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Alma mater Ludovica?

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Im Kernland unter der Enns steht derzeit nicht nur eine eigene Landeshauptstadt, sondern auch eine eigene Landesuniversität zur Diskussion, und zwar in drei Varianten.

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Im Kernland unter der Enns steht derzeit nicht nur eine eigene Landeshauptstadt, sondern auch eine eigene Landesuniversität zur Diskussion, und zwar in drei Varianten.

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„Alma mater Ludovica“ - so könnte sie heißen — die Universität, für die sich die niederösterreichische Volkspartei, vor allem aber Landeshauptmann Siegfried Ludwig, seit ein paar Monaten stark macht. Möglichst bald schon soll Österreichs größtes Bundesland eine eigene Hohe Schule bekommen.

Was zuerst noch wie eine der vielen Nachfolgeideen und -initiativen der neu aufgeflammten Diskussion um eine Landeshauptstadt aussah, nimmt als Projekt allmählich immer konkretere Formen an. Und das, obwohl im Gegensatz zur Forderung der Niederösterreicher nach einer eigenen Hauptstadt (bereits in den zwanziger Jahren hatten Abgeordnete für eine Loslösung von Wien plädiert), der Wunsch nach einer Universität relativ neu ist.

Der Plan ist neu, jedoch keineswegs utopisch, denn in Teilbereichen ist der Hochschulgedanke bereits verwirklicht. Schon heute besitzt das Land zahlreiche Universitätseinrichtungen und andere hochqualifizierte Ausbil-dungs- und Wissenschaftsinstitute. Dazu zählen vor allem jene der Universitäten für Veterinärmedizin und Bodenkultur, Institute der Akademie der Wissenschaften, darunter auch das für mittelalterliche Realienkunde in Krems, Institute der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft, die Hochschule für Theologie in St. Pölten, die Akademie für Umwelt und Energie in Laxenburg, das Leopold Figl-Observatorium am Schöpfl, die Militärakademie in Wiener Neustadt, das Forschungszentrum Seibersdorf, die Akademie für höhere Fortbildung in der Krankenpflege in Mödling sowie eine weitere Einrichtung der Universität Wien, nämlich die Versuchstierzucht in Himberg. Alle diese Institute könnten Anknüpfungspunkt für ein niederösterreichisches Hochschulprojekt sein.

Derzeit gibt es im wesentlichen drei verschiedene Universitäts-Pläne für Niederösterreich. Sie gehen alle davon aus, daß es sich nicht um eine herkömmliche Hochschule alten Stils mit allen wichtigen Fakultäten — theologische, philosophische, juridische, medizinische, technische oder wirtschaftliche — handeln wird.

„Es soll im besten Sinne etwas Alternatives werden“, beschreibt Professor Peter Kampits vom Philosophischen Institut der Universität Wien das Konzept. Er hat sich gemeinsam mit dem Pädagogik-Professor Marian Heitger, dem Rektor der Technischen Universität, Professor Walter Kem-merling und dem Germanisten Professor Herbert Zeman im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung Anfang Juni für eine eigene niederösterreichische Universität ausgesprochen.

„Eine mögliche Konzeption wäre, entweder in Struktur oder Themenstellung neue Schwerpunkte zu setzen“, erklärt Professor Kampits. „So könnte man beispielsweise konzentriert die ökologische Problematik, die ja weit über den bloßen Umweltschutz hinausgeht, behandeln.“

Ein weiterer Universitätsplan der Experten: Niederösterreich als eine Art Post-graduate-Aus-bildungsstätte für Lehrer und Ärzte. Außerdem könnten im

Rahmen der Bundeskompetenz einzelne Institute überfüllter Wiener Universitäten und Hochschulen nach Niederösterreich verlegt werden.

Drittes und gewichtigstes Konzept für eine niederösterreichische Alma mater ist das einer raumübergreifenden Donau-Ost-Universität. „Es soll an historisch Gewordenes angeknüpft werden, wobei Niederösterreich als Kernland Themen und Strukturen einer solchen Hochschule bestimmt. Dementsprechend müßte sich dann auch der Kreis der Lehrenden aus Österreichern und Angehörigen der Nachfolgestaaten wie Ungarn und der Tschechoslowakei zusammensetzen“, umreißt Prof. Kampits jene Idee, für die er selbst am heftigsten eintritt. „So würde eine niederösterreichische Hochschule auch nicht Gefahr laufen, nur eine Kopie oder eine Außenstelle Wiens zu sein.“

Und das wollen die Niederösterreicher ganz gewiß nicht. „Eine eigene Universität soll ebenso wie eine Hauptstadt stark zur Aufwertung unseres Landesbewußtseins beitragen“, hofft man in der niederösterreichischen Landesregierung. Dennoch war nie die Rede von einer etwaigen Landeskompetenz für die Hochschule. „Es werden keinerlei Bundeskompetenzen gefährdet sein, wenn es zur Realisierung dieser Universitätspläne kommt“, versicherte der Landeshauptmann erst kürzlich, als Wissenschaftsminister Heinz Fischer kritische Einwände erhob.

Unklarheit herrscht noch über den Standort der geplanten Hohen Schule. Entweder soll sie, in Anknüpfung an die bereits bestehenden Institute, auf mehrere Orte verstreut sein oder gemeinsam mit der Landeshauptstadt an einer zentralen Stelle errichtet werden.

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