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Konzepte 1965 bis 1968

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In den letzten drei Jahren wurde eine Vielzahl einschlägiger Konzepte und Stellungnahmen vorgelegt. Eines der ersten war jenes von Vogt und Leeb im Sommer 1965, wohl das erste in Österreich, das eine Gesamtreform unter Beteiligung der Studenten anregte. Heute kann die Reformkommission, wenn sie von der Ausgangslage der gegebenen Gesetze — Hochschulorganisationsgesetz 1955 mit Novellen — startet, vor allem auf das Forderungsprogramm der österreichischen Hochschülerschaft von Obertrum (Frühjahr 1968) zurückgreifen, anderseits auf die Memoranden der Philosophischen Fakultät Wien und der Grazer Techniker, schließlich auf den auf Beratungen des Rates für Hochschulfragen basierenden Modellentwurf „Die Universität als autonomes Lehr- und Forschungsunternehmen“, den die Professoren Rudolf Strasser (Linz) und Hans Tuppy (Wien) sowie der Assistent Raoul Kneucker in eigener Verantwortung vorgelegt haben.

Der Vergleich der Beiträge aus der Anfangszeit (1965) mit den letzten zeigt, wie sehr sich der Akzent seither verschoben hat, wie immer tiefer Forderungen und Anregungen in die gewohnte Struktur einigreifen wollen — aber auch, daß die Fronten, bleibt man nur sachlich, gar nicht so weit voneinander entfernt sind, als man aus polemischen Äußerungen beider Seiten oft meinen möchte.

Sie zeigen, daß sich die Redakteure der studentischen Programme nicht von ihren radikalen Kollegen in anarchische Bahnen drängen ließen. Die österreichischen Diskussionsentwürfe zeigen aber auch, daß es wohl kaum noch einen Professor gibt, der die Notwendigkeit gewisser Reformen grundsätzlich negierte — die Meinungen gehen nur auseinander, wo und wie weit reformiert werden soll.

Die drei Themenkomplexe

Die Diskussion wird sich nun um drei Komplexe zu drehen haben: • Die Rechtsform und der innere Aufbau der Universität.

• Die Position des Universitätsprofessors und seiner Helfer.

• Die Einbeziehung der Studenten in die Gestaltung des Studienbetriebes.

Der Frage nach der Rechtsform der Universität sind die Nichtjuristen ausgewichen — wohl in Verkennung der Tatsache, daß sich ja schon hier entscheidet, was später für die Struktur als relevant angesehen wird. Der Strasser-Tuppy- Kneucker-Entwurf spricht von den Universitäten als „Einrichtungen des

Bundes, der sie errichtet, erhält und aufläßt“ und sie den Studierenden zur Benützung zur Verfügung stellt. Das ist eine völlig andere Ausgangsbasis, als sie eine „Körperschaft“ böte, wie sie in Deutschland als gegeben angesehen wird. „Auf keinen Fall bilden — in einem soziologischen Sinn — Lehrende und Lernende an der Hochschule eine Genossenschaft oder Gemeinschaft“, erklärt das erwähnte Konzept die Entscheidung. „Auch durch gesetzgeberische Maßnahmen könnte, ohne nachhaltige Eingriffe in die Inter- essenlage, eine solche Gemeinschaft nicht erzeugt werden.“

Die „Ortsuniversität“

Für die innere Struktur der Universität wird zunächst von den Studenten die Zusammenlegung aller an einem Ort befindlichen Hochschulen zu einer „Ortsuniversität“ vorgeschlagen, die dann in neue Elemente untergliedert werden sollte. Nun tritt dieses Problem in Österreich nur in Wien und in Graz auf. In Graz haben die beiden Anstalten bereits im eigenen autonomen Bereich die Zusammenarbeit angebahnt, wo sie zweckdienlich erscheint — bis zur gemeinsamen Telephonanlage und zur gemeinsamen Benützung des Rechenzentrums. Sicher wird hier noch der eine oder andere Schritt möglich sein — dafür sind keine Reformen nötig.

In Wien aber liegen die Dinge ganz anders. Die „Ortsuniversität“ hätte hier einen Sinn, wenn sie völlig neu am Stadtrand aufgebaut werden könnte. Da heute schon die Entfernungen von einem Universitätsgebäude zum andern die verfüg-

baren Pausen mehr als ausfüllen, wäre es illusorisch, etwa die Chemiker von Universität, Technik, Tierarznei und Bodenkultur in einem chemischen Zentrum zusammenzuziehen — sie brauchen ja den Kontakt zu den anderen Fächern. Trotzdem befürwortet das Wiener Philosophenmemorandum die Möglichkeit, verwandte Fächer verschiedener Hochschulen zu Forschungsund Lehreinheiten zusammenzuschließen (wie es etwa schon der Reaktor im Prater ist), wobei jedoch die Verkehrsbedingungen berücksichtigt werden müßten. Daher sollte man sachlich überlegen, ob nicht etwa eine Koordinierung der Sozialund Wissenschaften zwischen Universität und Hochschule für Welthandel oder eine Angliederung der kleinen Anstalten an größere dem Ganzen wie den Teilen Vorteile brächte.

„Subfakultäten“ und „Fachgruppen"

Weitgehende Einigkeit herrscht schon darüber, daß auch die bisher unter dem Titel „Hochschule“ laufenden Anstalten künftig „Universität“ heißen sollen. Einig ist man auch, daß die Fakultäten — vor allem die Philosophischen — in ihren Dimensionen unüberschaubar geworden sind und Unterteilungen brauchen. Die Grazer und Innsbrucker plädierten schon vor mehreren Jahren für eine Teilung in Geistes- und Naturwissenschaften nach deutschem Muster, die Wiener zögerten, schlugen dann die Schaffung von Abteilungen vor, da auch die Zweiteilung für sie noch keine Hilfe brächte.

Das Memorandum der Wiener Philosophischen Fakultät sieht nun bei Beibehaltung der Fakultät eine Verlagerung einzelner ihrer Funktionen auf „Subfakultäten" und darunter auf „Fachgruppen“ vor. Kneucker, Strasser, Tuppy einerseits, die Studenten anderseits wollen „Abteilungen“ oder „Studienabteilungen" mit den bisherigen Aufgaben der Fakultäten betrauen, wobei Kneucker, Strasser, Tuppy noch als Untereinheit die „Fachabteilung“ einschieben wollen. Viele Vorschläge, noch mehr Bezeichnungen für das gemeinsame Ziel, übersichtliche Größen zu schaffen.

Einen Streitpunkt dagegen dürfte das Institut bieten. Die Studenten, unterstützt von Kneucker, Strasser, Tuppy, wollen es als kleinste Einheit der Universität wissen, um die „Macht“ der Lehrkanzelvorstände zu brechen. Assistenten, Dotationen, Lehrmittel würden damit nicht dem Lehrstuhl, sondern dem Institut zugesprochen werden. Der Vorsitz im Institut soll rotieren. Das berührte bereits den zweiten Komplex:

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