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Kritische Loyalitat

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Die Keform ist angelaufen. Seit dem 1. Oktober 1975 steht das Uni-versitätsorganisationsgesetz in Kraft. Die in seinen Übergangsbestimmungen festgelegten oder durch Verordnung vorgeschriebenen Schritte laufen an — ohne Aufregung, fast ohne Schwierigkeiten, auch wenn so manche Frage noch offen geblieben ist. Haben alle jene, die bis zum letzten Moment vor der Verabschiedung schärfstens gegen das Reformgesetz protestierten, kapituliert — oder nehmen sie als loyale Staatsbürger gegebene Tatsachen zur Kenntnis?

Die Umbenennung der bisherigen Fachhochschulen in Universitäten war nur eine Formsache, nur Vollzug eines seit Jahren geäußerten Wunsches, der längst erledigt gewesen wäre, hätte man ihn nicht in die Gesamtreform einbauen wollen. Nicht ganz so selbstverständlich verlief die Aufteilung der zu groß gewordenen Fakultäten — auch sie nach den Vorschlägen, die aus den Universitäten selbst gekommen waren; aber hier gab es Randgebiete, die da oder dort eingeordnet werden konnten. Man hat sich geeinigt, auf dem Boden der Tatsachen — wer aber könnte es dem Verfassungsrechtler verübeln, die ihm zustehende Berufungsinstanz anrufen zu wollen, wenn er der Meinung ist, in seinen Rechten beeinträchtigt zu werden? Ist es nicht gerade seine Aufgabe zu zeigen, daß die Verfassung die Rechte des Staatsbürgers schützt?

Daß man zur Konstituierung der Wahlkommissionen — die die Wahlen zur Nominierung der Mittelbauvertreter abzuhalten haben — auch Personen heranziehen mußte, die nicht gewählte Mitglieder der Dienststellenausschüsse waren, ist mehr ein Schönheitsfehler — aus den notwendigen Größenordnungen heraus verursacht — und kann den reibungslosen Ablauf nicht hindern. An manchen Anstalten wartete man die Konstituierung der neuen Personalvertretungen ab, an anderen nahm man darauf keine Rücksicht. Bis zum Ende des Wintersemesters dürften wohl im wesentlichen diese Wahlen abgeschlossen sein.

Gerade die Universität Innsbruck, deren Sprecher zu den lautesten Warnern vor dem UOG zählten, steht nun an der Spitze in der Durchführung der vom Ministerium angeordneten Maßnahmen. Ihren Professoren heute Kapitulation vorzuwerfen, wäre ebenso falsch, wie vorher der Vorwurf eines sturen Festhaltens an überholten persönlichen Privilegien. Hat man nicht den deutschen Wissenschaftern — nicht zu Unrecht — vorgeworfen, geschwiegen zu haben, auch wenn sie — vor 1933 — gefährliche Entwicklungen erkannt hatten? Die österreichischen Professoren haben jetzt nicht geschwiegen, wenn sie der Uberzeugung waren, die Reform führe in eine Sackgasse. Es war ihr gutes Recht, ja ihre Pflicht, zu dieser Uberzeugung zu stehen, solange die Akten — im Nationalrat — noch nicht geschlossen waren. Nun aber haben sie die Pflicht, ein legal beschlossenes Gesetz durchzuführen, auch wenn es ihnen nicht gefällt. Erst jetzt kann es sich beweisen, wer in der vorausgegangenen Diskussion recht hatte.

Die Innsbrucker aber waren auch die ersten, die in Eigenregie eine Lücke schlössen. Sie war in den bisherigen Regelungen offen geblieben: Die Zusammensetzung der Mitbestimmungsgremien hängt von der jeweiligen Zahl der Professoren ab; im bestimmten Verhältnis zu dieser halten sich die Zahlen der Assistenten und der Studenten. Was aber ist, wenn sich die Professorenzahl ändert? Jede Abwanderung, jeder Todesfall, aber auch jede- Neuberufung muß sich auswirken. Hierfür ist nicht vorgesorgt. Am Inn legte man zum ersten Mal fest, wer von den gewählten Mit^elbauvertretern auszuscheiden oder nachzurücken habe, wenn dieser Fall eintritt. Und man schuf damit das Modell, an das sich auch die andern halten können, solange das Ministerium nichts anderes bestimmt.

Das UOG legt nur für die Studienkommissionen — die auch bisher schon drittelparitätisch bestanden — fest, daß sie bis zum Ende des Wintersemesters konstituiert werden müssen. Die neuen Fakultätskollegien werden in der Mehrzahl wohl erst im Frühjahr erstehen. Sie und die obersten Instanzen — Senate und Universitätskollegien — müssen bis zum Juni so weit sein, daß die ersten akademischen Funktionäre nach den neuen Bestimmungen gewählt werden können.

Die Bewährungsprobe wird die neue Struktur erst dann ablegen können, wenn von der Basis bis zur Spitze die demokratisierte Organisation steht. Erst in der Praxis kann erkannt werden, ob die vielen Mitarbeiter für alle die Gremien gewonnen und motiviert werden können; wie sich die Mitbestimmung auf die Arbeit auswirkt; welche Folgen die Verlagerung der Entscheidung in die Kommissionen haben wird. Wie sagte der Salzburger Prorektor? Man sei dabei, loyal, aber kritisch ...

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