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Deutscher Geist“ an der Uni

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Knapp vor dem Ende der parlamentarischen Debatte um die Beschlußfassung des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) fielen von der Galerie Flugblätter in das Plenum: „Die Wissenschaft ist frei — Sozialisten, laßt es dabei.“

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Knapp vor dem Ende der parlamentarischen Debatte um die Beschlußfassung des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) fielen von der Galerie Flugblätter in das Plenum: „Die Wissenschaft ist frei — Sozialisten, laßt es dabei.“

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Wissenschaftsminister Herta Firnberg mußte noch am Vortag der Beschlußfassung über dieses Gesetz bei Bundespräsident Kirchschläger Bericht erstatten: dem offenbar sehr skeptischen Staatsoberhaupt versicherte sie, daß durch das UOG die Hochschulautonomie keineswegs beengt werde und die Freiheit von Wissenschaft und Forschung garantiert sei. Kirchschläger dürfte sich damit zufriedengegeben haben, fast allen Professoren, den meisten Studenten und vielen Assistenten klingt diese Äußerung keineswegs glaubwürdig. Von einer „Totgeburt“ ist bereits die Rede, von einem Gesetz, das noch viel größeres UnheP und noch mehr Verwirrung stifte als etwa die Anti-ORF-Reform.

Worum geht es wirklich? Das neue Universitätsorganisationsgesetz dekretiert die Drittelparität, fordert die Professoren auf, von der Lehrkanzel in die permanente Gremial-diskussion zu wechseln, schafft administrative Schwierigkeiten und unterstellt Forschung und Lehre der Regierungsgewalt. „Forschung und Lehre“ sind laut Bundesverfassung „frei“. Nun sind sie-dem jeweiligen, von einer politischen Partei berufenen Ressortchef am Minoriten-platz Untertan. Dieser Ressortchef kann — anders als bisher — in das Berufungsverfahren eingreifen, die akademische Tätigkeit an den Universitäten nach parteipolitischen Vorstellungen gestalten, die persönliche Verantwortung der Professoren unterbinden, Entscheidungen begehren. Dies wird nach derzeit geltenden politischen Vorstellungen „Demokratisierung“ genannt, hat aber damit etwa so viel zu tun, wie die Neutralität Österreichs mit der Außenpolitik des Bundeskanzlers.

Die logischen Konsequenzen dieses Gesetzes dürften sein: der Universitätsbetrieb dürfte infolge einer durchgängigen Bürokratisierung noch teurer werden; die für die Forschung zur Verfügung stehende Zeit wird durch die Gremialisierung der Universitäten wesentlich gekürzt; dadurch dürfte die Forschung von den Hochschulen abwandern, wohin? — vielleicht in die Wirtschaft, möglicherweise in das Ausland. Die Berufungen prominenter Professoren an österreichische Hochschulen dürften in vielen Fällen erfolglos sein — welcher Forscher will sich tatsächlich zu einer Hilfskraft des ministeriellen Verwaltungsdienstes degradieren lassen? Dafür aber wird es sicherlich zu einer Politisierung an den österreichischen Hochschulen kommen.

Ganz eindeutig ist das sozialistische Universitätsorganisationsgesetz vom „deutschen Geist“ inspiriert, und zwar von dem, unter dem die Hohen Schulen in der Bundesrepublik, aber auch die SPD, heute noch zu leiden haben.

Wissenschaftsminister Firnberg bestreitet diese Anlehnung an das deutsche Modell. Sie behauptet vielmehr, „daß das Bild einer neuen und modernen Universität, voller : Objektivität und Ausgewogenheit“ ' ihr bei der Formulierung des UOG vor Augen stand. Diese Auffassung ; deckt sich im übrigen inhaltlich mit den Behauptungen, die seinerzeit SPD-Sprecher im Deutschen Bundestag bei der Beschlußfassung ihrer noch radikaleren Vorstellungen aufstellten.

Was verspricht sich die SPÖ von diesem Gesetz? Nutzen? Die Durchsetzung ihrer „Demokratisierungs“-Vorstellungen?

Es dürfte so sein, daß die SPÖ glaubt, mit diesem Gesetz parteipolitischen Einfluß auf die Träger und die Inhalte der Forschung und der Lehre ausüben zu können. Gewiß gibt es keine „sozialistische Medizin“, aber es gibt Haltungen zu ethischen Fragen, die sowohl medizinische als auch ideologische Implikationen haben — die Diskussion über die Fristenlösung zeigte das nur zu deutlich. Aus parteipolitischer Sicht ist der Einfluß insbesondere 1 auf sozial- und gesellschaftswissenschaftliche Fragen relevant. In die-: sem Bereich dürfte es in den kommenden Jahren zu einer Flut von Lehrkanzeln, die positivistische und „progressive“ Gegenpositionen vertreten, kommen. Selbst im Bereich des Rechtes gibt es ja marxistische Positionen, mit denen nun bald die österreichischen Jus-Studenten vertraut gemacht werden sollen.

Der Verband sozialistischer Mittelschüler hat das Universitätsorga-nisationsgesetz des Wissenschaftsministeriums begrüßt. Also war die einschlägigeparlamentarische Machtprobe der SPÖ ein guter Akt. Wer an die Kosten dieses Gesetzes und seinen möglichen Schaden für Forschung und Lehre denkt, muß darin freilich eine sinnlöse Machtdemonstration erkennen. _

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