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NGEBORG GAMPL / PROGRESSISTIN WIDER WILLEN

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Als sich Dr. Charlotte Leitmair 1947 als erste Frau an der juridischen Fakultät in Wien für Kirchenrecht habilitierte, war dies eine Sensation. Wenn heute eine Frau erstmals an eine katholisch-theologische Fakultät berufen wird, dann widmet die Kath- press diesem Ereignis zehn Zeilen. Was früher als Gefahr für männliche Privilegien gewertet wurde, wird heute fast als Selbstverständlichkeit empfunden.

Die Frau, die nunmehr eingeladen wurde, das Sommersemester 1966 an der Universität Mainz für Professor May zu supplieren, heißt Dr. Ingeborg G ampl, derzeit ao. Universitätsprofessor für Kirchenrecht an der juridischen Fakultät in Wien. 1929 geboren, absolvierte sie ihr Studium in Wien, wurde 1949 wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Plöchl, promovierte 1952, stieg 1954 zur Assistentin auf und habilitierte sich, 1960 mit einer Arbeit über „Adelige Damenstifte“. Verschiedene Aufsätze in der österreichischen Zeitschrift für öffentliches Recht und im österreichischen Archiv für Kirchenrecht sowie eine Abhandlung über „die Rechtsstellung der Kirchen nach österreichischem Recht“ zählen zu ihren wissenschaftlichen Leistungen. Erst kürzlich wurde sie zur Mitarbeit am evangelischen Staatslexikon eingeladen.

Prof. Gampl ist in jeder Hinsicht eine bemerkenswerte Frau. So entspricht sie kaum dem Bild, das man sich im allgemeinen von einer Hochschulprofessorin macht, und gilt doch zugleich als eine der gefürchtetsten Prüferinnen der Fakultät. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Voriges Jahr ging sie bei einer von der Vereinigung ehemalige Altschotten veranstalteten Rätselfahrt als Erste durchs Ziel. Heuer reichte es nur für den zweiten Platz. Außerdem ist sie Trägerin des einzigen päpstlichen Ehrenzeichens, das auch Frauen zugänglich ist, „pro ecclesia et pontifi.ee“.

Ihre Domäne ist das Staatskirchenrecht. Ein Gebiet, das .immer wieder Anlaß für Konflikte bot. Das gegenwärtige Verhältnis von Staat und Kirche hält Prof. Gampl für äußerst günstig und hebt besonders hervor, daß sich der derzeitige Status so weit von den Modellen früherer Perioden fortentwickelt hat, daß eine eigene Bezeichnung — laut Prof. Gampl „Konkordanzsystem“ — gerechtfertigt wäre.

Als längst fällig bezeichnet Dr. Gampl die geplante und bereits in Angriff genommene Kodexreform, da sich seit der Promulgation des kirchlichen

Gesetzbuches sehr viel geändert hat.

Das Porträt wäre unvollständig, würde man es nicht zum Anlaß nehmen, die Frage nach der Stellung der Frau in der Kirche zu behandeln. Prof. Gampl bezeichnet ihre Karriere selbst als ein Zusammentreffen glücklicher Umstände. Zu ihrer Studienzeit war es beispielsweise noch ziemlich aussichtslos für eine Frau, die Richterlaufbahn einzuschlagen, ganz unabhängig von etwaigen fachlichen Qualifikationen. In der Kirche jedoch liegen die Dinge etwas anders, meint sie; diese habe Jahrhunderte bestanden, ohne daß Frauen Positionen in der Hierarchie bekleideten, sie würde es auch weiter tun können. Doktor Gampl ist also keine ausgesprochene Progressistin und meint, die Stellung der Frau in der Kirche sei keineswegs eman- zipationsbedürftig. Außerdem zeige ihre Berufung, daß die Kirche in dieser Frage jetzt ohnedies keine absolut starre Haltung falls auch Frauen Stellungen mehr einnehme und gegebenen- offenstünden, die bisher Männern vorbehalten waren.

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