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Dank — und Erwartung

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Kaiser Franz I. war es, durch dessen Entschluß im Jahre 1821 die „K. K. Protestantisch-Theologische Lehranstalt“ begründet werden konnte. (Bis dahin mußten die evangelischen Pfarrer im Ausland ausgebildet werden.) Schon 1850 erhielt diese den Status einer Fakultät, 1861 das Pro- motionsreoht, erst 1922 erfolgte die Inkorporation in den Verband der Wiener Universität.

Was hier an Forschung und Lehre geleistet wurde, war nicht nur für Österreich bedeutsam, da die vielen an der Wiener Fakultät ausgebildeten Theologen auch das Gesicht des Protestantismus im Südosten Europas bestimmten.

Im Vergleich zu den Jubiläumszeremonien von 1921 mit „deutschnationalem“ Kommers, war die am vorvergangenen Mittwoch im Großen Festsaal der Wiener Universität abgehaltene Feier intimer, obwohl der Saal mit Freunden der evangelischen Fakultät fast gefüllt war. Die Gäste und Gratulanten begrüßte Dekan Dr. Karl Lüthi. Beide zuständigen Bundesminister, die ihr Erscheinen zugesagt hatten, mußten sich wegen einer gleichzeitig stattfindenden Nationalratssitzung entschuldigen lassen. Um so herzlichere Worte fand ihr Vertreter, Sektionschef Dr. Brunner, Leiter der Hoch- schulabteilung im Bundesministerium für Unterricht. Der prominenteste Gratulant von katholischer Seite aber war Universitätsprofessor DDr. Dordett in seiner Eigenschaft als Rektor und als

Vertreter der katholischen theologischen Fakultät, mit der seit Jahrzehnten die besten freund- nachbarlichen Beziehungen bestehen. Brauchen wir heute überhaupt noch theologische Fakultäten? Wer so fragt, dem wird eine beschämende Antwort aus den Oststaaten zuteil, wo Universitätsprofessoren ihre Abschaffung beklagen und sich wünschen, daß an die Stelle des rein fachlichen ausgerichteten „Technikums“ möglichst bald wieder die alte universelle Universitas, samt Theologie, treten möge …

„Dank und Erwartung“ war das Thema der beiden Festvorträge von Univ.-Prof. Dr. Zerbst und Univ.-Prof. DDr. Dantine. Der Dank galt dem österreichischen Staat, dem alten und dem neuen, der den evangelischen Christen seit dem Toleranzpatent Josephs II. vollkommene Duldung gewährt hat. Aus der Duldung wurde in den letzten Jahrzehnten eine echte Freundschaft, eine Bruderschaft der Konfessionen im Sinne der Ökumene. Was die Redner an Wünschen aussprachen, war, was das Materielle betrifft, bescheiden. Nur andeutungsweise war von innerkirchlichen Problemen die Rede, genauer: vom Verhältnis zwischen Kirchenleitung und einigen Mitgliedern der Fakultät, zwischen denen es, wie man weiß, in den letzten Jahren Spannungen gegeben hat. Kurz und prägnant formulierte die Stellung der kirchlichen Autorität Bischof Sakrausky mit den Worten „disciplina et doctrina“, während Prof. Dantine zwar von der Autonomie der Forschung sprach, aber doch die Notwendigkeit der steten Verbindung zu den zu betreuenden Kirchenmitglie- dem betonte.

HELMUT A. FIECHTNER

Im Ganzen war es eine würdige Feier, ohne Phrasen und ohne Polemiken, an der sich, als Gratulanten, auch der Vertreter der Evangelischen Kirche HB, Landessuperintendent Gyenge und ein Vertreter der Studentenschaft beteiligten. Festlich war auch das Spiel der Kammermusikvereinigung der Wiener Symphoniker, die Streichsextett- Sätze von Brahms, Dvorak und Richard Strauss vortrugen.

Im Anschluß an den Bericht meines Freundes Helmut Fiecht- ner, muß ich noch eine kleine Episode aus dem Leben der Evangelisch-Theologischen Fakultät erzählen, die gleichzeitig eine heitere Episode in meinem Leben gewesen ist und außerdem einen der wenigen journalistischen Erfolge darstellt, die ich erringen konnte. Durch einen Zufall hatte ich im Jahre 1956 entdeckt, daß die Wiener Evangelisch-Theologische Fakultät niemals einen Rektor stellte, obwohl sie seit 1922 eine vollgültige Fakultät der Alma mater vindobcmensis war. Das störte mein juristisches Denken und ich schrieb in der Nummer vom 31. März 1956 einen kleinen Querschnitt unter dem Titel „Der vergessene Rektor“, in dem ich kurz und bündig forderte, man möge doch auch dieser Fakultät endlich das Recht zuerkennen, im Turnus einen Rektor zu stellen. Ich sandte den Artikel an die Evangelisch-Theologische Fakultät und bekam ein Schreibenin dem sich die Fakultät einerseits bedankte, aber anderseits gleichzeitig doch etwas zitternd mitteilte, man wolle durch diese an sich be rechtigte Forderung doch keinen Sturm heraufbeschwören. Ich war etwas verblüfft über diese Bemerkung und ahnte nicht, daß dieser Sturm tatsächlich schon im Anrollen war. Rektor war damals Professor Jellouschek von der Theologisch-Katholischen Fakultät, der an Dr. Funder einen tadelnden Brief schrieb, man möge solche Vorschläge doch nicht hinter seinem Rücken publizieren. Dr. Funder, der an sich der Sache positiv gegenüberstand (er hatte allerdings den Artikel vor dem Druck nicht gelesen), war dieser Vorwurf des Rektors sehr peinlich, denn er mußte ihm im Grunde recht geben. Er war wiederum wütend auf mich, und wenn ich nicht schon Generaldirektor gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich noch schärfer mit mir gesprochen als er dies tat. Außerdem hatte er eine ganze Reihe von anonymen Briefen bekommen, die ihm vorwarfen, er verrate die katholische Kirche und müßte eigentlich aus dem CV ausgeschlossen werden. Man schrieb eben noch das Jahr 1956 und von dem ökumenischen Denken, das mit dem Zweiten Vatikanum begann, war noch wenig zu spüren. Auch der damalige Nuntius Monsignore Dellepiane muß auf mich sehr böse gewesen sein, er war ein Genueser, dessen Temperament manchmal mit ihm durchging. Seinen Groll hörte ich noch aus den sehr vornehm gehaltenen Vorwürfen seines Uditore, Monsignore Cesare Zacchi (er ist heute Charge d’affaires in Kuba). Meinen Einwand, daß es doch besser wäre, wenn einmal ein frommer Protestant Rektor wäre, statt eines atheistischen Mediziners, widerlegte er mit scholastisch geschliffenen Beweisen. Böse auf mich war auch der damalige Kirchenrechtler der Katholisch-Theologischen Fakultät, Professor Arnold.

Bei einem Empfang auf der Nuntiatur überschüttete er mich mit Vorwürfen. „Communicatio in sacris“, war noch der mildeste dieser Vorwürfe. Um ihn zu beruhigen, brachte ich ihm dauernd Sekt. Nach dem sechsten Glas wurde er wirklich ruhiger und sagte schließlich resigniert: „Wenn das durchgeht, komme ich um mein Rektorat." Und dann geschah ein österreichisches Wunder: Die Juristen retteten wieder einmal die Situation. Vor allem der damalige Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel. Er fand, daß ich mit meiner Argumentation recht habe und setzte es durch, daß auch der Evangelisch- Theologischen Fakultät das Recht zuerkannt wurde, den Rektor zu stellen. Der erste Rektor war Professor Schneider, der im Jahre 1958 und 1959 „herrschte“. Während seines Rektorates hielt er eine Gedenkrede auf Pius XII., die ein Katholik nicht schöner hätte halten können. Professor Arnold wurde trotz seiner Befürchtungen doch auch noch Rektor und Dr. Funder wurde in Artikeln und Briefen als der große weise Mann gepriesen, der durch die irenische Haltung seiner „Furche“ viel zum Frieden zwischen den Konfessionen beitrage. Er zeigte mir lächelnd die Briefe und sagte mir, daß eigentlich ich diese Briefe hätte erhalten sollen. Ich möge ihm außerdem wegen seiner seinerzeitigen Stellungnahme nicht gram sein. An sich hätte er mein Anliegen durchaus unterstützt, nur hätte ich wirklich vorher den Rektor der Universität fragen sollen. Womit Dr. Funder ja vollkommen recht hatte. Die 150-Jahr-Feier der Theologisch-Evangelischen Fakultät der Wiener Univerrität sei deshalb Anlaß, auf diese heitere Episode, die kaum in einer Chronik verzeichnet ist. einmal hinzuweisen.

WILLY LORENZ

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