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Geht es um Verwaltungsmacht?

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Lief die Eisenbahnergewerkschaft gegen die Verselbständigung der ÖBB aus besagten Existenzgründen Sturm, scheint es im Finanzministerium eher der Ausfluß starren Verwaltungsmachtdenkens der Spitzenbürokratie zu sein, sich nun gegen jenen Gesetzentwurf zu wenden, der den Empfehlungen von zehn unabhängigen Hochschulprofessoren voll gerecht wird, die im vergangenen Jahr in einem Bericht konkrete Vorschläge zur Rationalisierung der österreichischen Bundesbahnen zusammengefaßt haben.

Der Professorenbericht nennt als vorrangige Aufgabe einer rationalen Bundesbahnpolitik:

• Klare Abgrenzung des Finanzbedarfs der ÖBB und Loslösung von den nur über Jahresfrist festgelegten Ansätzen des Bundeshaushaltes,

• Herstellung eines den Erfordernissen der Zeit entsprechenden Managements, das die Bundesbahnen bei starker Wettbewerbslage autonom zu leiten imstande ist.

Davon aber wollen die Finanzer nichts wissen, „da dann das Finanzministerium nahezu keine Kontrollmöglichkeiten über die Bahnen mehr hat.“

Während man im Verkehrsmini- sterium und bei der Bahn über „diese Art des Besitzstanddenkens“ den Kopf schüttelt, scheinen im

Finanzministerium tiefergreifende politische Überlegungen ausschlaggebend gewesen zu sein, um nun gegen den ÖBB-Gesetzentwurf zu Felde zu ziehen. Das den Entwurf begutachtende Beamtenteam in der Himmelpfortgasse lehnt die Privatisierung der Bahnen nicht nur von vornherein ab, sondern verlangt auch noch:

• Der Finanzverwaltung müsse bei den Bahnen jedenfalls etwa mittels eines „Staatskomissärs“ ein echtes Mitspracherecht eingeräumt sein, was wieder absolut nicht den Vorstellungen der Wirtschaftsexperten entspricht, die in einer Zwischenschaltung dieses Beamtenapparates eine Bremse für das Betriebsmanagement sehen.

• Der Finanzplan der Bahnen soll bis jeweils Mitte eines Jahres erstellt sein; darnach werde sich die Höhe der für die Bahnen bereitzustellenden Bundesmittel für das folgende Budgetjahr richten. Die Bahnen sollten also weiterhin an den jährlichen Bundeshaushaltsplan eng gebunden sein, was aber Fachleute der Unternehmensführung als Hemmschuh für jede realistische Betriebsplanung ablehnen.

• Während sich das Finanzministerium bei der im Gesetzentwurf geforderten Abgeltung der Pensionslasten nur gegen die Art der Berechnung und nicht gegen die

Höhe der Beträge wendet, lehnt es die gleichfalls geforderte Abgeltung der Subventions- und Sozialtarife grundsätzlich ab. Damit, so interpretiert man diese Haltung im Verkehrsministerium, wenden sich die Beamten des Finanzministeriums nicht nur gegen die Bestrebungen der Bahnen, die Passivzahlen aus ihren Betriebsrechnungen wegzubekommen, sondern auch gegen das ÖVP-Memoranduni aus dem Jahr 1966, das als Instrumentarium der Sozial- und Wirtschaftspolitik dieser Partei angesehen werden kann, und geraten in nahezu sozialistisches Fahrwasser.

• Schließlich wollen die Beamten aus der Himmelpfortgasse in Hinkunft noch mehr Mitspracherecht bei den ÖBB — etwa in der Personalpolitik — als sie es derzeit haben.

Mit diesen Forderungen umschreiben die Finanzer aber nichts anderes als eben die Sorge, „Verwaltungsmacht“ einzubüßen.

Sind nämlich die Bundesbahnen einmal ein selbständiger Wirtschaftsbetrieb, können sie die Interessen des Bundes in beschränkterem Umfang wahmehmen und stehen nicht mehr direkt unter dessen Verwaltung — womit sie auch nicht mehr an die jeweils jährlich auszuhandelnden Budgets finanziell gebunden wären; dennoch müßte der Bund — und sogar auf noch längere Sicht als bisher — Mittel, beispielsweise für Investitionen der ÖBB, bcreithalten. Dadurch könnten zwar die Bahnen längerfristig planen, abgesehen von der Tatsache, daß sie darüber hinaus selbständig auf den Kapitalmarkt gehen könnten, der Finanzminister aber hätte keine Möglichkeit mehr, finanzielle Mittel bei Knappheit in der Staatskassa im Laufe des Jahres zu binden, wie er es in den anderen Ressorts kann.

Beruhigung in der Gewerkschaft

Auch scheint man sich in der Finanzverwaltung bereits jetzt zu sorgen, daß bei positivem Ausgang des „Privatisierungsversuches ÖBB“ auch andere Staatsbetriebe, etwa die Bundesforste oder die Post und andere, gleichfalls mehr Selbständigkeit in der Wirtschaftsführung anstreben und damit aus dem Budget „ausbrechen“ würden.

Beinhalten die anderen Stellungnahmen der den ÖBB-Gesetzent- wurf begutachtende Stellen mit Ausnahme der sozialistischen oder SPÖ-majorisierten wie etwa die Gemeinde Wien, die Arbeiterkammer und andere kaum gewichtige Bedenken, gilt es nun für den ÖVP-Verkehrsminister einen Weg zu finden, wie man die Hand der gleichfalls schwarzen Finanzbeamten,

welche diese nach der Notbremse für diesen Gesetzentwurf ausgestreckt haben, wieder zurückweisen kann. Es wird sich zeigen, ob der Verkehrsminister mit aller Härte die wirtschaftlich vernünftigeren Überlegungen, auf denen sein Gesetzentwurf basiert, durchsetzen oder, um eine politische Auseinandersetzung zu vermeiden, den ÖBB-Gesetzent- wurf wieder zurückziehen wird.

Weit weniger Sorgen bereitet den Verantwortlichen im Verkehrsministerium die Haltung der Eisenbahnergewerkschafter. Geben diese mit ihren Erklärungen gegen den Gesetzentwurf lediglich ihrer Sorge Ausdruck, an Macht zu verlieren, falls durch die „Verselbständigung“ die Bahnbediensteten Recht ufid Vorteile, insbesondere finanzieller Art, verlieren sollten.

„Diese Sorge kann man der Gewerkschaft leicht abnehmen“, meint man im Verkehrsministerium. Offensichtlich seien die Gewerkschaftler nur wegen der unklaren Formulierung „eigene Rechtspersönlichkeit“ zum Sturm gegen den Gesetzentwurf angetreten. Es sei aber jederzeit möglich, in den Entwurf eine Formulierung „einzuarbeiten“, die klar ausdrückt, daß „der Bund weiterhin für die Löhne und Gehälter der Eisenbahner haftet“.

Auch die Bedenken der — laut den letzten Personalvertretungswahlen — zu 86 Prozent sozialistischen Eisenbahnergewerkschaft, daß die ÖBB-Bediensteten bei einer „Privatisierung“ als Beamte des öffentlichen Dienstes ausscheiden würden und so die SPÖ mit der Eisenbahnergewerkschaft einen entscheidenden Vorposten innerhalb der vier Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes aufgeben müßte, könne man leicht zerstreuen, meint man bei der Bahn: Der Beamtenstatus der Bahndienstnehmer — diese Zusicherung könne man der Gewerkschaft ruhig geben — werde von der Verselbständigung in keiner Weise berührt.

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