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Kulturwochen — übersichtlich betrachtet

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Die Salzburger Hochschulwochen sind zu Ende gegangen. Die Schlußwoche mit je einem pädagogischen und medizinischen Kurs verzeichnete einen Besuch, wie man ihn den vorangegangenen philosophischtheologischen Wochen schon ob ihres bedeutsamen Gehalts willen gern gewünscht hätte.

Hier scheint eine Erwägung am Platze: Das gegenwärtige kulturelle Leben in Österreich leidet an einer merklichen Zersplitterung. Vordem besaßen die Salzburger Hochschulwochen eine Art Monopolstellung und hatten ein Einzugsgebiet von fast 90 Millionen Menschen. Heute ist der Radius praktisch auf 6,5 Millionen beschränkt. Dabei müssen sich die Salzburger Hochschulwochen noch mit acht bis neun ähn- lichen Veranstaltungen teilen, die fast zu gleicher Zeit oder kurz hintereinander in jedem Bundesland, auch dem kleinsten, irgendwie abgehalten werden. Das ist nicht nur eine Verschwendung von Kraftaufwand, sondern auch eine für die Wirkung schädliche Zerspaltung. Diese Üppigkeit an Kulturwochen leistet sich kein anderer Staat. Mit Recht schreibt Kanonikus Dr. Leonhard Steinwender in dem kirchlichen Organ der Salzburger Erzdiözese: „Die Hochschulwochen treten leider nicht in jenem Ausmaß in Erscheinung, das ihnen irgendwie ein Weltecho des festlichen Salzburg sichern könnte, als eine unbedingt notwendige Unterbauung der Salzburger Festspiele. Wirtschaftliche Momente allein können gegen das Einschrumpfen einer so großzügig gedachten und begonnenen Idee nicht ins Treffen geführt werden. Salzburg braucht gerade während der Festspiele auch ein Zentrum ausstrahlender katholischer Weltgestaltung. Ist es daher tragbar, daß fast jedes Bundesland gleichzeitig eine halb internationale katholische Tagung veranstaltet, die eine wirklich großzügige Idee in Einzelaktionen aufiöst und jede Wirkung zerflat- tert? Hier einen Wandel zu schaffen, ist eine große Aufgabe der kirchlichen Zentralbehörden, und richtig gesehen: der einheitlichen katholischen Aktion."

Heute muß man ernstlich fragen, haben selbst die glänzenden Vorträge der Pädagogischen Woche genügend Dank erhalten? Ist ihr Wert nur einigermaßen genügend ausgeschöpft worden? So etwa der vortreffliche Vortrag Direktor Prof. Ludwig Haensels zur Fragestellung: „Ist Erziehung ohne Weltanschauung möglich? Läßt sich in Anbetracht der unzähligen Weltanschauungen religiöser und anderer Art, eine einheitliche Basis finden? Oder ist vielmehr die Lösung in der freien Entwicklungsmöglichkeit der Schulen der verschiedenen Gruppen zu suchen, bei bloßer Überprüfung der wissensmäßigen Belang durch den Staat?“ — Es darf nicht ein Vortrag, der naturgemäß seine Wirkung in der unmittelbaren Zuhörerschaft, nicht zuletzt in der unmittelbaren persönlichen Fühlung zwischen Sprecher und Hörer haben soll, durch Zeitungswiedergaben, zumal wenn sie auszüglich sind, .ersetzt werden. Dasselbe wie von dem Vortrag Direktor Haensels kann von den meisten der gleichen Reihe gesagt werden; so wenn Prof. Doktor Friedrich Schneider, der Leiter des Internationalen Instituts für vergleichende Erziehungswissenschaft Salzburg, über „Allgemeine und berufliche Selbsterziehung“ sprach, oder Prof. E oktor Karl Ho 1 za m er, Mainz, über „Grundfragen der Lehrerbildung“, und der Rektor der Universität Wien, Hofrat Prof. Dr. Richard Meister das historische Bild Vinzenz Mildes, des ersten bürgerlichen Fürsterzbischofs von Wien, zeichnete, der an einer österreichischen katholischen Restauration mitwirkte und seiner Zeit soweit voraus war, daß seine Forderungen bezüglich der Gefängnispädagogik in den Jugendgefängnissen bis heute noch nicht oder noch nicht hinreichend verwirklicht wurden.

Über „Erziehung zu Toleranz undzum Fried e n“ sprach Bibliothekardirektor Dr. H. Schiele aus Trier seht1 beachtliche Worte. Er ging von der Persönlichkeit und dem Wirken des großen Bischofs J. Michael Sailer aus, der mit seinen Ideen das Aufklärungszeitalter überwand. Für ihn bedeutete Toleranz niemals Verflachung und auch nicht bloße Duldung, sondern Achtung und Anerkennung. Sailer war der Ansicht, daß man in jedem Angehörigen. einer fremden Religion den Menschen sehen müsse. In jedem ehrlichen Angehörigen einer fremden Religion sei ein Funke der einen Religion, die durch Christus im höchsten Licht erschienen ist. — An Stelle gehässiger Polemik war in ihm das Bewußtsein lebendig, daß Katholiken und Protestanten Brüder 6ind. Dieser konfessionelle Friede setzt eine Gesinnung voraus, zu der der junge Mensch erzogen werden muß. An Stelle eines negativen Antiprotestantismus muß der katholische Erzieher die schöpferischen Kräfte der christlichen Liebesgesinnung treten lassen, um so die entstehenden Spannungen zu mildern und aufzuheben.

Aus Nancy in Frankreich war Prof. P. Antoine Huchot gekommen, um damit, wie er sagte, einen Dank an Österreich abzustatten und zu versuchen, der Persönlichkeit, dem Werk und der Gegenwartsbedeutung des großen Gründers der Schul- brüder, Jean Baptiste de La Salla, in einer Vorlesung gerecht zu werden.

Von den Vorträgen des Nachmittags haben schon thematisch die Ausführungen von Dr. W. Christian Schneider über „N u Wege der Verwahrlosten-

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