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Bleibt Wien Zentrum der Kontakte zu Orthodoxie?

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Vom 19. bis 24. September findet in Regensburg der IV. Kongreß der Gesellschaft für das Recht der Ostkirchen statt. Nach einem Vorbereitungskongreß 1970 in Rom wurde 1971 in Wien der erste Kongreß abgehalten und die Gesellschaft gegründet. Seither ist ihr Sitz Wien. Die internationale Bedeutung wurde überraschend schnell erreicht. Die Gesellschaft zählt heute zu ihren Mitgliedern - ausschließlich Kirchenrechtler und am Kirchenrecht interessierte Persönlichkeiten - Orthodoxe, Altorientalen und Katholiken sowie interessierte evangelische Christen, von Südamerika und Australien bis zu den indischen Ostkirchen. Bemerkenswert ist auch die Verbindung zu den Kirchen in den volksdemokratischen Ländern. Aus all diesen Gründen erwies sich Österreich gerade wegen seiner jahrhundertealten Beziehungen zu den Ostkirchen als echter Angelpunkt, was auch allgemeine Anerkennung fand. Gerade das Zusammenwirken von Fachleuten aus den verschiedenen Kirchen und das Fehlen theologischer Kontroversen gab und gibt der Gesellschaft eine außerordentlich wichtige Aufgabe.

Wenn es sich auch nicht so spektakulär nach außen manifestiert, wird hier doch eine sehr fruchtbare, für das gegenseitige Verständnis und für die Gemeinsamkeiten nützliche Arbeit geleistet. Sie findet ihren Niederschlag nicht nur im Jahrbuch „Kanon”, das derzeit in Verbindung mit dem kirchenrechtlichen Institut der Wiener Rechtsfakultät herausgegeben wird, sondern auch in der nicht unbedeutenden Rechtsentwicklung. Das trifft vor allem auf die päpstliche Kommission in Rom zu, die sich mit der Kodifikation OstkirchemjBęhtąfųtdie die Oberhoheit des Papstes anerkennenden Ostkirchen befaßt, wie für die Rechtsentwicklung in anderen Ostkirchen. Übrigens gehören der Ostkirchenrechtskommission in Rom eine Reihe von Mitgliedern der Gesellschaft im höchsten Gremium als auch in den Arbeitsausschüssen an, darunter als Beobachter aus den nicht zur katholischen Kirche gehörenden Ostkirchen der Prälat der Wiener armenisch-apostolischen Gemeinde Dr. Mesrop Krikorian, der auch Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft ist.

Auch die Tagungsthemen spiegeln deutlich das Bestreben wider, zu gemeinsamen Auffassungen zu gelangen und weiterzuentwickeln. Der I. Wiener Kongreß hatte „Die gemeinsamen Quellen des Rechtes” zum Thema. Der II. Kongreß in der orthodoxen Akademie auf Kreta 1973 behandelte die Synoden. Der III. in Ravenna 1975 beschäftigte sich mit dem Anteil der Laien an der Leitung und Verwaltung der Kirchen. Damals ging man auf einen dreijährigen Turnus über, so daß der IV. Kongreß erst heuer in Regensburg abgehalten wird und sich mit den Problemen der Autonomie und Autoke- phalie in den Ostkirchen beschäftigen wird.

Regensburg ist aus verschiedenen Gründen besonders gut gewählt. Bischof Dr. Grober ist der Initiator eines eigenen ostkirchlichen Instituts. Professor Dr. Peter Landau vertritt das Kirchenrecht an der Regensburger Rechtsfakultät. Dazu kommt noch die gute finanzielle Fundierung durch die deutsche Bundesregierung, den Freistaat Bayern und die katholischen und evangelischen Kirchenleitungen.

Das Problem Autonomie und Auto- kephalie spielt gerade in den Ostkirchen eine sehr entscheidende Rolle. Christus hat nur eine Kirche gestiftet. Durch verschiedene Ursachen ist im Laufe der Geschichte eine Aufgliederung, zum Teil Aufspaltung der Kirchen eingetreten. Es gibt heute leider weder eine Westkirche, noch eine Ost kirche, auch wenn man dies manchmal nicht wahrhaben will.

„Autonomie” bedeutet eine weitgehende Eigenständigkeit vor allem in Regierung und Verwaltung, aber auch eine mehr oder minder ausgeprägte partikulargesetzliche Selbständigkeit. „Autokephalie” bedeutet rechtliche Unabhängigkeit von anderen Kirchen trotz theologischer und sakramentaler Zusammengehörigkeit. Die Grenzen verfließen oft. Die Kirche Griechenlands etwa ist autokephal und anerkennt den ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel nur als Ehrenoberhaupt. Die griechisch-orthodoxe Kirche für Nord- und Südamerika hingegen ist autonom, anerkennt jedoch den ökumenischen Patriarchen und den Heiligen Synod als oberste Instanz.

Es ist erklärlich, daß ein so schwieriges Thema auch besonders gute Bearbeiter braucht. Das ist für den IV. Kongreß wieder gegeben. Nach einer Einführung durch Professor Peter Landau (Regensburg) sprechen Msgr. Dr. Paul Mai (Regensburg) über die Stellung der Stadt zum Osten und Professor Christoph Link (Salzburg) über die Rechtsgrundlage der Ostkirchen in der Bundesrepublik. Mit Professor Wilhelm De Vries (Rom) beginnt der eigentliche Themenkreis, wozu dann Metropolit Professor Panteleimon Ro- dopoulos (Saloniki), Prälat Mesrop Krikorian (Wien), Professor Georg Ne- dungatt (Indien-Rom) sprechen werden. Die Gegenwartslage der Ostkirchen wie auch der katholischen Kirche wird durch drei Referate untersucht: Professor Hermenegild Biedermann (Würzburg), Msgr. Victor Pospishil (USA) und Professor Klaus Mörsdorf (München). Dozent Stefan Dymsa aus Leningrad wird den Standpunkt der orthodoxen Kirche Rußlands vertreten. Den Abschluß bilden vier Vorträge: Universitätsdozent Richard Potz (Wien), Professor John Erikson (New York, orthodox), Hans Dombois (Heidelberg) und Professor Yves Congar (Paris-Rom). In diesen Vorträgen wird das Thema noch einmal eingehend aus juristischer Sicht (Potz), vom Standpunkt der Evangelischen (Dombois), der Katholiken (Congar) und der Orthodoxen (Erikson) beleuchtet.

Es besteht alle Ursache, auch diesem Kongreß der Gesellschaft für das Recht der Ostkirchen eine günstige Prognose zu stellen. Nur ein schwerer Schatten lastet über der Veranstaltung: die Tatsache, daß die Wiener Rechtsfakultät nun schon das zweite Jahr mit der Frage der Neubesetzung des Ordinariats für Kirchenrecht nicht zu Rande kommt, bringt es mit sich, daß die Zukunft des Ostkirchenrechts an dieser Fakultät in Frage gestellt ist. Man hat bisher kein Interesse gezeigt, dieser Fachrichtung, die seit der Berufung des Professors Zhizhman 1867 immer vertreten wurde, weitere Chancen einzuräumen. Das ist besonders bedauerlich, weil gerade die neue juristische Studienordnung im Rahmen der europäischen Rechtsgeschichte dem Wahlpflichtfach Kirchenrecht auch als Dissertationsfach neue Möglichkeiten eröffnet. Dazu kommt noch, daß das Wissenschaftsministerium und Minister Firnberg stets Interesse und Hilfe geleistet haben, besonders angesichts der Tatsache, daß das Institut für Kirchenrecht internationale Bedeutung erlangt hat. Wird die Hauptversammlung der Gesellschaft in Regensburg Wien weiterhin als Sitz der Gesellschaft belassen?

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