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Die Autonomie der Universität heute

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„Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei": Aus diesem Grundrecht des Art. 17 StGG (Staatsgrundgesetz) wurde herkömmlich abgeleitet, daß nicht nur der einzelne Wissenschaftler, sondern auch die Universität als solche gegenüber dem Staat einen verfassungsgesetzlich geschützten Freiraum habe, und man sah in dieser „Autonomie" die notwendige institutionelle Absicherung der Freiheit der Wissenschaft.

Es blieb dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten, diesen liberalen Anspruch zurückzuweisen. Er hat in seinem UOG (Universitätsorganisationsgesetz) Erkenntnis von 1977 erklärt, Art. 17 StGG habe keinen institutionellen Bezug; es stehe dem jeweiligen Gesetzgeber frei, ob und in welchem Maß er eine weisungsfreie Beteiligung der Hochschulangehörigen an der unmittelbaren Wissenschaftsverwaltung vorsehen wolle.

Autonomie nach dem Gutdünken der wechselnden Mehrheit im Parlament - das ist ziemlich ernüchternd, wenn man an eine freiheitliche Verfassung glaubt. Gott sei Dank denken nicht alle Verantwortlichen so.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht in der Autonomie der Universität immer noch einen Bestandteil der Verfassungsrechtsordnung von 1920, und er ist auch bereit, daraus die Konsequenzen für die Auslegung des einfachen Gesetzes zu ziehen (verfassungskonforme Auslegung, also im Zweifel für die Autonomie).

Auch der Gesetzgeber des Jahres 1975, der die Universitätsorganisation neu geregelt hat, hat mehr Verständnis für die Autonomie bewiesen als unser Verfassungshüter - ob im Interesse der Freiheit der Wissenschaft oder einfach deshalb, weil es zweckmäßig ist, Entscheidungen, die eine besondere Sachkunde erfordern, in die Hand der Universität zu legen, kann hier offen bleiben, i

Tatsache ist, daß § 1 UOG in der Autonomie einen „leitenden Grundatz" für die Tätigkeit der Universität sieht und daß § 3 UOG ausdrücklich einen selbständigen Wirkungskreis anerkennt, in dem die Universität und ihre Einrichtungen nur an die Gesetze und Verordnungen gebunden sind, aber keine Weisungen von Seiten des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung entgegenzunehmen brauchen. Dieses grundsätzliche Bekenntnis zur Autonomie ist jedenfalls erfreulich. Bei näherem Zusehen stellt sich dann freilich heraus, daß der autonome Bereich, den das UOG der Universität zugesteht, ähnlich wie schon im alten HOG (Hochschulorganisationsgesetz) recht mager bemessen ist. - Die Agenden, die zum selbständigen Wirkungsbereich der Universität gehören, werden in § 3 Abs. 4 UOG taxativ aufgezählt. Alle übrigen Angelegenheiten gehören zum staatlichen Wirkungsbereich, in dem die Universtität weisungsgebunden ist.

Aus dieser Regelung wird gelegentlich abgeleitet, daß die Vermutung im Zweifel Tür die Heteronomie spreche. Das ist zumindest sehr mißverständlich. Eine ausdehnende Auslegung der Autonomiebestimmungen bleibt jedenfalls möglich, und sie ist sogar sehr naheliegend. Denn ganz abgesehen davon, daß das UOG gelegentlich Generalklauseln zugunsten der Autonomie aufstellt (vgl. § 64 Abs.2 lit. a .bezüglich Forschung und Lehre), ist das Gesetz im Zweifel eben zugunsten eines „leitenden Grundsatzes" - von einem Verfassungsgrundsatz ganz zu schweigen -auszulegen.

Aber auch bei großzügiger Interpretation ist das Ergebnis, das zugunsten der Selbstverwaltung der Universität verbleibt, immer noch kümmerlich genug und fast beschämend, wenn man unsere Autonomie mit der vieler ausländischer Universitäten vergleicht.

Echte Autonomie würde bedeuten, daß die Universität zumindest in jenen Fällen, in denen es auf besondere Sachkunde und auf wissenschaftliche Kompetenz ankommt, selbst über ihre Angelegenheiten entscheidet. Davon sind wir heute leider weit entfernt. Die Universität hat im wesentlichen eine „Antragsautonomie" - die echten Entscheidungen liegen weitgehend beim Bundesminister.

Das gilt etwa schon für den Bereich der „Selbstergänzung" des Lehrkörpers - besonders wichtig, weil hier die Zukunft der Universität auf dem Spiel steht. Das UOG gibt dem Bundesminister allzu viele Möglichkeiten, eine gezielte Personalpolitik zu betreiben.

Ein Beispiel: Bei der Berufung von ordentlichen Professoren ist der Bundesminister zwar an den Ternavor-schlag der Fakultät, aber nicht ausdrücklich an die darin vorgenommene, begründete Reihung der Kandidaten gebunden. Er kann also, ohne den Buchstaben des Gesetzes zu verletzen, sofort mit dem Letztgereihten verhandeln, wenn ihm dieser aus irgendwelchen Gründen - es können auch politische sein - besonders genehm ist. Man würde sich erwarten, daß er das Abweichen von der Reihung zumindest gegenüber der Fakultät begründen müßte. Aber nicht einmal das ist vorgesehen.

Habilitationen waren früher - aus naheliegenden Gründen - ausschließlich Sache der Fakultät. Heute gibt das UOG dem Bundesminister die Möglichkeit, aufgrund einer Berufung des Kandidaten eine „besondere Habilitationskommission" einzusetzen, die er aus Listen zusammenstellt. Diese Regelung eröffnet nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten der Manipulation -etwa die Chance, solche Personen in die Kommission zu berufen, deren Urteil von vornherein feststeht.

Die Vorschriften des AVG (Allgemeines Verwaltungsgesetz) über die Befangenheit sollten zwar auch hier gelten, aber die Universität hat keine rechtliche Handhabe, sich gegen die Mängel im Berufungsverfahren zur Wehr zu setzen. Die „besondere Kommission" ist nicht einmal verpflichtet, sich mit den Ergebnissen des ersten Verfahrens auseinanderzusetzen. Das Verfahren ist weitgehend geheim, die Fakultät erfährt nur das Ergebnis, keine Begründung. Das Ergebnis solcher Verfahren ist vorhersehbar. Tatsächlich wurden sie zumindest bisher regelmäßig mit der Habilitation des Bewerbers abgeschlossen.

Auf dem Gebiet des Budgets und Dienstpostenplans stellt das UOG eine großzügige Lösung in Aussicht: Nach § 4 Abs. 2 teilt das Bundesministerium den einzelnen Universitäten Dienstposten und Mittel zu, und es ist dann Sache des zuständigen Kollegialorgans, diese auf die einzelnen Universitätseinrichtungen aufzuteilen. Nur ausnahmsweise soll das Ministerium selbst über die Aufteilung verfügen.

Diese „Verteilungsautonomie", die seinerzeit als großer Fortschritt angepriesen wurde, steht bisher nur auf dem Papier.

Auf dem Personalsektor ist es noch zu keiner en bloc-Zuteilung von Dienstposten gekommen. Die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 2 letzter Satz UOG wird vom Bundesministerium als Regel gehandhabt. Bezüglich der außerordentlichen Professoren hat das

„Das offenkundige Mißtrauen gegen die Autonomie ist im Grunde kaum verständlich."

Bundesministerium im Widerspruch zu § 31 UOG, der erst 1978 novelliert wurde, wiederum dreißig Planstellen zentral ausgeschrieben. Sie sollen offenbar erst mit der Ernennung der Bewerber auf die einzelnen Universitätseinrichtungen aufgeteilt werden. Durch diese angesichts der UOG-No-velle 1978 fast unverständliche Maßnahme des Ministeriums wird den Universitäten eine verantwortliche Planung auf diesem höchst empfindlichen Sektor verwehrt.

Auch bezüglich der Aufteilung der Mittel ist der Durchbruch zur Autonomie noch nicht gelungen. Bei der für jeden Wissenschaftler besonders wichtigen Gebarung der Bibliotheken hat die Universität durch das UOG sogar erheblich an Einfluß verloren.

Insgesamt ist die Bilanz also nicht besonders günstig. Die Schuld ist nicht allein beim UOG zu suchen: sie liegt auch bei den Universitäten, die ihre Rechte nicht immer mit dem nötigen Nachdruck wahrnehmen, und sie liegt vor allem beim Ministerium, das sich offenbar nur schwer vom obrigkeitlichen Denken lösen kann. Das haben etwa schon die sogenannten „Durchführungserlässe" zum UOG gezeigt, die auch eindeutige Agenden des autonomen Wirkungsbereichs geregelt und damit viel Verwirrung gestiftet haben. Daß diese Erlässe insoferne dann keine verbindlichen Rechtsquellen sind, haben die Adressaten, die überwiegend nicht rechtskundig sind, vielfach erst vom Verwaltungsgerichtshof erfahren.

Das offenkundige Mißtrauen gegen die Autonomie ist im Grunde kaum verständlich. Denn das Bundesministerium hat nach dem UOG jederzeit die Möglichkeit, Beschlüsse der Universität, die Gesetzen oder (verbindlichen) Verordnungen widersprechen oder die finanziell nicht bedeckt werden können, im Aufsichtsweg zu beheben. Es hat notfalls auch weitreichende Möglichkeiten der „Ersatzvornahme" -also Handhaben, um bei Widerstreben der Universität selbst den Zustand herzustellen, der seiner Rechtsauffassung entspricht. Dieses Instrumentarium müßte wohl ausreichen, um die legitimen Interessen des Staates im autonomen Bereich der Universität sicherzustellen. Warum also nicht mehr Autonomie?

Der Verfasser ist derzeit Rektor der Universität Wien und lehrt dort Strafrecht und Kriminologie.

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