6772166-1969_07_05.jpg
Digital In Arbeit

Ein Monat nachher

Werbung
Werbung
Werbung

Die Hochschulwahlen in die Körperschaft öffentlichen Rechtes, österreichische Hochschülerschaft, sind schon lange vorüber. Wenn man den Siegesberichten und den oberflächlichen Betrachtungen glauben würde, dann ist alles beim alten geblieben. Aber sind 41 Prozent NichtWähler ein „Sieg“?

Vielleicht kommt man langsam doch darauf, daß 41 Prozent der Hochschulwählerschaft genauso wie die Mehrheit jener, die noch einmal zur Wahl gingen, eine tatsächliche Neuordnung der Hochschulen wünschen, nicht aber Anarchie, unter welchem Titel immer sie heute in hohlen Schlagworten hinausgebrüllt wird.

Man wird sich aber auch über etwas noch ins klare kommen müssen: Der Ausgangspunkt und das Zentrum aller dieser Exzesse ist die Wiener Universität. An keiner einzigen anderen Hohen Schule Österreichs ereignen sich seit einem Jahr Vorkommnisse, die auch nur im entferntesten an das heranreichen, was an der Alma Mater Rudolphina geschieht. Sollte das nicht auch zu denken geben? Es müßte einmal ausgesprochen werden, daß alle änderen Hochschulen, akademische Funktionäre und Studenten, den Beweis erbracht haben, daß sie für diese Art von Reformanarchie, wie sie sich auf der Wiener Universität abspielt, kein Verständnis haben. Wer die Hintergründe etwas kennt, weiß auch, daß für dieses Versagen in Wien viele Ursachen zu nennen sind. Zunächst einmal waren die beiden letzten Rektorswahlen — man soll es einmal offen aussprechen — ein interner Kampf verschiedener Professorengruppen, deren sich dann mit Wonne Funktionäre der Hochschülerschaft bedienten, um selbst mitzumischen. 1967 wurden die bekannten und auch in Hochschulver-waltungsangelegenheiten wie auch in ihren wissenschaftlichen Leistungen durchaus an erster Stelle stehenden Professoren Plöchl und Pütz von der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät abintrigiert, wobei es heute zahlreiche Stimmen gibt, die klar und eindeutig sagen, daß viele Exzesse des vergangenen Jahres an der Universität nicht zustande gekommen wären, wenn einer der beiden als Rektor der Universität und nicht als Rektor der Studenten fungiert hätte.

Man wird dem gegenwärtigen Rektor Kraus zubilligen müssen, daß er ein sehr undankbares Erbe angetreten hat. Man wird aber auch sagen müssen, daß das Amt eben eine Verantwortung für die Gesamtiiniversi-tät mit sich bringt, die man tragen muß, wenn man das Amt übernimmt. Gerade die letzten Exzesse wären zu verhindern gewesen, wenh man wirklich am Platz gewesen wäre. Und das war nicht der Fall. Einzig die Personalvertretung der Universität war schließlich imstande, den bedrängten Rektoratsbeamten vor schweren Schädigungen zu bewahren. Heute aber von einem Studentenulk zu sprechen, wo strafbare Handlungen anscheinend gesetzt wurden, das ist zu wenig. Studenten und akademische Funktionäre müssen sich endlich im klaren sein, daß es so nicht weiter geht. Man muß auch bedenken, daß die Universität kein immuner Raum ist, auf dessen Boden sich Exzesse abspielen können, weil angeblich die Polizei nicht eingreifen darf. Das ist eine Utopie: Wenn akademische Funktionäre und Studenten nicht selbst imstande sind, die Ordnung aufrechtzuerhalten und Personen und Sachen vor tätlichen Angriffen zu schützen, dann haben sie das Recht verwirkt, sich auf die Freiheit des akademischen Bodens zu berufen.

Das muß einmal deutlich ausgesprochen werden. Die Hochschulreform ist notwendig; auch die akademische Freiheit. Und der alte Zopf muß weg. Aber die Wiener Universität soll wieder zum leuchtenden Vorbild der Wissenschaft und des Fortschritts werden, nicht aber zu dem, was sie derzeit ist: eine Keimzelle der Hochschulanarchie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung