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Als der Präsident der Villacher ÖBB-Direkition, Dipl.-Ing. Dr. tecbn. Ludwig Weiß, in das monochrome Klaus-Kabinett als Ressortchef für das Verkehrsministerium eintrat, erhielt er die Auflage, unter anderem auch eines der wichtigsten politischen Sorgenkinder dieses Teiles der Hoheitsverwaltung aus dem Kreis seiner Geschwister zu entfernen: das sich rasch entwickelnde, von seinen früheren sozialistischen Ressortvätern aufgepäppelte ÖBB-Defizit. Zwar gelang es Verkehrsminister Weiß, seinen „Professorenberdcht“ und das Gesamtverkehrskonzept in relativ kurzer Zeit unter Dach und Fach zu bringen; bei der Erstellung des ÖBB-Gesietzes aber mußte er am Arbeitstempo einige wesentliche Abstrich vornehmen, da die Sozialisten über die majorisiert rote Eisen-bahnefgjewerkschaft die Beratungen verzögern ließen. Im Notfall, hieß es in eingeweihten Kreisen, müßten die rund 84.000 Eisenbahner sogar „lin den Ausstand / treten“, sollte das Gesetz ihre bisherigen „Rechte“ — die weit größer als jene anderer Bundesangestellter sind — auch nur geringfügig beschneiden. Nach langwierigen Beratungen, zu denen auch Juristen der Eisenbahnergewerkschaft zugezogen wurden, redigierte man den ersten Gesetzentwurf um und formulierte einen neuen Gesetzestext.Dieser zweite Entwurf wurde von der Gewerkschaft der Eisenbahner auch nicht mehr angegriffen und ging so an den Ministerrat, der ihn am 19. November 1968 billigte. Bei den Beratungen der Materie im Ver-kehrsaussehuß des Nationalrates machten die Sozialisten jedoch plötzlich eine Kehrtwendung und stellten sich auf den Standpunkt, der Gesetzentwurf bringe „nichts Neues“, weshalb sie ihm nun abermals ihre Zustimmung verweigerten; er wurde mit den Stimmen der ÖVP-Vertreter angenommen.

Im wesentlichen sieht das neue ÖBB-Gesetz, das voraussichtlich im März National- und Bundesrat passieren wird, folgende Maßnahmen vor:

• Die Geschäftsführung liegt „zur gesamten Hand“ bei einem aus vier Personen bestehenden Vorstand, dessen Mitglieder von der Bundesregierung bestellt werden. Bei der Regelung ihrer Rechte und Pflichten lehnt sich der Entwurf an die für die Führungseinrichtungen der großen privatwirtschaftlich geführten Unternehmen gebildeten Normen an,

• Das „zweite Organ“ ist ein aus 15 Mitgliedern bestehender Verwaltungsrat. Neun Mitglieder werden von der Bundesregierung frei bestellt; je eines über Vorschlag der Gesamtheit der Bundesländer, drei über Vorschlag der Kammern und zwei Mitglieder über Vorschlag der Personalvertretung der Bundesbahnen. Als Mitglieder “sind ausschließlich Fachleute aus den für die Geschäftsleitung der Bahnen maßgeblichen Sachgebiete zu bestellen, wie beispielweise Betriebswirtschafter, Nationalökonomen sowie Experten aus dem Finanzwesen.

• Der Gesetzentwurf trifft auch eine genaue Abgrenzung der Zuständigkeit des Verkehrsministers und des Vorstandes: Die Führung der laufenden Geschäfte obliegt dem Vorstand, lediglich einige taxativ genannte Aufgaben sind dem Ressortminister vorbehalten.

• Die im Gesetzentwurf enthaltene „Polibikerklausel“ bestimmt, daß Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften sowie der Bundesregierung oder einer Landesregierung weder dem Verwaltungsrat noch dem Vorstand angehören können; ausgenommen sind lediglich Gemeinderäte.

• Die „betriebsfremden Lasten“ werden laut ÖBB-Gesetz folgenderweise abgegolten: Vom Pensionsaufwand der Bahnen wird für die Jahre 1969 bis 1973 jährlich ein Betrag von 1,7 Milliarden Schilldng vergütet; für die Jahre 1970 bis 1974 wird den Bahnen darüber hinaus zur Abgeltung von Einnahmeausfällen aus Sozial- und Subventionstarifen ein Betrag von jährlich 350 Millionen Schilling zugestanden. Das neue Gesetz wird also zumindest ein erster konkreter Schritt auf dem Weg sein, das ÖBB-Defizit über den Umweg der allmählichen Ver ringerung einmal zur Gänze wegzu bekommen. Selbstverständlich kann dies nicht allein durch die Bestimmungen eines Gesetzes erfolgen,soh-dem vielmehr durch jene Maßnahmen, die die neue Bahnführung auf Grund des nun geschaffenen gesetzlichen Spielraumes für eine wirtschaftliche Betriebsführung setzen wird. . ■ ...“ V ;.“ .

Vorsitzender des ÖBB-Vorstandes wird der; derzeitige Bahngeneraldirektor Dr. Kalz sein, Stellvertreter der jetzige finanzielle ÖBB-Direktor Dipa.?Ing. DuMngar. Neben Kalz und Dultinger werden noch der derzeitige Prsonaldirektor der Bahnen, Ho&at .Platz, und der derzeitige Be-schaffungKdirektor Dipl.-Ing. Geissler in den vierköpfigeh ÖBB-Vorstand einziehen.. Auch im Verwaltungsrat sollen die • ,Fachleute Oberhand haben, hofft man zumindest bei der Bahn. Politkandddaten werden jedenfalls auf Grund der Politikerklausel auch aus diesem Gremium ausgeschlossen sein. ,•

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