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Wissenschafter in Wien

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Wien ist aufgrund vieler bi-und multilateraler Abkommen Österreichs mit dem Ausland eine Drehscheibe der Wissenschaft. Wo aber ist die Stadt ein Ort der Begegnung zwischen Ost und West?

Die zwischenstaatlichen wissenschaftlichen Beziehungen mit einigen Universitäten und Akademien funktionieren indes reibungslos. Sie beruhen in Blickrichtung Osteuropa auf Abkommen mit sämtlichen Staaten des Ostblocks. Derartige Universitätspartnerschaften bestehen mit dem Westen auch ohne bilateralen Vertragsabschluß. Wo die ideologische Schere fehlt, werden Brücken schneller geschlagen.

Uber die Austauschprogramme des Wissenschaftsministeriums notiert der Forschungsbericht 1988 jeweils 77 Österreichaufenthalte ausländischer Wissenschafter und Auslandsaufenthalte österreichischer Wissenschafter im Studienjahr 1986/87, wobei allerdings Dozenten paradoxerweise eine niedrigere Monatsdotierung (1200 Schilling) erhalten als Professoren (1500). Ansonsten tritt das Ministerium weniger als Organisator denn als Mäzen auf.

So unterstützt es auch die „österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)“, deren Abkommen mit ausländischen Akademien eine besondere Bedeutung zukommt. Nach Wien zieht es in diesen Austauschprogrammen vor allem Historiker, Ökologen und Physiker, Ljmno-logen und Mathematiker, so Gertraud Marinelli-König von der ÖAW im Gespräch mit der FURCHE. In der Akademie bestehen verstärkte Kontakte zum Osten, aber auch Möglichkeiten, über Forschungsstipendien in die USA zu gehen.

Ein Schriftenaustausch ist auch nichts Ungewöhnliches. Erst kürzlich wurde in der National-und Universitätsbibliothek Kosovos (Jugoslawien) eine Edition der österreichischen Akademie präsentiert.

Trotz dieser innovativen Arbeit auf forschungspolitischer Ebene kann hier von keiner wirklichen Begegnung zwischen Ost und West in Wien die Rede sein. Sie findet vielmehr in Form von Grundlagenforschungen mit etwaigen personellen Kontakten zwischen Vertretern der unter-

„Nach Wien zieht es vor allem Historiker, Ökologen, Physiker, Limnologen“ schiedlichen politisch-gesellschaftlichen Systeme in vom Bund unterstützten Gesellschaften, Vereinen und Arbeitsgemeinschaften statt, die sich mit einer gesamteuropäischen Integration beschäftigen.

Deshalb hat auch Außenminister Alois Mock, bei der Verwirklichung der Mitteleuropavision sonst eher inaktiv, den „Arbeitskreis Donauregion“ für die geistige Zusammenarbeit der Donauländer ins Leben gerufen. Aus dem „Modell Donauregion“, einem Symposion des Donaufestivals mit einigen Gelehrten, soll in der „Niederösterreichischen Landesakademie“ in Krems ein Institut für kulturelle Entwicklung im Donauraum entstehen, das vielleicht auch als Koordinationsstelle für verschiedene Aktivitäten auf kultureller und wissenschaftlicher Ebene fungieren könnte. Was wiederum den Ost-West-

Beziehungen über Wien nützlich wäre.

Das „österreichische Ost- und Südosteuropa-Institut“ spielt in diesem Umfeld (eine Abteilung des Institutes soll ebenfalls in der Nö-Akademie forschen) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sein Leiter, Richard Plaschka, schrieb in einem Aufsatz der institutseigenen „österreichischen Osthefte“: „Wenn Österreich eine besondere europabezogene Aufgabe hat, dann ist es die Verbindungsfunktion im Zentrum des Kontinents.“

In diesem Sinne wird nun schon seit 30 Jahren gearbeitet (unter anderem am Forschungsprojekt „Atlas der Donauländer“).

Die Donau erweist sich als „eine übernationale Verbindungslinie der Wissenschaft im Zentrum Europas“ (Plaschka), was die vor fünf Jahren installierte, internationale „Donau-Rektoren-Konferenz“ beweist. Auch die „österreichische Rektorenkonferenz“ versucht mit einem sehr umfangreichen Veranstaltungsprogramm einen multilateralen Hochschuldialog herzustellen.

Ohne mehr oder weniger private Zusammenkünfte kann dieser allerdings kaum bestehen. Aus diesem Grund hat der „österreichische Auslandsstudentendienst“ das „International Academic Center“, eine Anlauf stelle für Gastprofessoren und ausländische Wissenschafter, gegründet.

Der „Internationale Studentenclub“ ist das Gegenstück dazu. Die Hochschülerschaft weidet sich im Gespräch mit der FURCHE in Selbstlob und in der Uberzeugung, internationale Kontakte hergestellt zu haben. Mit Fakten konnte sie freilich nicht überzeugen.

Wien als Ort der Begegnung zwischen Wissenschaftern aus Ost und West ist schwer faßbar. Das „Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse“ in Laxenburg befaßt sich mit Problemen weltweiter Bedeutung, zur Zeit mit Fragen der Umweltbelastung, und erforscht Folgen mit Hilfe von Computersimula-

,,ln Laxenburg forschen Amerikaner und Sowjets gemeinsam“ tionen. Die Organisation ist überdies die einzige, in der Sowjets und Amerikaner gemeinsam Analysen erstellen.

Schließlich führt das „Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie“ seit Jahren einen Kampf gegen den Krebs und ist eine Ausbildungsstätte für österreichische Mediziner.

Dennoch: Aufgrund der fehlenden Pflege der Kultur der wissenschaftlichen Begegnung entgeht der Metropole Wien viel an Umwegrentabilität und geistigen Einflüssen anderer Kulturen. Die Vorhaben vieler Organisationen, zur Begegnung beizutragen, sind noch immer auf die Initiativen einzelner angewiesen, wie auch Ernö Deäk von der „Akademie der Wissenschaften“ meint.

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