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Die Rektorswahl und die Universitätsautonomie

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Ach, wie war es doch so schön, in jenen alten Zeiten, da man meist schon im frühen Sommersemester in eingeweihten Kreisen wußte, wer als nächster Rektor im Herbst sein Amt antreten würde. Da gab, es eine strenge Reihenfolge der Fakultäten und innerhalb derer die Anciennität der Würdigen, die sich meist selbst ausrechnen konnten, wann sie an die Reihe kämen und wer noch vor ihnen berücksichtigt werden müßte. Höchstens die Besorgnis, die Emeritierung könnte anstehen, bevor die Liste der Vorgänger abgespielt wäre,

sten Wahlgang erhielt der Kybernetiker Robert Trappl 154, der Strafrechtler Winfried Platzgummer 150 und der Geograph Ernest Troger 149 Stimmen - ein zweiter Wahlgang sollte die Entscheidung herbeiführen.

Nun hatten aber vor der Wahl einige der Wahlmänner aus der grund- und integrativwissenschaft-lichen Fakultät angefragt, ob eine Stellvertretung möglich wäre, und hatten von der Universitätsdirektion einen ablehnenden Bescheid erhalten, worauf sie - unvertreten -der Wahl ferngeblieben waren.

konnte die Vorfreude auf ein Jahr der Repräsentation trüben, ein Jahr, das sich vor allem im Vorsitz von Promotionen und Festakten dokumentierte.

Nicht erst das Universitätsorga-nisationsgesetz hat damit Schluß gemacht. Seit dem Ausbruch der Universitätsreform ist der Rektor zu einer eminent politischen Figur geworden, dem viel mehr abverlangt wird, als zu repräsentieren. Dementsprechend haben Reihenfolge und Anciennität ihre Bedeutung verloren. Das UOG hat weitere Kriterien für seine Wahl dazuge-stellt - nun muß er, als Sprecher der Gesamtuniversität, das Vertrauen von Assistenten und Studenten ebenso gewinnen wie das seiner Kollegen. Aber auch die knappen Absätze des Paragraphen 16 im UOG konnten nicht verhindern, daß die erste routinemäßige Rektorswahl nach den neuen Bestimmungen an mehreren Universitäten auf Sand lief.

Vor allem an der Universität Wien stellte sich bald heraus, was alles ohne Klärung geblieben war. Im er-

Während.der Wahl jedoch ließen sich zwei Juristen vertreten - und ihre Stimmen wurden anerkannt. Im zweiten Wahlgang erhielt Jurist Platzgummer die erforderliche Mehrheit.

Nun aber errechneten sich die Abgewiesenen, daß, wären ihre Stimmen ebenso anerkannt worden wie die der sich ebenfalls vertretenlassenden „Konkurrenz“, ihr einstiger Dekan die notwendige Stimme Vorsprung im ersten Wahlgang erhalten hätte und daß dann er in die Endrunde eingezogen wäre. ' Also fochten sie die Gültigkeit der Wahl an. Die Universität hat nun bis Ende Juli Zeit, dazu Stellung zu nehmen.

Was aber ist, wenn das Ministerium als Aufsichtsbehörde dem Einspruch stattgibt? Eine Wiederholung der Wahl kann frühestens im Oktober ablaufen. Die für die Wahl zusammengerufene Universitätsversammlung dürfte dann aber bereits gelichtet sein, da wohl etliche der Studenten- und der Assistentenvertreter inzwischen ihre Funktionen in den Fakultätsgremien beendet haben werden. Wenn dann die Absenzen - 90 von 540 - ebenso stark oder noch stärker sind als beim ersten Mal'- wird die gelichtete Uni-• *ersitätsversÄmmlung - n'och beschlußfähig sein?

Den Vorsitz in der Rektorswahl führt der (abtretende) Prorektor. Er sollte seine Funktion am 23. September dem neuen Prorektor übergeben - aber den gibt es noch nicht. Kann nun der bereits abgetretene Prorektor nochmals den Vorsitz in der nachzuholenden Wahl “übernehmen?

Fragen über Fragen, die zum Teil widersprüchlich gelöst sind, da verschiedene Ausführungsbestimmungen verschiedene Auslegungen berechtigt erscheinen lassen. Letzten Endes wird es auf die Frage ankommen, wie weit die Wahl des Rektors als autonomer Akt der Universität anerkannt wird und wie weit damit auch die Frage der Stellvertretung von dieser autonom zu regeln wäre.

Das Wissenschaftsministerium wird als Aufsichtsbehörde die Antwort der Universität zu prüfen haben. Es sitzt am stärkeren Hebel, doch dürfte am Minoritenplatz weniger die Frage entscheidend sein, welcher der Kandidaten dort größere Sympathien genießt und wen man lieber im Amtszimmer des Rektors sähe, als welche wissenschaftspolitischen Folgen die Anerkennung oder die Infragestellung der Autonomie der Universität in diesem Bereich nach sich zöge.

Zieht man dann noch die - zum Teil inzwischen überwundenen -Schwierigkeiten bei den Wahlen in Klagenfurt und in Linz mit in Er^ wägung, scheint die heurige Universitätswahlrunde eine neue Bestätigung für die Feststellung zu geben, daß das Universitätsorgani-sationsgesetz vor allem einen Wust von Bürokratismus gebracht hat und die erhoffte Demokratisierung noch auf sich warten läßt. Denn wenn von 540 Wahlmännern gleich 90 der Wahl fernblieben, läßt dieser Umstand die demokratische Begeisterung noch in etwas schwachem Glanz erstrahlen.

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