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„Sieg über den Schweinehund…

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Wie man am sichersten zu Schlagzeilen gelangt, zeigte Ordinarius Prof. Dr. Hannes Mayer von der Hochschule für Bodenkultur. Nicht etwa, daß ihn eine fundamentale wissenschaftliche Erkenntnis berechtigterweise ins Rampenlicht geschoben hat; daß ihm der Nachweis gelungen ist, wie unberechtigt manche Forderungen der Studentenschaft seien; der Weg war viel einfacher: er fühlte sich von einer Pauschalhetze des Journalisten Dr. Karl Steinhäuser anscheinend am meisten betroffen und reagierte emotionell sowie rational etwas abwegig mit einer Herausforderung zum sportlichen Zweikampf.

Zugegebenermaßen strotzt der Leitartikel der „Bilanz”, des offiziellen Organs des Zentralausschusses der österreichischen Hochschülerschaft, von polemischen Anschuldigungen gegen die akademischen Lehrer: von „patriarchalischer Arroganz so mancher Professoren” ist die Rede, vom Fehlen der „Präsenz der Vernunft” an den Universitäten. Der Lehrbetrieb wird als „ungemein primitiv, um nicht zu sagen, dumm”, bezeichnet. Die Polemik gipfelt in der Aussage, „die Professoren wühlen im Colonia- kübel der Geschichte”, seien Konservieret „eines Wissens, das nichts anderes ist als die historische Akkumulation von Irrtümern, und verrammen in ihrer Borniertheit das Tor zum Fortschritt, weil sie vermeinen, in ihren Gehirnen bereits der Weisheit letzten Schluß aufgespeichert zu haben.”

Der Artikel versucht allerdings, nachdem er durch einen Strom von Beleidigungen den Boden für eine sachliche Argumentation wohl vorbereitet zu haben glaubt, eine Reihe von Alternativen zu bieten, um zweifelsohne bestehenden Mißständen mittels konstruktiver Vorschläge zu Leibe zu rücken. Die Zweckmäßigkeit einer solchen Vorgangsweise, jemanden, der am längeren Ast beziehungsweise am gesicherten Lehrstuhl sitzt, zuerst zu beleidigen und dann Verständnis für seine Anliegen zu fordern, ist wohl stark in Frage zu stellen.

Reaktionen der Professorenschaft zeigten sich in gewohnter Weise vom „nicht einmal ignorieren” über Persiflierung des Artikels bis zur nachdenklichen Betrachtung. Mit einer Ausnahme, die dem Ansehen der akademischen Lehrer nicht dienlich sein dürfte und dem Vorwurf der „Akademischen Dekadenz” neue Nahrung zuführen könnte.

In einer brieflichen Stellungnahme an den Hochschülerschaftsvorsitzenden Bieler verwahrt sich Prof. Dr. Mayer gegen „den Mißbrauch der Pressefreiheit” und fühlt sich „in seiner Ehre tief verletzt”. Er fordert Satisfaktion und glaubt diese in einem „zeitgemäßen Duell in Form eines sportlichen Wettkampfes” zu erlangen. „Aus pädagogischen Gründen” hält der Genugtuung heischende Professor einen „Skilanglauf über die klassische Distanz von 42,2 Kilometer” dafür prädestiniert.

Geringfügig nur ist der Irrtum über die klassische Distanz des „Skimarathons”, die nämlich 50 Kilometer beträgt. Schwerwiegend jedoch der über den Sinn dieser den Verdacht einer publicity-orientierten Vorgangsweise hervorrufenden Aktion. Abgesehen davon, daß die „Forderung” weder gegen den Verfasser der diffamierenden Zeilen noch gegen den verantwortlichen Redakteur der Zeitschrift, sondern gegen den offiziellen Vertreter der Studentenschaft erging und somit über den persönlichen Rahmen hinaus zu einer Prestigeangelegenheit zwischen Professoren und Studenten aufgewertet werden soll, scheint folgende gedankliche Verwirrung bedenklich. Was in einem solchen sportlichen Wettkampf bewiesen werden kann, ist wohl eindeutig: nur wer an diesem Tage der bessere Skilangläufer ist und nichts anderes. Welch ein Ehrbegriff, der durch einen etwaigen Sieg in diesem „Duell” in voller Makellosigkeit erstrahlt, was für bescheidene Genugtuung für einen Mann, der anscheinend seine wissenschaftliche Befähigung angezweifelt sieht und nach einer solchen Rehabilitierung strebt!

Diese Verlagerung der Auseinandersetzung von der Ebene des Geistes auf die der Loipe hat einen weiteren traurigen Aspekt. Kann dieses Beispiel Schule machen, wäre der Hochschulreformkommission zu empfehlen, den Konferenzraum mit dem Wienerwald zu vertauschen und pädagogische Läuterung in einem kräfteraubenden Sport zu suchen. Vielleicht bringt der „Sieg über den inneren Schweinehund”, den Prof. Mayer seinem Kontrahenten wünscht, auch neue Erkenntnisse über Berufungsverfahren und Prüfungspraktiken an den Hochschulen, vielleicht stärkt das wachsbegünstigte Dahingleiten auf den „Bretteln” die demokratische Gesinnung, deren Fehlen manchen Professoren schon vorgeworfen wurde. Wie wäre es mit einem Fußballspiel zwischen Akademischem Senat und einer Studentenauswahl unter dem Motto: „Für den Hattrick die Drittelparität!”

Ist es nicht beschämend für die Professorenschaft, daß der einzige Exponent aus ihren Reihen auf die übertriebenen Vorwürfe mit in ihren Grundzügen gewiß vorhandener sachlicher Berechtigung nichts anderes zu bieten hatte als die Verlagerung auf Volksfestebene? War es etwa der Zweck des Artikels, eine solche Fehlreaktion zu provozieren und freut man sich schon auf die Stunden, in denen der Professor zum Gaudium der Studenten für die Ehre der Wissenschaftler seine Kilometer herunterzuspulen versucht?

Etwas weniger Sportgeist und mehr Geist wäre für eine Auseinandersetzung über so schwerwiegende Probleme durchaus am Platze.

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