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Frau und Forschung

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Seit der Gründung der österrei­chischen Akademie der Wissenschaf­ten haben erst zwei Frauen Eingang in diese „Gelehrtenrepublik“ gefunden. Die eine, die Physikerin Univ.-Prof. Berta Karlik, ist seit einigen Jahren Mitglied der naturwissenschaftlichen Klasse der Akademie. Kürzlich wurde nun die Wiener Theaterwissenschafte- rin Univ.-Prof. Margret Dietrich in die philosophisch-historische Klasse aufgenommen. Eine Tatsache, die, stolz vermerkt, durch die gesamte hei­mische Presse ging.

Denn rund ein Jahrhundert, nach­dem Frauen das Universitätsstudium ermöglicht wurde, ihnen also auch die wissenschaftliche Laufbahn offen­stand, sind so hohe Ehren noch im­mer eine Seltenheit.

„Ich war allerdings schon 16 Jahre lang korrespondierendes Mitglied der Akademie. Die Kontakte zu den an­deren Mitgliedern waren immer gut,

ich hatte nie den Eindruck, daß man mir aufgrund meines Geschlechts mit Vorurteilen begegnet wäre“, meint dazu Margret Dietrich, eine Wissen- schafterin, der man vor etwa acht Jah­ren auch das Akademie-Institut für Publikumsforschung anvertraut hat­te.

Tatsächlich sorgt neben Vorurtei­len vor allem die Tradition dafür, daß die Frau in der Wissenschaft noch kraß unterrepräsentiert ist, obwohl immerhin hierzulande eine Frau das entsprechende Ressort leitet. Wie in vielen anderen Bereichen führt auch an Österreichs hohen Schulen die Frau ein Schattendasein. Es gibt näm­lich nur 33 ordentliche und außeror­dentliche weibliche Professoren an den Universitäten, was einem Pro­zentsatz von lediglich 2,5 entspricht.

Etwas besser, wenn auch noch lan­ge nicht befriedigend, sieht die Stati­stik bei den Universitätsassistentin­nen aus. 4.100 Männern stehen 700 Frauen gegenüber, insgesamt kann al- ’ so bald ein Anteil von 15 Prozent er­reicht werden. In manchen geisteswis­senschaftlichen Fächern sind Assi­stentinnen schon zu 28 Prozent vertre­ten, in technischen Disziplinen mitun­ter kaum zu fünf Prozent.

Traditionalisten werden sofort ver­suchen, hier einzuhaken und meinen, Frauen seien eben nur für ihre „ange­stammten“ weiblichen Bereiche wie Sprachen, Kunst oder bestenfalls noch Kinderheilkunde geschaffen. Doch man verbindet gerade mit den ganz großen Wissenschafterinnen wie Marie Curie, Lise Meitner oder Mar­garet Mead auch andere Bereiche.

Bestätigen also Ausnahmen die Re­gel, oder sind es ganz andere Fakto­ren, die es Frauen ermöglichen, in Be­reiche einzudringen, die nicht als ihre „ureigensten“ gelten? Zweifellos spielt einerseits besondere Begabung eine große Rolle. Anderseits ist gerade die Umwelt, die Förderung durch El­tern, Ehemänner, Brüder und die Er­mutigung durch Kollegen und Freun­de ausschlaggebend.

Eine der ersten uns bekannten Wis­senschafterinnen, die Philosophin und Mathematikerin Hypatia von Ale­xandria (370-415), war die Tochter des Mathematikprofessors Theon. Als erste Frau hielt sie philosophische Vorlesungen in Alexandria. Im Mit­telalter wieder bot die Abgeschlossen­heit mancher Klöster den Frauen die Möglichkeit zu intellektueller Ent­wicklung und wissenschaftlicher Tä­tigkeit. Die naturwissenschaftlichen Schriften der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179), die auch als Dichterin und Musikerin sehr begabt war, gelten heute noch als kulturge­schichtlich bedeutend.

Lucretia Karoline Herschel (1750-1848) etwa, die erste bekannte Astronomin der Neuzeit, war die Schwester des Astronomen Wilhelm Herschel, des Entdeckers des Planeten Uranus. Sie selbst unterstützte ihren Bruder bei seiner Arbeit und fand selbst acht Kometen.

Einer der ersten bedeutenden Tro­penforscher war eine Frau. Maria Si­bylla Merian (1647-1717) aus der be­rühmten Schweizer Maler- und Kup­ferstecherfamilie wurde durch die Kunst zur Naturforschung geführt. Da sie möglichst naturgetreue Insek­tenporträts malen wollte, stellte sie ausgiebige Naturbeobachtungen an und entdeckte so die Metamorphose der Insekten. In späteren Jahren ver­brachte sie drei Jahre in Surinam - die Ausbeute dieser Forschung über tro­pische Insekten fand ihren Nieder­schlag in einem Prachtwerk, das bis heute immer wieder neu aufgelegt wird.

Daß Frauen auch in nicht traditio­nell weiblichen Bereichen Großes lei­sten können, zeigen nicht zuletzt die Wissenschafterinnen, denen bisher Nobelpreise verliehen wurden. Drei Frauen - 1911 Marie Curie, 1935 Ire­ne Joliot-Curie gemeinsam mit ihrem Gatten Frederic Joliot und 1964 Do­rothy Crowfoot Hodgkin - erhielten

ihn für besondere Leistungen im Be­reich der Chemie. Die Physikerin Ma­rie Goeppert-Mayer wurde 1963 aus­gezeichnet, die Leistungen der Medi­zinerinnen Gerty Cori und Rosalyn Yalow wurden 1947 und 1977 gewür­digt.

Zum Vergleich: Bekannter sind meist jene Frauen, die den Nobelpreis für Literatur (wie Pearl S. Buck, Sel­ma Lagerlöf und Nelly Sachs) oder den Friedenspreis (wie Bertha von Suttner) erhalten haben.

Bei den heimischen Wissenschaf­tern in spe, den Studenten, werden Frauen mit ihren männlichen Kolle­gen bald gleichziehen. Betrug der An­teil der Studentinnen an der Universi­tät Wien im Jahr 1900 nur 2,3 Pro­zent, so stieg er bis 1922/23 auf 18 Prozent und bis 1965 auf etwa ein Drittel der Gesamtfrequenz. Im Jahr 1980 stellten die Mädchen bei den Erstinskribenten aller österreichi­schen Universitäten bereits 46 Prozent.

„Seit 1966 ist mir kein Fall bei Lehrstuhlbesetzungen bekannt, wo die Frage Mann oder Frau entschei­dend gewesen wäre. Nur die wissen­schaftlichen Fähigkeiten, die Qualität der Publikationen standen zur Debat­te“, erzählt Prof. Dietrich aus ihrer Praxis.

Eines erscheint ihr allerdings be­sonders wichtig: Die Frau ist als Kol­legin, als Partnerin gefragt, eine ag­gressive, emanzenhafte Linie „schreckt“ männliche Kollegen meist ab.

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