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In der ,vorökumenischen’ Zeit…

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Die Glosse von DDr. Willy Lorenz über „Der vergessene Rektor und die Auswirkungen“ in der „Furche“ (Nr. 48/1971) veranlaßt mich nun, das bisherige Schweigen über die Vorgeschichte der Wahl eines evangelischen Rektors zu brechen. Das Problem kam zum ersten Mal in die Diskussion, als das dann 1955 vom Nationalrat beschlossene Hochschulorganisationsgesetz in Vorbereitung stand. Das war in den Jahren 1953/54, damals war der Hochschulreferent Dr. Heinrich Drimmel. Die evangelisch-theologische Fakultät war sehr benachteiligt. Im akademischen Senat war sie nicht durch drei Mitglieder, sondern nur durch den Dekan vertreten, bei der Wahl zum Rektor wurde sie immer übergangen.

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Die Glosse von DDr. Willy Lorenz über „Der vergessene Rektor und die Auswirkungen“ in der „Furche“ (Nr. 48/1971) veranlaßt mich nun, das bisherige Schweigen über die Vorgeschichte der Wahl eines evangelischen Rektors zu brechen. Das Problem kam zum ersten Mal in die Diskussion, als das dann 1955 vom Nationalrat beschlossene Hochschulorganisationsgesetz in Vorbereitung stand. Das war in den Jahren 1953/54, damals war der Hochschulreferent Dr. Heinrich Drimmel. Die evangelisch-theologische Fakultät war sehr benachteiligt. Im akademischen Senat war sie nicht durch drei Mitglieder, sondern nur durch den Dekan vertreten, bei der Wahl zum Rektor wurde sie immer übergangen.

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Der erste Schritt zu einem Abbau dieser Einschränkung wurde bei den Verhandlungen zu dem neuen Hochschulgesetz im akademischen Senat der Universität Wien und im Ministerium getan, als die evangelisch-theologische Fakultät beantragte, daß in Hinkunft Dekan und Prodekan im Senat vertreten sein sollten. Auf einen Senator wurde mit Rücksicht auf die Kleinheit der Fakultät verzichtet. Im Zuge der Verhandlungen wurde ich selbst zu einem Sprecher beim Ministerium. Die Entsendung von zwei Wahlmännern statt wie bisher einem in das Wahlkollegium für die Rektorswahl wurde durchgesetzt. Im November 1954 hielt der nunmehrige Altbischof Dr. Gerhard May in der österreichischen Gesellschaft für Kirchenrecht einen Vortrag über verschiedene Probleme und Wünsche der evangelischen Kirche, wobei er auch darauf hinwies, daß die Evangelischen auf akademischem Boden ebenfalls die Gleichberechtigung erwarten, was wohl am besten zum Ausdruck gebracht würde, wenn es auch einen evangelischen Rektor geben würde. Da in diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über das neue Protestantengesetz 1961 im Ministerum betrieben wurden, war diese Anmeldung der akademischen Gleichberechtigung durch den evangelischen Bischof eine sehr eindeutige Mahnung.

Auf akademischem Boden gab es allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten und es ist daher erklärlich, daß die evangelische Fakultät damals an die „Furche“ ein Schreiben richtete, weil sie fürchtete, daß durch diese Publizität sich der Widerstand verhärten würde. Es gab zwei sehr radikale Richtungen. Als nach der Befreiung Österreichs im Frühjahr 1945 wieder der Turnus der Rektorswahl, beginnend mit der katholischtheologischen Fakultät, einsetzte, verzichtete die katholisch-theologische Fakultät auf die Nominierung eines Kandidaten. Sie tat dies damals in durchaus begreiflicher Absicht, um Professor Dr. L. Adamo- vidi, den hochverdienten Juristen und nachmaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, den Vorrang einzuräumen, der dann tatsächlich eineinhalb Jahre lang in blendender Weise das Rektorat führte. Dieser Verzicht wurde jedoch von einer bestimmten Richtung zum Anlaß genommen, überhaupt die Wahl eines Theologen zum Rektor für die Zukunft auszuschließen, wie dies übrigens an einer anderen Universität vorübergehend vor dem zweiten Weltkrieg der Fall gewesen ist. Es wurde eine Reihe von Argumenten ins Treffen geführt, darunter auch das sehr einfältige, daß die Theologie keine exakte Wissenschaft sei.

Als nun nach Promulgation des Hochschulorganisationsgesetzes die Frage wieder aufgegriffen wurde, zunächst privat, darunter auch von mir und dem Kirchenrechtler der katholisch-theologischen Fakultät, Univ.-Prof. DDr. Franz Arnold, zeigte es sich, daß die Gegner der theologischen Wahlkandidaten das Haupt erhoben. Wiederum zeigte es sich, daß Theologen überhaupt von der Rektorswahl ausgeschlossen werden sollten. Wir hatten damals richtig erkannt, daß die Frage der Wahl eines evangelischen Theologen zum Rektor gleichzeitig auch die entscheidende Frage auslöste, ob weiterhin Theologen überhaupt wählbar seien. In den zuständigen akademischen Gremien versuchte man, die Frage zunächst dahingehend zu lösen, daß man sagte, die Theologen sollten sich dies untereinander ausmachen und wenn die katholischen Theologen von Zeit zu Zeit zugunsten eines evangelischen Theologen verzichten wollten, so sei das ihre Sache. Gegen einen neuen Turnus traten sehr viele Gegner auf. Anderseits war in dieser „vorökumenischen“ Zeit noch keineswegs eine Stimmung vorhanden, den Evangelischen ein derartiges Recht einzuräumen. Es ließen sich da viele groteske Ergänzungen zu dieser Erklärung machen. Vor allem der sehr brave, zugleich aber auch sehr intransigente Professor Pater Jelau- schek, der seither verstorben ist, war der große Sprecher gegen die evangelischen Theologen. Das war schon bei den Verhandlungen zum Hochschulorganisationsgesetz zum Ausdruck gekommen. Trotzdem gelang es, einen Kompromiß zu finden, wonach der bisherige Turnus der Fakultäten, der den Kandidaten für die Rektorswahl vorschlagen sollte, insofern zugunsten der Evangelischen abgelehnt wurde, als in jedem Jahr- zent einmal auch ein evangelischer Theologe zum Rektor gewählt werden sollte. Dieser Zeitpunkt trat erstmals für das Studienjahr 1957/58 ein. Nun gab es aber neue Schwierigkeiten. Der Rektor des Studienjahres 1956/57, der selbst evangelisch war, sich aber mit dem Gedanken trug, katholisch zu werden, wobei er allerdings voraus’setzte, daß die Aufnahme in die Kirche durch den Nuntius erfolgen sollte, was wiederum zu Jurisdiktionsschwierigkeiten führte, lehnte kategorisch die Wahl eines evangelischen Theologen ab und unternahm auch alles, um solch eine Wahl zu verhindern. Statt dessen sollte ein Mediziner gewählt werden.

Die Sitzung des Wahlkollegiums wurde damals zu einer großen Schlacht der Geister. Unter dem Vortritt eines sehr bekannten Mitgliedes der philosophischen Fakultät wurde die Wahl eines evangelischen Theologen kategorisch abgelehnt. Man konnte schon vor der Sitzung hören, so sagte mir dies ausdrücklich Professor Jelauschek, daß auch die katholisch-theologische Fakultät unter keinen Umständen für diese Wahl eintreten könne, während in den Gesprächen in den Couloirs deutlich zum Ausdruck kam, man sollte endlich die Wahl der Theologen ausschließen. Professor Fitzer von den Evangelischen hatte damals in blendender Weise das Recht der Evangelischen verteidigt und zugleich den Kandidaten Professor Dr. Erwin Schneider präsentiert. Das Pech wollte es für die Gegner dieser Wahl, daß der von der medizinischen Seite in Aussicht genommene Kandidat gleichfalls Protestant war. Es war nämlich eines der Argumente aus dem Kreise der katholisch-theologischen Fakultät, daß unter einem evangelischen Rektor keine theologischen Promotionen stattfinden könnten, was bei einer engen Auslegung der Promotionsvorschriften tatsächlich so gedeutet werden konnte. In diesen Auseinandersetzungen war es vor allem das geschlossene Auftreten der Juristen, das in der damals noch homogenen und kleinen Fakultät möglich war, das positiv wirkte. Ich war von den Juristen zum Sprecher bestimmt worden und konnte somit mit einigem Gewicht, von Univ.-Prof. Dr. Merk! unterstützt, unseren Standpunkt darlegen, der für die Wahl sprach. In diesem Gremium war es auch, daß Univ.-Prof. Arnold sich für die Wahl des evangelischen Amtsbruders aussprach und darauf hinwies, daß im Senat in dieser Richtung in bezug auf den Turnus ein Gentlemen’s Agreement erreicht worden war, und wer eben ein Gentleman ist, so schloß Arnold seine Ausführungen, der wird sich daran halten — „ich werde Schneider wählen“.

Die Wahl fiel tatsächlich zugunsten von Univ.-Prof. Dr. Erwin Schneider aus, der nebstbei ein persönlicher Freund von Arnold war. Diese Haltung Arnolds ist besonders hervorzuheben, weil er damit tatsächlich riskierte, von der eigenen Fakultät nicht als Kandidat aufgestellt zu werden. Das war dann auch wirklich der Fall, und als für das Studienjahr 1962/63 Univ.-Prof. Dr. Franz Arnold zum Rektor gewählt wurde, stand sein Name nicht auf der Vorschlagsliste der katholisch-thologischen Fakultät und er wurde nur mehrheitlich gewählt. Es war selbstverständlich, daß die beiden evangelischen Wahlmänner für ihn stimmten. Als Arnold dann als Prorektor starb, war es daher begreiflich, daß an seinem Leichenbegängnis die evangelische Fakultät in corpore’ vertreten war. Es hat übrigens noch ein internes kirchliches Zwischenspiel gegeben. Die Gegnerschaft des damaligen Nuntius Erzbischof Dellepiane gegen die Wahl eines evangelischen Theologen zum Rektor war bekannt, und Arnold und ich bekamen dies dann auch zu fühlen. Trotzdem habe ich Dellepiane sehr verehrt und geschätzt und ich muß offen gestehen, das Sterben dieses Jannes im vollen Bewußtsein der unheilbaren Krankheit ist heute noch für mich ein Beispiel menschlichen Heldentums. Das ist auch die Ursache, daß Kardinal König nur vertraulich Arnold und durch Arnold mir die Zustimmung und Ermunterung gab, für die Wahl eines evangelischen Theologen zum Rektor zu stimmen. Kardinal König hat damit auch wieder ein Zeichen seiner echt ökumenischen Gesinnung gesetzt. Ich glaube schließlich nicht fehl zu gehen, daß er sich schützend vor Arnold und mich stellte, als der Versuch unternommen wurde, unser Eintreten für die Wahl eines evangelischen Theologen zum Rektor der Universität Wien . zum Gegenstand einer Untersuchung ..von .römischen. Behörden zu machen. Es waren eben damals in „vorökumenischer“ Zeit noch andere Kräfte am Werk. Kein Wunder daher, daß man heute mit den nachkonziliaren ökumenischen Spitzenreitern im Kreise der katholischen Kirche nicht mehr Schritt halten kann. Quod erat demonstrandum.

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