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Rektorswahl — zweimal Farce?

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Am 30. Juni wählten die professora-len Wahlmänner der Wiener Universität den evangelischen Theologen, Prof. Dr. Fritz Zerbst, zum Rektor für das Studienjahr 1969/70. Die eine Seite der versteiften Front, der man das Zugeständnis der formalen Rechtmäßigkeit ebenso wie das Attest des diplomatischen Ungeschickes einräumen muß, wird um ihren Teil der Verantwortung an den zu erwartenden stürmischen Herbstwochen nicht herumkommen; diese verstärkte ölzufuhr ins Feuerchen der Genossen Kowalski, Lehmann und Co. wird mehr entfachen als die schlichte antidemokratische Stellungnahme des VSSTÖ, „alle ' fortschrittlichen Studenten aufzufordern, Prof. Zerbst nicht als Rektor anzuerkennen und gegen die Ausübung seines Amtes geeignete Schritte einzuleiten“. Diese Hetze gegen den immerhin einwandfrei, wenngleich anscheinend als Trotzreaktion gewählten Rektor weist darauf hin, daß jener Gruppe demokratische Methoden nur dann behagen, wenn ihrer Auffassung damit zum Durchbruch verholfen werden kann, andernfalls sie bedenkliche Zuneigung zu Terrormaßnahmen an den Tag legt.

Undankbar ist die Aufgabe der österreichischen Hochschülerschaft, die trotz des Mottos der „progressiven Mitte“ der mandatsstärksten Studentenunion zwischen zwei Mühlsteine zu geraten droht. Der Legitimität ihrer Forderung nach studentischer Mitbestimmung auch bei der Rektorswahl steht derzeit noch mangelnde Legalität gegenüber, wobei abzuwarten ist, ob der Führungswechsel am Minoritenplatz eine Gesetzesinitiative bezüglich eines neuen Hochschulorganisations-gesetzes beschleunigen kann. Dem Großteil der eher konservativen Professorenschaft dünkt das Fortschrittsstreben der Studentenvertreter immer noch suspekt und revolutionär, während von links die Vorwürfe der Saumseligkeit und mangelnden „Progressivität“ immer lauter werden und als Damoklesschwert den Reformstrebern das sichere Gefühl verleihen, im Falle der Erfolglosigkeit ihrer bis dato noch sicheren Mehrheit, vor allem bei den jüngeren Semestern, verlustig zu gehen.

Sohlechter Verlierer

Zu dieser von Haus aus unglücklichen Konstellation tritt nun noch die Tatsache, daß mit dem neugewählten Rektor ein Mann an die Spitze der Universität berufen worden ist, dessen Handikap außer einer voreingenommenen Studentenschaft in der fragwürdigen Reaktion des unterlegenen Prof. Dantine und damit auch in einer Zerrissenheit der Professorensehaft besteht, über den die Optik des Wahlergebnisses (20:3) nicht hinwegtäuschen kann. Besonders bedauerlich ist in diesem Zusammenhang zu vermerken, daß gerade in einer so unruhigen Zeit die Suche, nach dem für dieses heikle Amt geeignetsten Mann mit Rücksicht auf gesetzlich nicht fundierte, traditionsgebundene Konventionen auf drei Kandidaten der evangelischtheologischen Fakultät beschränkt worden war, was als weiteres sicheres Indiz für politisches Nichtein-fühlungsvermögen in den Kreisen der akademischen Lehrerschaft hindeutet. Dieser Vorwurf ist auch dem „Studentenrektor“ nicht zu ersparen: wer im Pittesrmann-Stil nach einer Niederlage von einer „unglücklichen Wahl“ spricht, ist zumindest der unglücklichen Wortwahl zu zeihen, wenn auch seiner Prognose, daß die „radikalen Kräfte in Zukunft stärker werden“, ein hoher Gehalt an Wahrscheinlichkeit zukommt. Es ist müßig, zu spekulieren, inwieweit die Wahlempfehlung der „Volksstimme“ dem progressiven Professor Wahl-männerstimnien gekostet hat, ob intinepotisitische Erwägungen den Vater des ÖSU-Mandatars unterlie-

gen ließen oder ob gar Neid und Mißgunst gegenüber dem aus dem üblichen wissenschaftlichen Schattendasein schon seit geraumer Zeit sich ins Rampenlicht schiebenden Theologen ausschlaggebend waren. Optimisten verbleibt bloß die vage Hoffnung, daß dem Nachfolger des glücklosen Rektors Prof. Dr. Walther Kraus Fortuna ihre Hand reichen möge und der Ordinarius für praktische Theologie in dem angekündigten heißen Herbst jenen kühlen Kopf bewahren kann, der innerhalb des Watolmännergrernius offensichtlich nicht vertreten war. Jene Galgenfrist, die sich die öster-

reichische Rektorenkonferenz am vergangenen Freitag in Salzburg setzte, ist mit der für September geplanten Klausurtagung in Baden präliminiert. Es scheint dies die letzte Chance, durch eine Einigung auf einen der ventilierten Reformvorschläge den Studenten eine Beruhigungspille zu verabreichen; selbst wenn sich die radikalen Kräfte demgegenüber immun zeigen dürften, besteht noch die Aussicht, durch Einlenken der immer noch vorhandenen gemäßigten Mehrheit den guten Willen anzudeuten und so vielleicht auch einen Schritt in Richtung Verständigung zu riskieren.

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