte Lösung der Pluralisierungsprobleme, gefährdet die günstigste Verwendung der Programm-Mittel durch Lizi-tationspolitik im eigenen Haus, stellt die Koproduktion mit den ausländischen Fernsehanstalten und damit den Kulturexport des ORF in Frage und scheitert im übrigen am Mangel an Personal, technischen Geräten und Studioräumen.

Die Einführung dieser „kollegialen Verwaltungsbehörde mit richterlichem Einschlag“ (gem. Art. 133 Ziffer 4 B-VG) wird grundsätzlich begrüßt, gegen einzelne Bestimmungen, insbesondere gegen die Tatsache, daß Gewerkschaftsvertreter sowohl Richter als auch Kläger sein sollen, bestehen prinzipielle Einwände.

Wie bereits ausgeführt, widerspricht das Recht der Hörerund Sehervertretung, vier Kommissdonsmdtglieder vorzuschlagen und die Kommission auch anzurufen, dem Grundsatz, daß niemand „Kläger und Richter in eigener Sache“ sein soll. Die Teilnahme des Vorsitzenden der Hörer- und Sehervertretung an den Sitzungen des Aufsichtsrates ist mit dessen Geheimhaltungspflicht unvereinbar.

Auf Grund der Novelle des Bundeskanzlers wäre zum Beispiel der Generalintendant zur regelmäßigen Kontaktnahme verpflichtet mit:

Gesellschafterversammlung 14 Mitglieder

Aufsichtsrat 33 Mitglieder

Beschwerdekommission 17 Mitglieder

Hörer- und Sehervertretung 58 Mitglieder

Prüfungskommission 3 Mitglieder

Redakteursrat u. Redakteursausschuß 25 Mitglieder

150 Kontaktpersonen gegenüber derzeit 25.

Abgesehen von den' wesentlichen Einwendungen gegen die Kompetenzverschiebung, sollte nach Auffassung des ORF das in diesem Paragraphen des RFG enthaltene Rechtsproblem „Rundfunkentgelt — Fernsehrundfunkentgelt“ gelöst werden.

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