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Forum europäischen Geistes

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Schon im 15. Jahrhundert wurden durch die Erzbischöfe von Salzburg Versuche unternommen, eine Universität zu errichten. 1623 eröffnete Erzbischof Paris Lodron am Tage Allerheiligen die Universität, der durch kaiserliche Bestätigung die gleichen Privilegien wie den Universitäten von Wien, Paris, Köln und anderen zuerkannt wurde. Zwei Jahre später kam durch Papst Urban VIII. die Genehmigung. Es bestand eine theologische, juridische und eine philosophische Fakultät, 1804 trat erst eine medizinische hinzu. Das Universitätsgebäude wurde 165 5 fertig, und um die Wende des 17. Jahrhunderts entstand Fischer von Erlachs Kollegienkirche. Diese alte Salzburger Universität hat zeitweise überaus starken Zuspruch erfahren und stand hinter Wien und Leipzig nicht viel zurück. Aus Salzburg sind 4644 Doktoren, 6942 Bakkalauren und 11.712 Philosophen hervorgegangen. Unter den Hörern der Universität befanden sich Abraham a Sancta Clara, Prokop Diwisch, der den Blitzableiter erfand, Liebenberg, Wiens Bürgermeister während der zweiten Türkenbelagerung, der Byzan-tinist Fallmerayer und Leopold Mozart. Sein Sohn trat als Fünfjähriger in der Aula als Sängerknabe auf und schrieb für das Universitätstheater „Apollo und Hyazinth“. 1810 wurde die Universität durch königlich bayrisches Dekret aufgehoben.

Die geplante neue Salzburger Universität, deren Kollegiengebäude schon heuer im Spätherbst gebaut werden soll, weil die alten Räumlichkeiten den Erfordernissen modernen Studienbetriebes nicht gerecht werden können, wird in einer Zeit wie der gegenwärtigen, die technischer Fortschritt und soziale Umschichtung kennzeichnen, ein einheitliches Weltbild erarbeiten. Die überzeitlichen Wahrheiten der Offenbarung sollen wissenschaftlichen Bestrebungen den Sinn und die Entfaltung geben. Die Katholische Universität steht demnach durchaus weltoffen und verantwortungsbereit da. Sie wird aber noch ein kaum zu unterschätzendes Kennzeichen tragen: die internationale Basis, den Blick auf Europa, für dessen Gestaltung und Erziehung sie das geistige Forum sein wird. Eine Reihe von Persönlichkeiten des europäischen Lebens haben bereits zum Ausdruck gebracht, daß Oesterreich entsprechend seiner geschichtlichen Wirksamkeit und der geographischen Stellung berufen ist, diese in die Zukunft weisende Universität zu hüten.

Die Finanzierung der Albertus-Magnus-Uni versität wird auf internationaler Grundlage organisiert. In Oesterreich selbst hat den Ge danken dieser Hochschule der Katholische Universitätsverein bewahrt, der in knapp dre: Jahren seinen Mitgliederstand von 400 auf 24.000 erhöhte. Der Verein besitzt in Parsch Gründe. Sie dürften vermutlich, der Entfernung halber, weniger für das Kollegiengebäude als für die Wohnhäuser dej Professoren Verweh' dung finden. Nur eine zweckentsprechende würdige Unterbringung sichert der Universität jene Lehrkräfte europäischen Formats, die sie braucht. Ein Stifterfonds wird es ermöglichen, schon jetzt an die Ausbildung künftiger Universitätsprofessoren zu denken und Wohnungen für die Studenten zu bauen. Gönner und Freunde haben bei der Errichtung neuer Hochschulen immer eine Rolle gespielt. An der Dichte und dem Eifer privaten und öffentlichen Mäzenatentums wird man ablesen können, was Oesterreich für die Bildung eines geistigen Europas zu tun bereit ist. Unumgänglich wird dabei freilich sein, daß unsere Finanzbehörden die Widmungen steuerlich in Rechnung ziehen.

Der Lehrplanentwurf sieht vor: die Errichtung einer philosophischen und einer rechtswissenschaftlichen Fakultät moderner Prägung. Zuerst wird die philosophische Fakultät errichtet. Sie wird das Weltbild der Zeit in steter Auseinandersetzung mit allen Strömungen der Gegenwart konfrontieren und dabei auch einer Heranbildung verantwortungsbereiter Lehrer für Schule und Volksbildung Augenmerk schenken. Sowohl Philosophie, Ethik und Naturrecht, Psychologie (unter Beachtung des Films, des Rundfunks und Fernsehens, wohl auch des Theaters) — im Zusammenhang mit Fragen der Massenpsychologie — als auch Soziologie und die wichtige Erziehungswissenschaft werden gelehrt. In der geisteswissenschaftlichen Sektion verdienen Hervorhebung die Slawistik und die Zeitungswissenschaft. Bei der Geschichte (die alte Salzburger Universität war die einzige katholische, die bereits im 17. Jahrhundert Geschichte als Lehrfach einführte) kommt dementsprechend der Geschichte des osteuropäischen und des Orientalen Raumes besondere Bedeutung zu.

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