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,Gütige Kindergärtnerin4

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In den letzten Wochen der Begutachtung sfrist des Universitäts-organisationsgesetzes (UOG) sind Bundesminister Dr. Herta Firnberg und ihre jungen Zauberlehrlinge im Ministerium krampfhaft bemüht, alles, was irgendwie an „Studentenunruhen“ im In- oder Ausland erinnern könnte, zu verharmlosen, zu verniedlichen und womöglich ganz zu vertuschen. Wohl war die Frau Minister in den Tagen vor dem Salzburger Universitätsjubiläum ängstlich besorgt, daß es bei dieser Gelegenheit zu Exzessen in Gegenwart der Herrn Bundespräsidenten kommen könnte, der in seinem bekannten Sinn für Würde, Anstand und Autorität derlei Dinge gar nicht ästimiert. Aber die Wachsamkeit der Salzburger Universitätsorgane, die kurz vor der Feier die obszön-aggressiven Parolen nächtlicher Eindringlinge übermalen ließen, und rigorose Absperrungsmaßnahmen befreiten die Frau Minister von diesem Alpdruck. So kam nur eine bekannt progressive Universitätsprofessorin zum Handkuß, die von „marxistischen Studenten“ in einer Diskussion unflätig beschimpft wurde, wobei ein neben ihr sitzender Kollege (einer der an den Fingern einer Hand abzuzählenden professoralen Befürworter des UOG) kein Wort zu ihrer Verteidigung fand, obwohl er selbst nachher bekannte, er habe sich bei dieser Studentendiskussion „wie im Bürgerbräukeller“ gefühlt.

Nachdem «Iso diese Klippe glücklich umschifft war, lief die xtiBeschunchtMlüngskampagne'' wieder auf vollen Touren. Da wurde immer wieder die lächerliche „Störungsstatistik“ des bundesdeutschen Wissenschaftsministeriums zitiert (deren statistische Logik sich höchstens mit einem Versuch vergleichen ließe, aus der Gegenüberstellung der Bevölfce-rungszahlen der USA und Vietnams zu den Gefallenenzahlen den Nachweis abzuleiten, daß der Vietnamkrieg ein harmloses Scharmützel sei) und alle Nachrichten über die sofort nach den Bundestagswahlen einsetzende neue Terrorwelle an deutschen Hochschulen (besonders kraß in Heidelberg, wo nicht nur bekannt progressive Hochschullehrer wie Conze und Koselleck, sondern auch ein gelähmter Patient im Medizin-Hörsaal mit faulen Eiern beworfen wurden) als „Stimmungsmache“ des „berüchtigten Bundes Freiheit der Wissenschaft“ (zu dessen Vorstands- und Gründungsmitgliedern allerdings, was den gläubigen österreichischen Genossen verschwiegen wird, prominente deutsche Sozialdemokraten gehören) abgetan.

Ein Beispiel dieser Taktik konnten die österreichischen Fernseher bei der Diskussion zwischen Minister Firnberg und dem Wiener Rektor Winkler erleben. Da war es denn eine arge Panne, daß gerade an dem Abend zwischen der Aufnahme des Gesprächs und seiner Ausstrahlung an der Wiener Universität — zum erstenmal in der Zweiten Republik! — Blut floß.

Frau Minister Firnberg aber blieb ihrer Beschwichtigungstaktik treu. Die Tatsache, daß nun schon zum zweitenmal (siehe „Furche“ Nr. 49) die Diskussion mit einem gewählten Volksvertreter auf akademischen Boden gewaltsam verhindert wurde (man wolle nicht „sachlich diskutieren“, sondern die Diskussion „von vornherein verhindern“, hieß es in dem linksradikalen Flugblatt, das zum gewaltsamen Terror aufrief) entlockte der Ressortchefin nur ein nachsichtiges Lächeln.

Helme, Schlagstöcke und Schlagringe erscheinen ihr offenbar als eben noch tolerierbares „Kinderspielzeug“. Vor zwanzig Jahren seien Schlägereien an den österreichischen Hochschulen an der Tagesordnung gewesen, meinte sie im Gespräch mit einer Tageszeitung, wobei ihr offenbar ein arger Erinnerungsfehler widerfuhr, denn anfangs der fünfziger Jahre herrschte an den österreichischen Hochschulen absolute Ruhe. Aber Jugend will halt toben, und wenn das unruhige jugendliche Blut ein bisserl herumspritzt, so läßt sich eine erfahrene gütige Kindergärtnerin dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Nur wäre es nach Ansicht der Frau Minister vielleicht besser gewesen, die ganze Sache ins Wirtshaus zu verlegen. ,

Dieses Blatt hat im Kärntner Ortstafelstreit von Anfang an entschieden gegen die „Tafelstürmer“ und auch gegen die Ansichten des FPÖ-Abgeordneten Doktor Scrinzi Stellung bezogen. Aber Brachialgewalt ist auf alle Fälle ein schlechtes Argument. Diese Erfahrung haben alle Österreicher in der Ersten Republik machen müssen und auch Frau Minister Dr. Firnberg sollte sieh eigentlich noch daran erinnern können.

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