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Digital In Arbeit

Die IIASA-Futurologen erhalten Verstärkung

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„Jede Arbeit geht bequem - mit Methode und System.“ Für moderne wissenschaftliche Arbeit ist die Wahrheit dieses simplen Reimes geradezu die Basis. Die Bewältigung der komplexen Probleme der Gegenwart erfordert mehr und mehr ein systematisches interdisziplinäres und internationales Zusammenwirken. Das erkannten schon vor über zehn Jahren kluge Köpfe in Ost und West. Ergebnis ihrer Verhandlungen: die Gründung des IIASÄ, des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse, in La-xenburg bei Wien.

Daß die Standwortwahl auf Österreich fiel, ist in erster Linie dem Neutralitätsstatus, aber auch den intensiven Bemühungen vor allem des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, das sich diesmal getrost auf die eigene Schulter klopfen darf, zu verdanken. Man verstand es, zwei Anliegen des Ressorts - Denkmalschutz und Ausbau internationaler wissenschaftlicher Kontakte - auf einen Nenner zu bringen.'

Dem neuen Institut wurde 1972 das renovierungsbedürftige Schloß La-xenburg zur Verfügung gestellt, das man seither planmäßig auf Kosten Österreichs (60 Prozent trägt der Bund, je 20 Prozent tragen die Länder Wien und Niederösterreich) adaptiert.

Dr. Norbert Rozseich vom Wissenschaftsministerium beziffert die Aufwendungen Österreichs bis zum Abschluß der Renovierungsarbeiten (wahrscheinlich vor dem ursprünglichen Termin 1981) auf durchschnittlich 17,7 Millionen Schilling pro Jahr. Auch später wird das Gastgeberland die Kosten für die Instandhaltung der Gebäude tragen müssen.

Die infrastrukturell notwendigen Maßnahmen faUen der JVLarktger: meinde Laxenburg zu. Bürgermeister Herbert Rauch-Höphffner empfindet zwar große Freude über das Institut und glaubt, daß damit für das Schloß die beste Verwendung gefunden wurde, bedauert aber ein wenig, daß praktisch alle Wissenschafter außerhalb von Laxenburg wohnen. Deshalb erhöht sich die Laxenburger Wohnbevölkerung nicht, und die Gemeinde kann bei der Verteilung der Bundeszuschüsse kein größeres Kuchenstück beanspruchen.

Die für den Institutsbetrieb (Mobiliar, Personal, Sachaufwand) erforderlichen Mittel werden zum größten Teil von den nationalen Mitgliedsorganisationen, zum Teil auch aus Stiftungen aufgebracht. 1977 belief sich das Budget auf 130,9 Millionen Schilling, mehr als 70 Prozent davon dienten wissenschaftlichen Aktivitäten.

Bei den finanziellen Beiträgen sind die derzeit 17 beteiligten Staaten (UdSSR, USA, Frankreich, DDR, Kanada, CSSR, Bundesrepublik Deutschland, Japan, Bulgarien, Polen, Italien, Großbritannien, Österreich, Ungarn, Schweden, Finnland und die Niederlande) in zwei Kategorien geteilt. Sowjets und Amerikaner zahlen mehr, alle anderen nur je 15 Prozent von dem, was eine Supermacht auf den Tisch legen muß.

Da die IIASA-Beiträge ansonsten nicht gestaffelt sind, käme für manches Land eine Mitgliedschaft teurer als die Zugehörigkeit zur UNO. Das ist nur einer der Gründe, weshalb noch kein Entwicklungsland vertreten ist. Immerhin werden, wie IIASA-Presse-referent Peter Schlifke versichert, schon seit längerem Gespräche mit dem Iran geführt.

Voraussetzung für, eine Mitgliedschaft, die genau genommen nicht das Land, sondern stets die dortige Akademie der Wissenschaften oder eine dieser vergleichbaren Institution verliehen bekommt, ist zudem eine wissenschaftliche Infrastruktur, etwa das

Vorhandensein mehrerer Hochschulen mit Lehr- und Forschungsbetrieb. Das Institut stand aber von Anfang an auch Wissenschaftlern offen, deren Heimatland noch keine Mitgliedsorganisation unterhält.

In den ersten fünf Jahren arbeiteten am IIASA über 300 großteils prominente Wissenschaftler aus 29 Staaten, die meisten davon nur kurzfristig. Nach einem stillen Ubereinkommen ist der Institutsdirektor jeweils Amerikaner (Dr. Roger Levien folgte 1975 auf Prof. Howard Raiffa), der Vorsitzende im IIASA-Rat Sowjetbürger (seit jeher Prof. Jermen M. Gvishiani, der stellvertretende Vorsitzende des Staatskomitees des Ministerrates der UdSSR für Wissenschaft und Technik).

Uber die Aufgaben des Instituts, das ausschließlich friedlichen Zwecken dienen soll, unterrichtet am besten Artikel II, Absatz 1 der IIASA-Statuten:

„Das Institut hat jene gemeinschaftlichen und individuellen Forschungsziele anzuregen und zu fördern, die sich als Folge der wissenscnaftlichen und technologischen Entwicklung für die modernen Gesellschaftsformen ergeben. Hiezu betreibt das Institut seine eigenen Studien sowohl der methodologischen wie auch der angewandten Forschung auf den verwandten Gebieten der Systemanalyse, der Kybernetik, der Betriebsforschung und der Betriebsführungsmethoden.“

Auf eine Kurzformel gebracht, bedeutet; „angewandte; Systemanalyse“ laut M ÜASA-Broscfaüre, ■>, des ^Wissen-schaftsministeriums „die Anwendung moderner, systemtheoretischer Methoden auf international und global relevante Fragestellungen und Probleme, die in vielen Fällen zu echten Fragen kollektiven Uberlebens geworden sind“.

Derzeit arbeitet man in vier Bereichen (Rohstoffe und Umwelt, Wohnstätten und Dienstleistungen, Management und Technologie, System- und Entscheidungswissenschaften) und für zwei große Programme, (Energie, Ernährung) an denen alle Einzelbereiche beteiligt sind. Das Energieprojekt unter der Leitung von Prof. Wolf Hä-fele soll zu Beginn des kommenden Jahres mit einer umfangreichen Publikation abgeschlossen werden.

Zwischen 1973 und 1977 hat das

IIASA insgesamt 463 Publikationen herausgebracht, doch fühlt sich das Institut nicht als Instanz, die politisch deutbare Aussagen zu aktuellen Fragen - wie der Kernenergienutzung -laut hinausposaunt. Privat und in den Fachpublikationen halten freilich die Wissenschaftler mit ihrer Meinung dazu nicht hinter dem Berg, und manche - etwa der Amerikaner Charles R. Bell, der seit Herbst 1975 am IIASA Studien zur Sonnenenergie betreibt -würden auch offizielle Stellungnahmen des Instituts begrüßen.

Österreichs Vertreter im IIASA-Rat, der Generalsekretär der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Univ.-Prof. Leopold Schmetterer, sieht im Standort des Instituts „für die österreichische Wissenschaft bedeutende Vorteüe“. So waren etliche am IIASA erarbeitete Studien - wie jene von Dipl.-Ing. Norbert Weyss über „Solarstrom in Österreich“ - für Österreich von unmittelbarem Nutzen, so besteht das wissenschaftliche Personal seit Beginn zu einem relativ großen Teil aus Österreichern, von denen der Statistiker Univ.-Prof. Gerhärt Bjuckmann schon wegen seiner Wahl-Hochrechnungen in breitester Öffentlichkeit am bekanntesten sein dürfte.

Nach den Plänen des Wissenschaftsministeriums soll nun Laxenburg überhaupt zu einem internationalen Wissenschaftszentrum werden. Dazu wird der Abschluß der Renovierungsarbeiten im Schloß, das dann an der Stelle des alten Schloßtheaters ein modernes Konferenzzentrum für 300 Personen besitzen soll, ein großer Schritt sein.

Ein weiterer Schritt wurde bereits mit der Einrichtung des Sekretariates der IFAC (International Federätibn for Automatic Control) gegenüber dem Schloß getan. Der IFAC gehören 38 Mitgliedsorganisationen an. Verhandlungen mit anderen internationalen wissenschaftlichen Organisationen laufen, am konkretesten mit dem Internationalen Statistischen Institut in Genf, das seine Tochtergründung IASC (International Association for Statistical Computing) eventuell in Laxenburg ansiedeln will.

Wird das Wissenschaftsministerium, das von den diversen Institutionen nur die symbolische Miete von einem Schilling pro Jahr verlangt (bisher aber nicht bekommen hat), mit dieser Politik weitermachen? „Unbedingt“, bekräftigt Dr. Rozsenich, „wenn es sich in bewältigbaren Größenordnungen bewegt.“

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