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Wie bei Metternich

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Zwei Behauptungen stehen gegeneinander: Die des Wissenschaf ts-ministeriums, die Professoren der österreichischen Hochschulen hätten vor der ScMußredaktion des UOG-Gesetzes ohnehin ausreichend Gelegenheit gehabt, ihre Meinung zu äußern, und die der Professoren, ihre Mitwirkung als Gemeinschaft habe sich auf insgesamt wenige Stunden dauernde, völlig fehlorga-nisderte Hearings beschränkt. Dahinter stehen zwei Konzepte gegeneinander: Die Vorstellung von der Gesetzgebung im pluralistischen Staat als Prozeß eines Zusammenraufens aller Beteiligten einerseits gegen das starre, in dieser Härte in der ganzen Zweiten Republik noch niemals ge-hanidhabte Prinzip eines im luftleeren Raum schwebenden Gesetzgebers anderseits, der am besten weiß, was den Staatsbürgern frommt, und dem niemand dreinzureden 'hat. Am allerwenigsten der Sachverstand der von einer Gesetzesreform Betroffenen.

Das Werden dieses UOG-Gesetzes kann als ein „Gegenimodell“ zur österreichischen Justizreform, als diametral gegensätzlich angelegte legistische Prozedur gesehen werden. Denn was die Justizreform betrifft, so darf ja über der Meinungspotarisierung in der Abtreibungs-frage nicht übersehen werden, daß hier, wie kaum je zuvor in einer so strittiigen Materie, in allen anderen Fragen ein mustergültiger großer Konsensus aller Lager und Beteiligten erzielt wurde. Das Zustandekommen des neuen Strafgesetzbuches hat Jahrzehnte gedauert, aber dafür ist es wahrscheinlich doch auch ein Gesetzeswerk für Jahrzehnte.

In der UOG-Frage geschah das genaue Gegenteil. Niemals in der Zweiten Republik soll ein Gesetzeswerk auch nur annähernd vergleichbarer Bedeutung so rücksichtslos durchgebracht werden. ( Während in diesemi Staat..die Exponenten.*der Gesetzigebungao^aschinerie' und die Vertreter der dem Gesetz unterworfenen, der Betroffenen, Monate und oft Jahre über Detailfragen feilschen, wurde mit den Hochschullehrern im parlamentarischen Ausschuß nicht einmal diskutiert. Um die Erhöhung des Milchgeldes für die Bauern setzt man sich demokratischer, pluralistischer, ehrlicher, gründlicher auseinander als über die Zukunft unserer Hochschulen.

Freilich sind ja in den meisten anderen Fragen die Rollen der Gesetzgeber und jener, welche die dem werdenden Gesetz Unterworfenen repräsentieren, der Gesetzesformu-lierer und Textkritiker, unentwirrbar miteinander verfilzt und oft in Personalunion besetzt, während die Universitätsprofessoren bei der Abfassung des Universitätsorganisa-tionsgesetzes tatsächlich Außenseiter waren und als Außenseiter behandelt wurden.

So wurde das UOG ein Gesetz der Ressentiments. Ein Jahre nach der großen Gärung an den deutsehen Universitäten beschlossenes Gesetz, das nichtsdestoweniger alle anderwärts gemachten Erfahrungen ignoriert, alle anderwärts gemachten Fehler wiederholt Es erweist sich in vielen Einzelheiten als ein Gesetz nicht für, sondern gegen die Universität, zumindest gegen die Universität als autonomen Bereich in einem seine Einflußbereiche systematisch ausdehnenden Staat.

Viele Kritikpunkte, die in den von der österreichischen Rektorenkonferenz vorgelegten Stellungnahmen angeführt werden, illustrieren dies. So zum Beispiel enthält das UOG, nach allen Erfahrungen in der Bundesrepublik, wo der gesamte Lehrbetrieb oft für Wochen und Monate lahmgelegt wurde, ein immanentes Hausbesetzungsrecht, wenn 'im Prinzip jedermann das Recht auf Zugang zur Universität und ihren Einrichtungen eingeräumt wird, das Recht auf Anwesenheit in Lehrsalen, bei Prüfungen, akademischen' Feiern und in logischer Konsequenz sogar in Laboratorien. Der Ausschluß der Öffentlichkeit muß laut UOG von Fall zu Fall verfügt werden — ein in Normalzeiten sicher klaglos funktionierendes Modell, das in Krisenzeiten sofort zum Zusammenbruch des gesamten Universitätsbetriebes führen muß.

Denn in den Gremien, die den Ausschluß der Öffentlichkeit verfügen könnten, sind ja die Professoren in der Minderheit. Sie haben im Grund auf der Universität überhaupt nichts mehr zu reden, oder genauer: nur noch so viel, wie die anderen sie reden lassen. Offenbar hat der Gesetzgeber, richtiger: die M ehrhe itspartei im Nationalrat, noch nicht erkannt, wie leicht dieses Gesetz sie zum Zauberlehrling machen kann, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird. Innerhalb des beschränkten Horizonts, den sich der Gesetzgeber offenbar bei den Vorarbeiten zu dieser legistischen Frühgeburt auferlegte, scheint freilich jene rote heile Welt garantiert, die undenkbar erscheinen läßt, jemand anderer als die eigenen Leut' könnte je den Wunsch verspüren, die Ordinarien in die Zange zu nehmen. Zwar schreien auf der Rampe schon die alten und jungen Nationalen, aber die Gefahr, daß auch sie eines nahen Tages von einigen Freiheiten des UOG exzessiven Gebrauch machen könnten, wurde von den UOG-Textern nicht erkannt oder verdrängt.

Vorherrschend im Text sind freilich jene Konstruktionen, die die Universität dem Zugriff des Staates aufbrechen sollen. Hinter Demokratisierungsfassaden werden Ansatzpunkte für harte Zugriffe sichtbar — das neue Verwaltungsmodell läuft darauf hinaus, daß im Konfliktfall Verwaltungsbeamte die Macht ergreifen. Und damit das Ministerium, wie zur Zeit Metternichs.

Die Universitätsprofessoren selbst können sich nicht einmal mehr auf ureigenste Territorien zurückziehen, denn auch der Rückzug in den elfenbeinernen Turm freier Forschung und Lehre ist ihnen versperrt: nicht nur in Personal-, Material- und sonstigen Sachfragen, sondern auch in Angelegenheiten der reinen Lehre haben sie zwar ein Mitbestimmungs-, aber kein letztes Entscheidungsrecht.

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