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UOG - die Entartung zur Mißgeburt

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Die letzte Phase der parlamentarischen Behandlung des seit drei Jahren im Mittelpunkt der hoch- schulpolitischen Diskussion stehenden Universitäts-Organisations-Ge- setzas (UOG) wird nun doch in den nächsten Wochen in dem sachlicher Arbeit nicht sonderlich günstigen erhitzten Klima der Vorwahlzeit und des beginnenden Wahlkampfes über die Bühne gehen. Obwohl daran im Grunde weder eine der drei Parlamentsparteien eine rechte Freude haben kann, noch eine der von dem Gesetz betroffenen Personengruppen — Studenten, Assistenten, Professoren und nicht-wissenschaftliches Hochschulpersonal —, und schließlich nicht einmal Frau Minister Firnberg, die mit ihrer hohen Intelligenz wohl schon längst erkannt hat, daß dieses bereits als Mißgeburt zur Welt gekommene Produkt bürokratisch- parteipolitischer Planung am grünen Tisch, das vom ersten Augenblick an auf schärfste Ablehnung von den verschiedensten Seiten her gestoßen 1st, gewiß kein Ruhmesblatt in der Geschichte ihrer sonst durchaus erfolgreichen „Regierungszeit“ als erste Ressortleiterin des neuen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung darstellt.

Die einst mit so großer Emphase von ihr und ihren Gehilfen propagierte „Flugschneisentheorie“ — daß der „Kurs richtig ist“, wenn der „Lärmpegel“ von links und rechts, von Studenten und Professoren, sich die Waage hält ist inzwischen sang- und klanglos verschieden; und selbst Bundeskanzler Kreisky, der vor Jahresfrist noch die Meinung vertrat, man müsse durch das UOG eine drohende radikale Entwicklung an den Hochschulen abfangen, hat ganz offensichtlich das Interesse an einem Gesetz verloren, mit dem man gewiß keine Wählerstimmen gewinnen kann. Da anderseits aber die Universitätsangehörigen, besonders etwa in den Landeshauptstädten, von denen die meisten ja jetzt auch Hochschulstädte sind, doch in beträchtlichem Ausmaß als „Multiplikatoren“ und Meinungsmacher wirksam sind, sähen es der Kanzler und seine Regierung — schon in Erinnerung an die Erfahrungen mit der Auswirkung der ORF-Gegenreform auf die Landtagswahlen im vergangenen Oktober — gewiß am liebsten, wenn sich die Zustimmung der Oppositionsparteien oder zumindest die der ÖVP zu diesem Gesetz erreichen und dadurch eine neuerliche emotionelle Eskalation vermeiden ließe; ganz abgesehen davon, daß es bisher allseits anerkannte Praxis und ein ungeschriebenes Gesetz in der Zweiten Republik gewesen ist, daß Unterrichtsgesetze zumindest mit den Stimmen der beiden großen Parteien angenommen wurden, um diese wichtige, auf lange Sicht wirksame Materie dem rascheren Wechsel der Wählergunst und der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse zu entziehen.

Warum will die SPÖ nun aber doch, falls sich die Zustimmung der Opposition nicht erreichen läßt, das UOG notfalls allein beschließen und im parlamentarischen Kehraus dieser Legislaturperiode durchpeitschen? Geht es nur darum, unter dem Titel „Versprochen-Gehalten“ ein weiteres „erfülltes Wahlversprechen“ (Schlagwort: „Eine fort schrittliche Hochschulreform“) plakatieren zu. können? Oder stimmt doch, was seit Jahr und Tag am und um den Minoritenplatz geflüstert wird,

daß man zwar genau wisse, daß das UOG in der gegenwärtig vorliegenden Form schon aus finanziellen und personellen Gründen abolut undurchführbar ist, daß man aber dieses schlechte Gesetz, an dem man selbst längst keine Freude mehr hat, noch rasch vor Torschluß durchbringen will, um sich dann bei Koali- tiansverbandlungen nach den Wahlen die ohnedies notwendige Novellierung des undurchführbaren Gesetzes mit Konzessionen auf anderen Gebieten „abkaufen“ zu lassen?

Wie immer dem sei, fest steht jedenfalls, daß auch in der SPÖ längst keine große Begeisterung mehr für dieses Gesetz herrscht, wobei die Kritik von verschiedenen sozialistischen Hochschullehrern, die im UOG eine bürokratische Verfälschung des ursprünglichen, teilweise von ihnen selbst erarbeiteten sozialistischen Hochschulkonzepts sehen, über die offene entschiedene Stellungnahme eines „großen alten Mannes“ der Partei, des Linzer Alt-Bürgermeisters Dr. Koref, bis zu den •linken Gruppen der Sozialistischen Studentenschaft reicht. Auch die Tatsache, daß von den 1972 zum Nationalfeiertag mit beträchtlichem Aufwand von. Bundeskanzler Kreisky zu einem Symposium über „Die Zukunft van Wissenschaft und Technik .in Österreich“ eingeladenen 68 prominenten, im Ausland wirkenden österreichischen Gelehrten die überwiegende Mehrheit sich auf Befragen entschieden gegen die Regierungsvorlage aussprach, war für die Befürworter des UOG eine peinliche Blamage, die man nach Möglichkeit totzuschweigen suchte. Schließlich scheint sich auch in sozialistischen Kreisen immer mehr die Befürchtung zu verbreiten, daß man sich mit der Beschneidung der Autonomie der Hochschulen und der im UOG vorgesehenen gewaltigen Verstärkung des „Ministerialdespotismus“, besonders im Falle eines „Farbwechsels“ im Wissenschaftsressort ein nicht leicht wieder auzugleichendes Eigentor schießen könnte.

Für die Volkspartei könnten derartige, allerdings reichlich hypothetische Überlegungen beinahe ein Grund für d’ie Zustimmung zu diesem Gesetz sein, wozu dann noch Spekulationen auf studentische Zielgruppen kommen könnten. Aber die jüngste Entwicklung dm der Studentenschaft hat hier wohl manche Illusionen zerstört und gezeigt, daß alle derartigen Spekulationen recht unrealistisch, ja gefährlich sind. So ist zu hoffen, daß die mit der Materie sehr genau vertrauten Unterhändler der großen Oppositionspartei — und das gleiche gilt im Grunde auch für jene der FPÖ, die ja seinerzeit einen eigenen Alternativentwurf eingebracht hat — nur dann ihre Zustimmung zu dem Gesetz geben, wenn sehr wesentliche Änderungen vorgenommen werden; was aber nach der Lage der Dinge kaum zu erwarten ist. Mit bloßer „Fassadenkosmetik“ würde den Hochschulen jedenfalls ein schlechter Dienst erwiesen.

So ist zu befürchten, daß der Streit um das UOG schließlich doch in den Wahlkampf gezerrt wird. Die Verantwortung dafür aber müssen jene auf sich nehmen, die dieses verunglückte Gesetz ausgeheckt haben und in ideologischer Verbohrtheit, gegen den nahezu geschlossenen Widerstand aller Betroffenen, daran festh alten.

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