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Die neue Weltverantwortung

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Dieses neue Denken, diese neuen rechtlichen und moralischen Prinzipien sind aus einem neuen Gefühl der Weltverantwortung entstanden, dem sich in dieser im technischen Zeitalter räumlich so klein gewordenen Welt kein Volk entziehen kann. Dieses Gefühl der Weltver- antwortung ist ein Korrelat zu dem Gefühl der Weltbedrohung, die seit dem Bestehen der Atombombe, wie eine dunkle Wolke, über der Menschheit schwebt.

Gerade in einem Augenblick, da wir in Österreich an eine Neugestaltung und Ausweitung der kulturellen Beziehungen zum Ausland schreiten, ist es richtig, sich die eigenständige, autonome Rolle der Kultur in den Beziehungen der Völker untereinander in Erinnerung zu rufen. Es ist gewiß nicht unrichtig, zu sagen, daß Auslandskulturpolitik ein Teil der Außenpolitik ist. Aber sie ist nicht nur das, und sie ist vor allem viel mehr als das. Auslandskulturpolitik soll und darf gerade angesichts dieser neuen Denkprinzipien nicht bloß als ein technisches Instrument der Außenpolitik, das je nach politischer Opportunität zu handhaben ist, betrachtet werden. Im folgenden soll versucht werden, unsere Gegenwartsaufgaben sowohl auf bilateralem wie auch auf multilateralem Sektor zu skizzieren.

Die bilateralen Aufgaben

Für die bilateralen Aufgaben haben wir Anknüpfungspunkte geographischer, historischer und politischer Natur. Geographisch gesehen erfreuen wir uns einer zentralen Lage im europäischen Raum. Wir können allerdings nicht einfach übersehen, daß dieses geographische Faktum einer natürlichen Mitte auf diesem Kontinent überlagert wird durch das Phänomen der politischen Randlage, in die uns die politische Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg gedrängt hat. Um diese Schwierigkeiten auszugleichen, die sich aus der natürlichen Berufung Österreichs im Donauraum und den Hemmnissen politischer Natur ergeben, müssen wir an den Beginn unseres Bekenntnisses zur kulturellen Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarstaaten die Feststellung setzen, daß wir bewußt als Träger freier demokratischer Lebensform westlicher Prägung in

Erscheinung treten und die kulturelle Begegnung durch keine wie immer geartete Konzession auf ideologischem Gebiet einzuhandeln gedenken. Was wir akzeptieren können, ist ein natürlicher, freier und von keinen durch bloß propagandistische Moitive bestimmter Dialog — ein Dialog, der unter dieser Voraussetzung selbstverständlich auch denkbar ist — zwischen Menschen gegensätzlicher Ideologien und gegensätzlicher Weltanschauung.

Für diese unsere Auslandskulturpolitik müssen angesichts der bescheidenen budgetären Mittel, die uns zur Verfügung stehen, Schwerpunkte gesetzt werden. Es erscheint uns selbstverständlich, daß Österreich in den geistigen Zentren Europas und Amerikas, also etwa in Paris, London, Rom, New York und Moskau präsent zu sein hat. Aber in diesen genannten Orten sollten und müssen wir nicht stärker und nicht schwächer vertreten sein als andere an aktiver Kulturpolitik interessierte Länder. Hingegen gibt es Intensivzonen der österreichischen Auslandskulturpolitik, bei der die geschilderte besondere geographische, historische oder politische Stellung Österreichs Möglichkeiten eröffnet, die von uns besser als von anderen wahrgenommen werden kann. In diese Intensivzone gehören die Länder unserer östlichen Nachbarn, dite Länder des Donauraumes sowie ebenfalls aus historisch traditioneller Bindung die Länder des nahen Ostens. Ich möchte betonen, um kein Mißtrauen zu erwecken, daß wir die intensiveren kulturellen Beziehungen mit diesen Ländern selbstverständlich nicht als einbahnig betrachten und die Reziprozität im Geben und Nehmen anstreben. Als konkrete Möglichkeiten in diesen Zonen, österreichische Auslandskulturpolitik zu betreiben, möchte ich erwähnen, daß wir in einer ersten Ausbaustufe daran denken, durch Ernennung von Kulturattaches einerseits gegenüber den Regierungen dieser Staaten zu manifestieren, daß wir an einer Vertiefung der kulturellen Kontakte interessiert sind, andererseits uns aus der Präsenz solcher Kulturattaches eine intensivere Fühlungnahme mit den kulturellen Faktoren in diesen Ländern erhoffen. Eine nächste Phase der Ausweitung unserer Beziehungen zu diesen Ländern wäre die Einrichtung von neuen Kulturinstituten oder, wo dies noch nicht möglich ist, wenigstens von österreichischen Leseräumen.

Schließlich aber möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinwei-

sen, daß Österreich selbst und vor allem hier in besonderem Ausmaß die Bundeshauptstadt Wien durch Schaffung und Ausbau entsprechender Einrichtungen in einem erhöhten Ausmaß ein internationaler Treffpunkt im Schnittbereich zwischen Ost und West werden könnte.

Die multilateralen Aufgaben ln der internationalen Entwicklung seit Beendigung des zweiten Weltkrieges haben die internationalen Organisationen auf allen Gebieten auf dem politischen, dem wirtschaftlichen, nicht zuletzt aber auch auf dem wissenschaftlichen und kulturellen Sektor eine Bedeutung erfahren, wie sie vorher nie erreicht wurde. Deshalb ergeben sich auf dem Sektor der multilateralen Beziehungen neue Möglichkeiten und demgemäß auch erhöhte Verantwortungen für uns. Österreich hat es daher nicht unterlassen, in allen internationalen Organisationen auf dem Gebiete der Erziehung und

Wissenschaft, Kultur und Kunst mitzuarbeiten, und wir gedenken gerade jetzt, da sich mein Ressort in erhöhtem Ausmaß mit der Wahrnehmung der kulturellen Auslandsbeziehungen befaßt, diese Mitarbeit noch nachhaltiger, noch intensiver zu gestalten. Unter den bestehenden internationalen Organisationen schenken wir unsere besondere Aufmerksamkeit der UNESCO, dem Europarat, der OECD, soweit sie sich mit der Wissenschaftspolitik befaßt, und dem CERN.

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