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Kooperative

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Rektor Franz Seitelberger kam in seiner Abschiedsrede vor der Rektorenkonferenz am Ende seiner Amtszeit wieder auf die Formulierung zurück, die während des ganzen abgelaufenen ersten Jahres der Universitätsreform seine Leitlinie gewesen war - die „kooperative Autonomie”. Er verstand sie „als Auftrag an die Hochschulen, den eigenen Wirkungsbereich so zu verwalten und zu gestalten, daß er mit den andern gesellschaftlichen Systemen in passendster Weise zusammenstimme und am förderlichsten zum gemeinsamen Wohl beitrage, aber auch als Forderung an das Ministerium, dieses institutionsgerichtete Interesse wahrzunehmen und zu würdigen”.

Was wäre damit diese „kooperative Autonomie” anderes al§ eine praktische Ausformung des Grundsatzes von der Subsidiarität, wonach keine Aufgabe der Gemeinschaft übertragen werden darf, die der einzelne „mit eigener Kraft und durch eigene Tätigkeit leisten kann, wie Pius XL in „Qua- dragesimo anno” ausgeführt hat: das Prinzip der Verteilung aller gesellschaftlichen Zuständigkeiten nach dem Grundsatz der größtmöglichen Freiheit, unter Rücksicht auf das Gemeinwohl.

Und dies nicht nur auf der Hochschule, deren Autonomiebewußtsein aus der Tradition der Humboldt-Universität stark war, auch wenn gerade in Österreich die staatliche Verwaltungspraxis diesem Ideal nie entsprochen hat.

Der Vorsitzende der Rektorenkonferenz, der sich in diesem Jahr bis zur Selbstaufgabe um Konsens und eine reibungslose Durchführung der Gesetze, die der Universität aufgezwun- gen worden waren, bemüht hatte, stellte nun in seiner Bilanz positiv und hoffnungsvoll eine Verbesserung der Atmosphäre zwischen Hochschulen und Ressort fest, mußte aber auch seine Enttäuschung darüber bekennen, daß gerade bei der geplanten Novelle zum UOG wieder in altgewohnter bürokratischer Selbstherrlichkeit vorgegangen werde.

Die neue Generation der Rektoren steht diesem Optimismus skeptisch gegenüber. Seitelbergers Nachfolger, Kurt Komarek, stößt sich an den ungleichen Machtverhältnissen, die einer echten Kooperation zwischen Universität und Ministerium im Wege stünden, denn eine solche Kooperation sei nur zwischen gleichwertigen Partnern möglich. Kollege Manfred Welan von der „Bodenkultur” verweist den Glauben an eine Autonomie, die Österreichs Hochschulen besäßen, in den Bereich der Illusion, die man zur Wahrung des Selbstbewußtseins brauche. Die zwei Rektoren dürften damit ausgesprochen haben, was heute die Mehrzahl der österreichischen Professoren und akademischen Funktionäre meint.

Wenn sich Komarek an dem Geruch der Bevormundung stößt, der aus jedem amtlichen Erlaß spreche - und ihm nach zehn Jahren Lehrtätigkeit an einer amerikanischen, wirklich autonomen Universität besonders in die Nase steigt-, dann liegt hier mehr verborgen als die unabbaubare Endmoräne des josephinischen Beamtenstaates, in dem es offenbar unmöglich ist, die „Partei” im Aktenlauf als Partner im Gespräch anzuerkennen. Sicherlich wirkt diese Mentalität noch sehr lebendig nach. Sie ist aber nicht allein schuld.

Ursache und Schuld liegen darin, daß der sozialistische Staat keinen Wert auf die „kooperative Autonomie”, auf die Subsidiarität, auf die Verteilung aller gesellschaftlichen Zuständigkeiten nach dem Grundsatz größtmöglicher Freiheit unter Rücksicht auf das Gemeinwohl legt.

Die bei der Beschneidung ihres Freiheitsraumes allergischen Wissenschafter sind nur die ersten, die diese Fehlentwicklung als Stand, als Gruppe merken und artikulieren. Der Grundsatz, alle Macht in die Zentrale zu ziehen, um dann alles über einen Leisten schlagen zu können (und damit die Macht von Staat und Partei zu betonieren), wird auch in vielen anderen Bereichen deutlich. Beispiele gefällig? Die Beschneidung der Pensionsreserven der Betriebe durch neue Steuern, die Erschwerung der Lehrlingsausbildung beim Meister zugunsten zentraler Lehrwerkstätten - sie entziehen dem Betrieb, der Keimzelle der Wirtschaft, die ihm obliegenden subsidiären Aufgaben der Al- ters(mit)versorgung seiner Mitarbeiter wie der Ausbildung des Nachwuchses und übergeben sie anonymen zentralen Einrichtungen. Die Tendenzen zur zwangsweisen Einführung von Einheits- und Ganztagsschule entziehen der Familie die unabdingbaren Erziehungsaufgaben auch dort, wo die Familie durchaus imstande wäre, sie zu erfüllen. Liegt nicht unsere gegenwärtige Staatspleite zu einem guten Teil daran, daß der Staat immer mehr Aufgaben an sich gezogen hat (oder man sie ihm aus politisch-ideologischen Überlegungen zugeschoben hat), die viel besser subsidiär hätten erfüllt werden können und nun wesentlich mehr Mittel brauchen, als zur Verfügung stehen?

Österreich hinkt bekanntlich stets mit einem Respektabstand hinter den andern nach, wenn es gilt, weltweite Trends aufzunehmen. In der bundesdeutschen Öffentlichkeit hat gerade erst eine Untersuchung Sensation gemacht, die die katastrophalen Folgen der deutschen Universitätsreform - von der Österreich so manches abgeschaut hat - mit unwiderlegbaren Beispielen demonstriert. Etwa zur selben Zeit tagten die Familienminister aus ganz Westeuropa in Bonn, auch etliche sozialistische unter ihnen, um über eine Rückbesinnung auf die Erziehungsfunktion der Familie zu sprechen. ,Kommt die „kooperative Autonomie”, das Subsidiaritätsprinzip doch wieder zur Anerkennung? Wann wird man auch in Österreich draufkommen, daß es einfach besser ist?

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