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„ÖH im Unrecht“

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Die Wahleines Rektors der Evangelisch-Theologischen Fakultät hat eine Reihe Probleme aufgeworfen, die weit über das hinausgehen, was sich in den letzten Tagen an der Wiener Universität abgespielt hat. Die Evangelisch-Theologische Fakultät hatte sich nach langen Verhandlungen auf einen DreiervorschOag geeinigt, der, wie ausdrücklich amtlich festgestellt wurde, keine Reihung, sondern lediglich eine alphabetische Ordnung gleichwertiger Kandidaten ergab. Danach lautete die Liste: Dantine,..Fitzer,, Zerbst. Es gab also keinen Spitzenkandidaten, wie auf den sogenannten Wahlplakaten der österreichischen Hochscbülerscbaft zu lesen stand: „Dantine — aufgestellt von den Studenten, Fitzer, Zerbst — auf-

gestellt von den Professoren.“ Das entsprach nicht den Tatsachen. Durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war hier ein bedenklicher Versuch der Wahlbeeinflussung gemacht worden. Zur sogenannten Vorwahl ist zu sagen, daß sie in keiner Weise ein sicheres Bild ergeben konnte. Es gab keine verschließbaren Wahlurnen, sondern Kartonschachteln, es gab kein Wählerverzeichnis, es gab keine amtliche Kontrolle. Jeder, der kommen wollte (auch für Assistenten und Professoren galt dies), konnte gegen Vorweis einer Legitimation einen Stimmzettel einwerfen. Da es jedoch keine Wählerverzeichnisse gab, erscheint die Richtigkeit der Zahl der abgegebenen Stimmen nicht gewährleistet. Es ist somit ungewiß, ob die rund dreieihalbtausend Stimmen tatsächlich dreieinhalbtausend Studenten entsprechen. Daher auch war es nicht möglich, festzustellen, wie die Stimmabgabe in den einzelnen Fakultäten war. Mit einem Wort, die Wahl war eine Farce und damit eine Blöße, die sich die österreichische Hochschiülerschaft

nicht hätte geben dürfen. Man sollte auch nicht vergessen, daß die lautstarken studentischen Kreise auf diese Weise Unruhe in den eigenen Reihen zu kaschieren trachten. Die Gesamttagung der österreichischen Hochschülerschaft in Salzburg endete mit einem Fiasko, weil die radikale Linke einfach die Tagung auseinandersprengte. Die Gebarung dar Mensa der Universität ist so dubios, daß man offensichtlich froh wair, von der Rektorswahl reden zu können. Ganz unverständlich aber ist die Haltung der Presse und des ORF. Man hat das Gefühl, daß dort einfach die Ansicht besteht, was die Professoren tun, ist schlecht, was die Studenten tun, ist großartig. Dabei sollte man sich einmal vor Augen halten, daß unsere Hochschulreform wirklich dringend notwendig ist, nur wechseln ständig die Themen, und keines wird zu Ende geführt. Ist es nicht bezeichnend, daß im Evangelisch-theologischen Dekanat während dieser Tage nur eine einzige Presseagentur telephonisch um eine Auskunft über die Personaldaten des gewählten Rektors angefragt hat? Darin sehe ich eine der großen Schwierigkeiten in den gegenwärtigen' Auseinandersetzungen. Man ist zu tendenziös und sensationell und dringt daher nicht bis auf den Kern der Sache vor. Es sei darauf verwiesen, daß, wenn die Agenturberichte stimmen, der Hochscbülersichaftskan-didat Univ.-Prof. Dr. Dantine selbst erklärt hat, daß von ihm keinerlei Reform des gegenwärtigen Systems zu erwarten gewesen wäre, hätte ihn die Wahl zum Rektor gemacht. Diese Erwägung stand offensichtlich auch der Majorität der Wahlmänner vor Augen. Dabei ist zu sagen daß diese Wahlmänner nicht nur trotzige alte Professoren, sondern auch sehr junge Dozenten sind, und auch sie haben für Zerbst gewählt. Wie man nach dem Ergebnis leicht feststellen kann. Sie alle erwarten vom gewählten Rektor tatsächlich erfolgreiche Schritte in den Fragen der Hochschulreform. Die österreichische Hochschülerschaft wäre gut beraten, wenn sie sich dies vor Augen hielte. Auch die Professoren sind für die Beibehaltung und für die Erweiterung der Autonomie und der kollegialen demokratischen Ordnung. Aber die Demokratie ist zu kostbar, als daß man sie durch eine Farce ersetzen sollte oder durch Gewalt ergänzen könnte. Das möchte ich gerne in das Stammbuch aller jener schreiben, denen die Hochschulreform ein ernstes Anliegen ist.

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