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Heiße Eisen kommen erst

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„Hinter Hütteldorf zieht sich der Weg“, sagt man in Wien. Bei der Beratung des Universitätsorganisa-tionsgesetzes scheint dieses „Ziehen“ bereits beim Westbahnhof einzusetzen. Am 15. Jänner hat der Unterausschuß des Wissenschaftsausschusses, der zur Spezialberatung der Hochschulreform eingesetzt wurde, die Diskussion mit einem großen Hearing aufgenommen. Nochmals konnten Professoren, Dozenten, Assistenten, Lektoren, sonstige Mitarbeiter und Studenten Zustimmung und Ablehnung zum UOG, ihre Vorstellungen von der notwendigen Reform vortragen, dann gingen die Abgeordneten daran, den Gesetzentwurf Paragraph für Paragraph durchzusprechen.

Acht Wochen später stehen sie beim Paragraphen 15.

99 weitere wollen noch bearbeitet werden, und nur wenige stehen so sehr außer Diskussion wie ihr letzter, der den Wissenschaftsminister mit der Vollziehung betraut. Was bisher erledigt wurde, sind die allgemeinen Bestimmungen — Grundsätze und Aufgaben der Universität, wie sie im wesentlichen bereits im Allgemeinen Hochschulstudiengesetz formuliert worden waren, dann die Rechtsstellung der Universitäten als Einrichtungen des Bundes, die Abgrenzung der Wirkungsbereiche, Budget und Dienstpostenplan, Aufsicht, Gebarungs-kon'trolle, das Verfahren in behördlichen Angelegenheiten, die Säumnis von Organen, schließlich die Bestimmungen über die Beschwerdekom-mission. Dann kamen die Detailformulierungen über die Universitäten und ihre Organisation an die Reihe: die Aufzählung der 12 Anstalten, unter denen dann auch die bisherigen wissenschaftlichen Hochschulen die Bezeichnung „Universität“ führen werden, ihre Gliederung in Fakultäten, die innere Organisation und schließlich — im Paragraphen 15 — die Regeln der Geschäftsführung.

Alle diese Punkte haben zweifellos ihre Wichtigkeit und müssen in einem neuen Organisationsgesetz ihren Platz linden. Sie enthalten aber noch nicht jenen Sprengstoff, den man in der Hochschulreform erwartet und fürchtet. Die brisanteren Materien mögen sich vielleicht schon in den nächsten Absätzen des Paragraphen 15 andeuten, die die Arbeitsweise der Kollegialorgane festlegen; sie werden sicher auftauchen, wenn es um deren Zusammensetzung geht. Oder auch bei der im Paragraphen 16 festgehaltenen Rektorswahl durch alle Universitätsangehörigen, an der heute niemand mehr Freude hat.

Ist damit rein technisch überhaupt noch die Möglichkeit geboten, wie beabsichtigt, bis zum Sommer fertig zu werden? Wollte man nur den Zeitaufwand der bisherigen Paragraphen mit dem noch offenstehenden Komplex vergleichen, käme man auf 14 Monate, die noch zur Erledigung gebraucht würden — die Ferien nicht eingerechnet. Wobei nicht berücksichtigt wäre, daß die heißen Eisen der Mitbestimmung, der Autonomie, der Universitätsverwaltung wohl noch längere Diskussionszeit brauchen als die Rechtsfragen am Anfang.

Also Sommer 1975 statt, wie erhofft, Sommer 1974?

Es wäre katastrophal, wollte man, um einen einmal ins Auge gefaßten Termin krampfhaft einzuhalten, die systematische Diskussion abbrechen und eine so diffizile, brisante Materie durchpeitschen. Das täte weder den Universitäten gut, die durch das Gesetz eine moderne, effizientere Struktur erhalten sollen, noch dem Ministerium, das die Folgen der Reform später zu verantworten haben wird. (Und das die Folgen übereilter Formulierungen in anderen Materien heute bereits leidvoll zu spüren bekommt.)

Der Rektor der Universität München, Prof. Lobkowicz, hat erst dieser Tage in einem Vortrag in Wien ein düsteres Bild verpolitisierter Reformen in der BRD gezeichnet und vor übereilten Schemreformen gewarnt. Österreich hat in vielen Punkten eine günstigere Ausgangslage als die Bundesrepublik — die Vorwegnahme der Studienreform, die Vordiskussion in der Hochschul-refoimkommission, die allgemein ruhigere Atmosphäre und nicht zuletzt die Beobachtung der deutschen Erfahrungen. Österreichs Wissenschaftspolitiker sind auf dem richtigen Weg, wenn sie sich diese Erfahrungen zunutze machen — wobei die Schlußfolgerungen absolut nicht in allen Punkten identisch mit jenen des Münchner Rektors sein müssen — und sie in die Beratung des UOG einfließen lassen. Herauskommen muß die arbeitsfähige Universität, die in der Lage ist, auch 80.000 Studenten zu Führungskräften für morgen auszubilden, damit sie als geistige Quelle der Nation wirken. Nichts anderes. Aber das ist schon genug.

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